Wahlgerechtigkeit
wuerg, 08.11.2020 23:50
Kein Wahlrecht kann oder will alle Menschen gleich oder gemäß ihres Wertes behandeln. [1] So erscheint auch mir die Wahl des amerikanischen Präsidenten weniger gerecht als die unseres Kanzlers. Es beginnt mit einem fehlenden Meldewesen, einer Benachteiligung derer ohne Führerschein oder Erlaubnis, eine Waffe offen zu tragen, geht weiter mit der Abschreckung durch lange Schlangen vor den Wahllokalen und läßt die überwiegende Mehrheit ohne Würstchen und Kugelschreiber stehen, weil nur die sog. Swing-States umworben werden. Aber haben deshalb deren Einwohner tatsächlich mehr Einfluß auf das Ergebnis?
Eine Antwort auf diese Frage kann nicht gegeben werden, weil der ominöse Einfluß des einzelnen auf das Wahlergebnis nicht beziffert werden kann. Fast immer hat keiner Einfluß in dem Sinne, daß seine Stimme entscheidet. Und sollte es innnerhalb von Milliarden Jahren tasächlich dazu kommen, ist er nur einer unter Millionen. Im Falle eines Patts in einem entscheidenden Bundesstaat wäre jeder Nichtwähler entscheidend, bei einer Stimme Vorsprung jeder Wähler der Mehrheit.
Aber es geht ja gar nicht um den Einfluß eines einzelnen oder eine exakte Bezifferung, sondern um die vermuteten oder postulierten Unterschiede zwischen verschiedenen Gebieten oder gar Bevölkerungsgruppen. Man mag das amerikanische System der Präsidentenwahl mit ihren normalerweise, aber nicht verbindlich gemäß des Ergebnis ihres Staates abstimmenden, tatsächlich existierenden Wahlmännern für ungerecht halten, doch berücksichtigt unsere Kanzlerwahl wegen der zahllosen Länderlisten, der Fünfprozenthürde und vor allem der Koalitionsverhandlungen den Wählerwillen nicht unbedingt stärker. Dazu genügt ein Blick auf die winzige FDP mit ihrem seit Bestehen der Republik übermäßigen sich auch in Posten niederschlagenden Einfluß.
Die Wahl des amerikanischen Präsidenten ist dagegen vergleichsweise simpel. Es geht praktisch nur um eine einzige Entscheidung zwischen zwei Kandidaten und in jedem Staat nur um die einfache Mehrheit. Wäre es noch simpler und entschiede die einfache Mehrheit aller, dann wäre ich bereit, meinen Einfluß wie folgt zu definieren: Die Wahrscheinlichkeit, daß ohne mich eine Pattsituation einträte, wenn die anderen gleichverteilt zufällig wählen. Bei n=2k+1 Wählern gibt es unter den 2^(2k) Möglichkeiten der anderen p=(2k über k) Pattsituationen, woraus sich der Einfluß e=p/n ergibt.
Wenn es nur wenige Staaten unterschiedlicher Größe mit gleichen oder differierenden Stimmgewichten (Wahlmänner) gibt, muß eine etwas kompliziertere Überlegung auf höherer Ebene nachgeschaltet werden, um den Einfluß der Wähler eines jeden Staates zu ermitteln. Wer der hier ausgebreiteten Ansicht von Einfluß folgt, wird die Gewichte derart verteilen wollen, auf daß den Wählern verschiedener Staaten der unterschiedliche Einfluß ausgeglichen wird. Bei wenigen Staaten ist das nur eingeschränkt möglich. Bei derart vielen Staaten wie den amerikanischen kann man aber zurecht erwarten, daß ein Gewicht gemäß der Wurzel der Wähler- oder Einwohnerzahl zu einem einigermaßen gleichmäßigem Einfluß führt.
Ich will jetzt nicht alle Staaten durchkauen, deshalb nur die mit A beginnenden. Die nachstehende Übersicht zeigt die Einwohner n in Millionen. Danach die Zahl der Sitze nach dem „Quadratwurzelgesetz“. Der Faktor 4 ist so gewählt, daß sich in der Summe die in der letzten Spalte aufgeführten 29 Sitze im Kongreß ergeben. Doch daran orientieren sich die Amerikaner nicht, sondern weisen jedem Staat zwei Sitze im Senat und auf etwa 700.000 einen Sitz im Repräsentantenhaus zu. [2] Daraus errechnen sich die Anzahlen unter der Überschrift 2+10n/7, die auf ganze Zahlen gerundet tatsächlich der Anzahl der Wahlmännern entsprechen.
