Heidewitzka, Herr Kapitän
wuerg, 05.03.2018 17:55
Im Jahre 1950 setzte Konrad Adenauer die dritte unter den Nationalsozialisten ungesungene Strophe des Liedes der Deutschen als Nationalhymne durch, um bei Staatsempfängen im Ausland keine Karnevalslieder mehr hören zu müssen. Aber das deutsche Volk ist nicht im Handstreich zu nehmen. Zur Fußballweltmeisterschaft 1954 sang es die erste Strophe und 1958 mußte ich alle drei Strophen zehnmal abschreiben, weil ich sie nicht auswendig gelernt hatte. Mit der Wiedervereinigung wurde die dritte Strophe als Nationalhymne bekräftigt, obgleich die der DDR die schönere ist.
Es gab und gibt mehr oder minder gute Gründe, die Nationalhyme zu verändern. Vom dreistrophigen Lied der Deutschen, sangen die Nationalsozialisten nur noch die erste, gefolgt vom Horst-Wessel-Lied. Nach dem Krieg folgte wieder eine hymnenlose Zeit, in der Konrad Adenauer in den USA mit „Heidewitzka, Herr Kapitän“ begrüßt wurde. In der BRD erklärte Heuss die dritte Strophe des Liedes der Deutschen zur Nationalhymne. In der DDR wurde eine neue gedichtet und komponiert. Dort gefiel das Wort „einig“ bald nicht mehr, weshalb „Auferstanden aus Ruinen“ danach ungesungen blieb. Mit der Wiedervereinigung wurde versäumt, aus beiden Hymnen eine zu bilden, obgleich Versmaß und Melodie dem kaum im Wege standen.
Begehrlichkeiten liegen auf der Hand. Zur Zeit wieder ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden die frauenfeindlichen Wendungen „Vaterland“ und „brüderlich“. Sie sollen durch „Heimatland“ und „couragiert“ ersetzt werden. [1] Ich traue unserem Bundespräsidenten zu, sich dazu breitschlagen zu lassen. Dann haben wir eine veränderte Hymne, die sich in zwanzig Jahren vielleicht durchgesetzt hat. Schließlich haben wir uns ja auch an „erlöse uns von dem Bösen“ und „von dort wird er kommen“ gewöhnt. In der Zwischenzeit mag jeder „Heimat“ singen, wo vom Nachbarn „Vater“ tönt, wie der Protestant von der christlichen Kirche spricht, wo sie für die Katholiken immer noch katholisch ist.
Doch wird es keine zwanzig Jahre mehr dauern, bis aus rassistischen Gründen eine weitere Änderung erfolgen muß. Die Vertreter der heimatlos gewordenen Migranten werden auch das Heimatland beanstanden. Auch das Herz trägt nicht Kulturen Rechnung, in denen die Seele im Bauch oder ganz woanders zu finden ist. Eigentlich kann so und so jeder neben seinem Geschlecht auch den Ort seiner Seele bestimmen. Und noch bevor eine englische Version die deutsche ablöst, werden die E aus „Glanze“ und „Glückes“ zu „bluehe“ verschoben. Zum allgemeinen Verständnis wird auch Unterpfand durch Garantie ersetzt.
