Humorlosigkeit
wuerg, 19.09.2018 00:26
Vielleicht liegt es an meinem Alter, in dem ich die volle Realität nicht mehr wahrnehme, schon gar nicht mehr die der Jugendlichen. Doch meine ich, im Verlaufe meines Lebens eine Verflachung des Humors, der Satire, einen Niedergang des Kabaretts, des Witzes beobachtet zu haben. Wo früher noch dreistufig "Kommt eine Frau zum Arzt ..." erzählt wurde, reicht heute der einzeilige Flachwitz "Deine Mudda ist so ..."
Umgekehrt werden die meisten Jugendlichen gähnen, wenn sie alte Sketche mit Rudi Carell sehen. Aber denen gebrach es damals schon an Tiefgang. Auch andere Aufnahmen vergangener Zeiten und viele alte Spielfilme wirken oftmals künstlich, gestelzt oder verstaubt, weil das Bild keine Farbe hatte, die Aufnahmetechnik noch nicht ausgereift war und mit weniger Erfahrung und Mitteln gedreht wurde.
Während man heute im Erdkundeunterricht eine Moschee besucht, fuhren wir üblicherweise in die Reichshauptstadt Berlin, um im Osten das ärmliche Leben zu sehen und an der Grenze ordentlich gefilzt zu werden. Als ausgleichende Indoktrination wurden die Stachelschweine besucht. Sie und die Münchener Lach- und Schießgesellschaft erzielten hohe Einschaltquoten, obwohl eine gewisse politische Kenntnis zum Verständnis erforderlich war. Erfahrungen aus dem Zusammenleben von Mann und Frau allein reichten nicht.
Und wie ist es zur Zeit? Wenn Satire sich nicht völlig politikfrei mit Frauen, Männern und Handys beschäftigt, sondern mit Politik und Tagesgeschehen, dann reichen politische Späße und Spitzen, so einseitig sie auch sein mögen, nicht aus. Vielmehr wird streckenweise ganz humorlos moralisiert. Bei Oliver Welke eingeleitet durch "Jetzt mal im Ernst", in der Anstalt seit dem Abgang von Priol mit durchgängigen Belehrungen, soweit ich es gesehen habe, denn ich mußte immer bald abschalten, weil mir schlecht wurde.
Vor diesem Hintergrund und Zeitgeist verwundert eigentlich nicht, daß politische Satire nur noch einseitig produziert, zumindest aber gesehen und eingeordnet wird. Für die einen ist es eine treffende Kritik und Veralberung des Gegners, für diesen eine ungeheure Verunglimpfung. So auch ein harmloses Youtube-Filmchen des "Bohemian Browser Ballett" [1], in dem die Volksaufläufe in Chemnitz auf den Arm genommen werden. Ich verstehe nicht, warum man sich über anderthalb Minuten sofort erkennbarer Satire aufregen kann, wenn zur besten Sendezeit echte Lügen als Dokumentationen verkauft werden. [2]
Jedenfalls habe ich es mir ansehen und danach noch eine ganze Reihe weiterer Filmchen, die im Gegensatz zu vielem Youtube-Mist gut gemacht sind. Sicherlich mit Geld des Funk-Kanales, in den Zwangsgebühren von ARD und ZDF fließen, um Jugendliche bei der Stange zu halten. Aber um Klassen besser als sich ebenfalls an diesen Töpfen labende "Jäger & Sammler" mit 90 Prozent Daumen nach unten. [3] Deren Beiträge sind nicht nur einseitig, sondern auch noch abartig und strunzdumm.
Um Verwechselungen vorzubeugen: Es geht nicht um das Video, in dem ein AfD-Stand vorgetäuscht wird, von dem ein Afrikaner gejagt wird. [4] Hier handelt es sich offensichtlich um eine Handy-Aufnahme von Dreharbeiten für "Volksfest in Sachsen". Darin ist der AfD-Stand für drei Sekunden im Bild. Im Vordergrund wird ein Afrikaner durchs Bild gehetzt und kommt bei #wirsindmehr vorbei, wo freie Getränke für alle angepriesen werden. Einen weiteren Auftritt hat der Afrikaner, als er für eine Sekunde vor dem angeketten Nazi flieht. Alles von Anfang an als Satire erkenntlich!
[1] Volksfest in Sachsen. Youtube, "Bohemian Browser Ballett", 17.09.2018. Lohnt sich schon wegen des Polizisten mit deutschem Anglerhut und den Hitlergrüßen für 10 Euro, aber auch wegen des Nazis an der Hundeleine und dem "bleib hier" aus dem Zeckenbiß-Video.
[2] "Schlecky Silberstein": Blogger wird nach Satiredreh von AfD bedroht. Zeit, 18.09.2018.