[1] Das mag den weniger geneigten Leser empören. Doch sollte nicht vergessen werden, daß auch in Deutschland keine Kinder und nur ausgewählte oder gar keine Ausländer wählen dürfen. Einigen wurden auch die sog. bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt, andere werden durch Quoten oder Sonderregeln bevorzugt. Nicht nur Frauen, auch der SSW oder seinerzeit die nicht zur BRD gehörenden Berliner.
[2] Die Zahl 700.000 habe ich so gewählt, daß sich in der Summe die 29 Sitze der vier Staaten ergeben. Wer daraus für die gesamten USA 0,70976·(538-100-3)=308,75 Milionen Einwohner in den 50 Staaten ohne D.C. und anderen Sondergebieten errechnet, möge berücksichtigen, daß die Bevölkerung inzwischen gewachsen ist. Für Corona gehe ich von 329,1 Millionen aus.
[3] Selbst der Winz-Staat Wyoming am Ende des Alphabetes mit nur 0,6 Millionen Einwohnern käme in beiden Berechnungen auf drei Sitze, müßte also nicht die Sonderregel über mindestens einen Abgeordneten in Anspruch nehmen. Als Republikaner würde ich mich für das Quadratwurzelgesetz stark machen, weil Kalifornien nach den obenstehenden Berechnungen nur auf 24 statt 55 käme. Nach Angleichung der Summen vielleicht auf 30, maximal 35.
Quadratwurzelgesetz | Medaillenspiegel
Eine Antwort auf diese Frage kann nicht gegeben werden, weil der ominöse Einfluß des einzelnen auf das Wahlergebnis nicht beziffert werden kann. Fast immer hat keiner Einfluß in dem Sinne, daß seine Stimme entscheidet. Und sollte es innnerhalb von Milliarden Jahren tasächlich dazu kommen, ist er nur einer unter Millionen. Im Falle eines Patts in einem entscheidenden Bundesstaat wäre jeder Nichtwähler entscheidend, bei einer Stimme Vorsprung jeder Wähler der Mehrheit.
Aber es geht ja gar nicht um den Einfluß eines einzelnen oder eine exakte Bezifferung, sondern um die vermuteten oder postulierten Unterschiede zwischen verschiedenen Gebieten oder gar Bevölkerungsgruppen. Man mag das amerikanische System der Präsidentenwahl mit ihren normalerweise, aber nicht verbindlich gemäß des Ergebnis ihres Staates abstimmenden, tatsächlich existierenden Wahlmännern für ungerecht halten, doch berücksichtigt unsere Kanzlerwahl wegen der zahllosen Länderlisten, der Fünfprozenthürde und vor allem der Koalitionsverhandlungen den Wählerwillen nicht unbedingt stärker. Dazu genügt ein Blick auf die winzige FDP mit ihrem seit Bestehen der Republik übermäßigen sich auch in Posten niederschlagenden Einfluß.
Die Wahl des amerikanischen Präsidenten ist dagegen vergleichsweise simpel. Es geht praktisch nur um eine einzige Entscheidung zwischen zwei Kandidaten und in jedem Staat nur um die einfache Mehrheit. Wäre es noch simpler und entschiede die einfache Mehrheit aller, dann wäre ich bereit, meinen Einfluß wie folgt zu definieren: Die Wahrscheinlichkeit, daß ohne mich eine Pattsituation einträte, wenn die anderen gleichverteilt zufällig wählen. Bei n=2k+1 Wählern gibt es unter den 2^(2k) Möglichkeiten der anderen p=(2k über k) Pattsituationen, woraus sich der Einfluß e=p/n ergibt.
n k p 2^(2k) Einfluß e e*sqrt(n) --------------------------------------------- 3 1 2 4 0,5 0,8660254 5 2 6 16 0,375 0,8385255 7 3 20 64 0,3125 0,8267973 9 4 70 256 0,2734375 0,8203125 11 5 252 1024 0,2460938 0,8162006 13 6 924 4096 0,2255859 0,8133617 15 7 3432 16384 0,2009473 0,8112841 17 8 12870 65536 0,1963806 0,8096980 19 9 48620 262144 0,1854706 0,8084475 21 10 184756 1048576 0,1761970 0,8074363Offensichtlich sinkt der Einfluß mit der Anzahl der Wähler, doch nicht so sehr, wie man erwarten könnte. Es wäre ja auch blöd, jedem einfach 1/n zuzuschreiben. Die letzte Spalte konvergiert gegen 0,79788456. Das ist die Wurzel aus 2/π und ergibt sich aus der Stirlingformel.