Spaß beiseite, ich habe mich gefragt, was an Vater und Bruder schlecht ist und welcher Bedeutungswandel eintritt, wenn man sie durch Mutter und Schwester oder gar Eltern oder Geschwister ersetzt. Bekannt sind die Muttersprache und das Vaterland. Mutter als Präfix verweist auf Herkunft und Ursprung, etwa Deutschland als Mutterland des Sauerkrauts. Vater dagegen meint mehr die Zugehörigkeit. Wenn man einmal Begriffe wegläßt, in denen es wirklich um Mütter und Väter geht (Muttermilch, Vaterschaftstest), dann überwiegt die Zahl der Bildungen mit Mutter: Muttererde, -boden, -land, -mal, -kirche, -partei, -sprache, -seelenallein. Auf der anderen Seite nur: Vaterhaus, -land, -stadt, -unser. Beide gibt es nicht nur bei -land: Die Amerikaner haben ihre Mutter aller Bomben in Afghanistan eingesetzt, die Russen den doppelt so starken Vater aller Bomben wohl noch nicht. Nichts im Vergleich zu Little Boy und Fat Man. [2]
Will man einen Text gändern, so bietet sich Heimatland statt Vaterland an, sofern man das Wort Heimat über die Lippen bringt. Mit brüderlich ist es etwas problematischer, da geschwisterlich zu schwesterlich klingt und es nicht ins Versmaß paßt. Und wer will sich in eine Zeit zurückdenken, da auch Mädchen Brüder waren? Ein Fremdwort wie couragiert mag den Migranten aus französischen Kolonien keine Probleme bereiten. Wie aber sieht es mit den Fußballfans bei Länderspielen aus? Oder sollten die Deutschen nur der Musik lauschen und wie die spanischen Spieler lautlos auf dem Platz stehen? Zu „Heiniwitzka, Frau Kapitänin“ [3] können wir auch nicht zurück. Die Auflösung der Nationalstaaten aber wird alle diese Probleme aus der Welt schaffen. Außer „Gott mit dir, du Land der Bayern“ wird dann mit Rücksicht auf fanatische Muslime nur noch getrommelt.
[1] Cornelia Geissler: Deutsche Hymne bald ohne "Vaterland"? Frankfurter Rundschau, 04.03.2018. Sie erwähnt auch, daß die erste Strophe Deutschland zu groß sieht und die zweite recht feminin wirkt. Doch das trügt seit „Avenidas“ an der Wand.
[2] Stanislaw Lem: Imaginäre Größe. Suhrkamp, Frankfurt 1981. Seite 106: „Tabelle LXXIX ‒ Reproduktion des Stichwortes MAMA aus dem Wörterbuch der Nullsprache, vorhergesagt für das Jahr 2190 […] ‒ MAMA Subst. weibl. Geschl. 1. Miniatombombe, illeg. Prod. […] 2. Frau, die ein Kind geboren hat (ungebräuchlich).“
[3] Frank Behling: Aida befördert Frau zum Kapitän. Kieler Nachrichten, 04.03.2018.
Es gab und gibt mehr oder minder gute Gründe, die Nationalhyme zu verändern. Vom dreistrophigen Lied der Deutschen, sangen die Nationalsozialisten nur noch die erste, gefolgt vom Horst-Wessel-Lied. Nach dem Krieg folgte wieder eine hymnenlose Zeit, in der Konrad Adenauer in den USA mit „Heidewitzka, Herr Kapitän“ begrüßt wurde. In der BRD erklärte Heuss die dritte Strophe des Liedes der Deutschen zur Nationalhymne. In der DDR wurde eine neue gedichtet und komponiert. Dort gefiel das Wort „einig“ bald nicht mehr, weshalb „Auferstanden aus Ruinen“ danach ungesungen blieb. Mit der Wiedervereinigung wurde versäumt, aus beiden Hymnen eine zu bilden, obgleich Versmaß und Melodie dem kaum im Wege standen.
Begehrlichkeiten liegen auf der Hand. Zur Zeit wieder ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden die frauenfeindlichen Wendungen „Vaterland“ und „brüderlich“. Sie sollen durch „Heimatland“ und „couragiert“ ersetzt werden. [1] Ich traue unserem Bundespräsidenten zu, sich dazu breitschlagen zu lassen. Dann haben wir eine veränderte Hymne, die sich in zwanzig Jahren vielleicht durchgesetzt hat. Schließlich haben wir uns ja auch an „erlöse uns von dem Bösen“ und „von dort wird er kommen“ gewöhnt. In der Zwischenzeit mag jeder „Heimat“ singen, wo vom Nachbarn „Vater“ tönt, wie der Protestant von der christlichen Kirche spricht, wo sie für die Katholiken immer noch katholisch ist.