[3] Zivile Rebellen | Jäger & Sammler. Youtube, "Jäger & Sammler", 27.08.2018.
[4] NEUES FAKE-VIDEO AUFGEDECKT! Youtube, Afd Berlin, 12.09.2018.
Umgekehrt werden die meisten Jugendlichen gähnen, wenn sie alte Sketche mit Rudi Carell sehen. Aber denen gebrach es damals schon an Tiefgang. Auch andere Aufnahmen vergangener Zeiten und viele alte Spielfilme wirken oftmals künstlich, gestelzt oder verstaubt, weil das Bild keine Farbe hatte, die Aufnahmetechnik noch nicht ausgereift war und mit weniger Erfahrung und Mitteln gedreht wurde.
Während man heute im Erdkundeunterricht eine Moschee besucht, fuhren wir üblicherweise in die Reichshauptstadt Berlin, um im Osten das ärmliche Leben zu sehen und an der Grenze ordentlich gefilzt zu werden. Als ausgleichende Indoktrination wurden die Stachelschweine besucht. Sie und die Münchener Lach- und Schießgesellschaft erzielten hohe Einschaltquoten, obwohl eine gewisse politische Kenntnis zum Verständnis erforderlich war. Erfahrungen aus dem Zusammenleben von Mann und Frau allein reichten nicht.
Und wie ist es zur Zeit? Wenn Satire sich nicht völlig politikfrei mit Frauen, Männern und Handys beschäftigt, sondern mit Politik und Tagesgeschehen, dann reichen politische Späße und Spitzen, so einseitig sie auch sein mögen, nicht aus. Vielmehr wird streckenweise ganz humorlos moralisiert. Bei Oliver Welke eingeleitet durch "Jetzt mal im Ernst", in der Anstalt seit dem Abgang von Priol mit durchgängigen Belehrungen, soweit ich es gesehen habe, denn ich mußte immer bald abschalten, weil mir schlecht wurde.
Vor diesem Hintergrund und Zeitgeist verwundert eigentlich nicht, daß politische Satire nur noch einseitig produziert, zumindest aber gesehen und eingeordnet wird. Für die einen ist es eine treffende Kritik und Veralberung des Gegners, für diesen eine ungeheure Verunglimpfung. So auch ein harmloses Youtube-Filmchen des "Bohemian Browser Ballett" [1], in dem die Volksaufläufe in Chemnitz auf den Arm genommen werden. Ich verstehe nicht, warum man sich über anderthalb Minuten sofort erkennbarer Satire aufregen kann, wenn zur besten Sendezeit echte Lügen als Dokumentationen verkauft werden. [2]
Jedenfalls habe ich es mir ansehen und danach noch eine ganze Reihe weiterer Filmchen, die im Gegensatz zu vielem Youtube-Mist gut gemacht sind. Sicherlich mit Geld des Funk-Kanales, in den Zwangsgebühren von ARD und ZDF fließen, um Jugendliche bei der Stange zu halten. Aber um Klassen besser als sich ebenfalls an diesen Töpfen labende "Jäger & Sammler" mit 90 Prozent Daumen nach unten. [3] Deren Beiträge sind nicht nur einseitig, sondern auch noch abartig und strunzdumm.
Um Verwechselungen vorzubeugen: Es geht nicht um das Video, in dem ein AfD-Stand vorgetäuscht wird, von dem ein Afrikaner gejagt wird. [4] Hier handelt es sich offensichtlich um eine Handy-Aufnahme von Dreharbeiten für "Volksfest in Sachsen". Darin ist der AfD-Stand für drei Sekunden im Bild. Im Vordergrund wird ein Afrikaner durchs Bild gehetzt und kommt bei #wirsindmehr vorbei, wo freie Getränke für alle angepriesen werden. Einen weiteren Auftritt hat der Afrikaner, als er für eine Sekunde vor dem angeketten Nazi flieht. Alles von Anfang an als Satire erkenntlich!
[1] Volksfest in Sachsen. Youtube, "Bohemian Browser Ballett", 17.09.2018. Lohnt sich schon wegen des Polizisten mit deutschem Anglerhut und den Hitlergrüßen für 10 Euro, aber auch wegen des Nazis an der Hundeleine und dem "bleib hier" aus dem Zeckenbiß-Video.
[2] "Schlecky Silberstein": Blogger wird nach Satiredreh von AfD bedroht. Zeit, 18.09.2018.
[3] Zivile Rebellen | Jäger & Sammler. Youtube, "Jäger & Sammler", 27.08.2018.
[4] NEUES FAKE-VIDEO AUFGEDECKT! Youtube, Afd Berlin, 12.09.2018.
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