Wenn es nur wenige Staaten unterschiedlicher Größe mit gleichen oder differierenden Stimmgewichten (Wahlmänner) gibt, muß eine etwas kompliziertere Überlegung auf höherer Ebene nachgeschaltet werden, um den Einfluß der Wähler eines jeden Staates zu ermitteln. Wer der hier ausgebreiteten Ansicht von Einfluß folgt, wird die Gewichte derart verteilen wollen, auf daß den Wählern verschiedener Staaten der unterschiedliche Einfluß ausgeglichen wird. Bei wenigen Staaten ist das nur eingeschränkt möglich. Bei derart vielen Staaten wie den amerikanischen kann man aber zurecht erwarten, daß ein Gewicht gemäß der Wurzel der Wähler- oder Einwohnerzahl zu einem einigermaßen gleichmäßigem Einfluß führt.
Ich will jetzt nicht alle Staaten durchkauen, deshalb nur die mit A beginnenden. Die nachstehende Übersicht zeigt die Einwohner n in Millionen. Danach die Zahl der Sitze nach dem „Quadratwurzelgesetz“. Der Faktor 4 ist so gewählt, daß sich in der Summe die in der letzten Spalte aufgeführten 29 Sitze im Kongreß ergeben. Doch daran orientieren sich die Amerikaner nicht, sondern weisen jedem Staat zwei Sitze im Senat und auf etwa 700.000 einen Sitz im Repräsentantenhaus zu. [2] Daraus errechnen sich die Anzahlen unter der Überschrift 2+10n/7, die auf ganze Zahlen gerundet tatsächlich der Anzahl der Wahlmännern entsprechen.
Staat n 4·sqrt(n) 2+10n/7 Sitze -------------------------------------- Alabama 4,8 8,7 8,8 9 Alaska 0,7 3,4 3,0 3 Arizona 6,4 10,1 11,1 11 Arkansas 2,9 6,8 6,2 6Sofern man das Quadratwurzelgesetz für gerecht hält, werden Staaten zwischen 0,65 und 2,15 Millionen Einwohnern leicht benachteiligt, kleinere und größere bevorzugt [3]. Da es aber auch dem unmittelbaren Gerechtigkeitsgefühl entspricht, jedem Einwohner das gleiche Gewicht zu geben, sind die aktuellen Wahlmännerzahlen gar nicht schlecht. Bei einer Reform sollte man einfach die Zweistufigkeit streichen, zumindest für die Wahl des Präsidenten.
[1] Das mag den weniger geneigten Leser empören. Doch sollte nicht vergessen werden, daß auch in Deutschland keine Kinder und nur ausgewählte oder gar keine Ausländer wählen dürfen. Einigen wurden auch die sog. bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt, andere werden durch Quoten oder Sonderregeln bevorzugt. Nicht nur Frauen, auch der SSW oder seinerzeit die nicht zur BRD gehörenden Berliner.
[2] Die Zahl 700.000 habe ich so gewählt, daß sich in der Summe die 29 Sitze der vier Staaten ergeben. Wer daraus für die gesamten USA 0,70976·(538-100-3)=308,75 Milionen Einwohner in den 50 Staaten ohne D.C. und anderen Sondergebieten errechnet, möge berücksichtigen, daß die Bevölkerung inzwischen gewachsen ist. Für Corona gehe ich von 329,1 Millionen aus.
[3] Selbst der Winz-Staat Wyoming am Ende des Alphabetes mit nur 0,6 Millionen Einwohnern käme in beiden Berechnungen auf drei Sitze, müßte also nicht die Sonderregel über mindestens einen Abgeordneten in Anspruch nehmen. Als Republikaner würde ich mich für das Quadratwurzelgesetz stark machen, weil Kalifornien nach den obenstehenden Berechnungen nur auf 24 statt 55 käme. Nach Angleichung der Summen vielleicht auf 30, maximal 35.
Quadratwurzelgesetz | Medaillenspiegel
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