Doch wird es keine zwanzig Jahre mehr dauern, bis aus rassistischen Gründen eine weitere Änderung erfolgen muß. Die Vertreter der heimatlos gewordenen Migranten werden auch das Heimatland beanstanden. Auch das Herz trägt nicht Kulturen Rechnung, in denen die Seele im Bauch oder ganz woanders zu finden ist. Eigentlich kann so und so jeder neben seinem Geschlecht auch den Ort seiner Seele bestimmen. Und noch bevor eine englische Version die deutsche ablöst, werden die E aus „Glanze“ und „Glückes“ zu „bluehe“ verschoben. Zum allgemeinen Verständnis wird auch Unterpfand durch Garantie ersetzt.
Spaß beiseite, ich habe mich gefragt, was an Vater und Bruder schlecht ist und welcher Bedeutungswandel eintritt, wenn man sie durch Mutter und Schwester oder gar Eltern oder Geschwister ersetzt. Bekannt sind die Muttersprache und das Vaterland. Mutter als Präfix verweist auf Herkunft und Ursprung, etwa Deutschland als Mutterland des Sauerkrauts. Vater dagegen meint mehr die Zugehörigkeit. Wenn man einmal Begriffe wegläßt, in denen es wirklich um Mütter und Väter geht (Muttermilch, Vaterschaftstest), dann überwiegt die Zahl der Bildungen mit Mutter: Muttererde, -boden, -land, -mal, -kirche, -partei, -sprache, -seelenallein. Auf der anderen Seite nur: Vaterhaus, -land, -stadt, -unser. Beide gibt es nicht nur bei -land: Die Amerikaner haben ihre Mutter aller Bomben in Afghanistan eingesetzt, die Russen den doppelt so starken Vater aller Bomben wohl noch nicht. Nichts im Vergleich zu Little Boy und Fat Man. [2]
Will man einen Text gändern, so bietet sich Heimatland statt Vaterland an, sofern man das Wort Heimat über die Lippen bringt. Mit brüderlich ist es etwas problematischer, da geschwisterlich zu schwesterlich klingt und es nicht ins Versmaß paßt. Und wer will sich in eine Zeit zurückdenken, da auch Mädchen Brüder waren? Ein Fremdwort wie couragiert mag den Migranten aus französischen Kolonien keine Probleme bereiten. Wie aber sieht es mit den Fußballfans bei Länderspielen aus? Oder sollten die Deutschen nur der Musik lauschen und wie die spanischen Spieler lautlos auf dem Platz stehen? Zu „Heiniwitzka, Frau Kapitänin“ [3] können wir auch nicht zurück. Die Auflösung der Nationalstaaten aber wird alle diese Probleme aus der Welt schaffen. Außer „Gott mit dir, du Land der Bayern“ wird dann mit Rücksicht auf fanatische Muslime nur noch getrommelt.
[1] Cornelia Geissler: Deutsche Hymne bald ohne "Vaterland"? Frankfurter Rundschau, 04.03.2018. Sie erwähnt auch, daß die erste Strophe Deutschland zu groß sieht und die zweite recht feminin wirkt. Doch das trügt seit „Avenidas“ an der Wand.
[2] Stanislaw Lem: Imaginäre Größe. Suhrkamp, Frankfurt 1981. Seite 106: „Tabelle LXXIX ‒ Reproduktion des Stichwortes MAMA aus dem Wörterbuch der Nullsprache, vorhergesagt für das Jahr 2190 […] ‒ MAMA Subst. weibl. Geschl. 1. Miniatombombe, illeg. Prod. […] 2. Frau, die ein Kind geboren hat (ungebräuchlich).“
[3] Frank Behling: Aida befördert Frau zum Kapitän. Kieler Nachrichten, 04.03.2018.
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