Politspektrum
wuerg, 03.03.2018 17:31
Ich teile gerne in Klassen oder ordne entlang einer Geraden an, weil es das Denken vereinfacht und es auch nicht schadet, solange man die Gesamtkomplexität nicht aus den Augen verliert. Eine schöne Anordnung ist die von links nach rechts im politischen Spektrum, obgleich auch andere Dimensionen ihre Berechtigung haben. Da an beiden Enden totalitäre Vorstellungen um sich greifen, ist eine zweite Dimension von egalitär zu elitär beliebt. Dann ergibt sich ein dem Farbraum ähnliches Bild. Die Spinner auf der Purpurgeraden zwischen den Extremen rot und blau.
Wie sieht das eindimensionale Politspektrum in Deutschland aus? Laut Wikipedia sehen sich die Deutschen im Verhältnis 34:52:11 als links, mittig bzw. rechts. Ordne ich den Linken ein reelles Intervall mit Mittelwert -100, den Rechten eines mit Mittelwert +100 zu und fülle den Bereich dazwischen mit der Mitte aus, so ergibt sich: Die Linken liegen bei -100±45, die Rechten bei +100±15 und die Mitte bei 15±70. Der normale Mensch sieht sich bei -15±65. Kurz gesagt: Die Hälfte rechnet sich der Mitte zu, und links sehen sich dreimal soviele wie rechts.
Die Wikipedia behauptet, 76, 39, 25 und 23 Prozent der Wähler von Grünen, SPD, CDU bzw. FDP hielten sich für links. Ein Anteil p an Linken bei -100 und 1-p anderen, also Nichtlinken bei ((-100+45)+(100+15))/2=30 liefert eine Einordnung der Parteien bei 30(1-p)-100p=30-130p, also -69 für die Grünen, -21 für die SPD, aber auch leicht linke -2,5 für die CDU und mittige +0,1 für die FDP. Ist das realistisch? Ja! Gewichte ich nämlich die Einstufungen mit dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl, so kommt für diese vier Parteien ein Mittelwert von -17 heraus. Das liegt nur knapp links neben der mittleren Selbsteinschätzung.
Ist es wirklich so? Kokettieren die Menschen nur mit linkem Gehabe? Ist der Anteil der Rechten nicht viel größer? Man mag es für meine Definition von links und rechts nehmen, wenn ich beide Gruppen mit je einem Viertel der Gesellschaft ansetze. Damit sind die Linken bei -100±33 und die Rechten bei +100±33. Die Mitte von -67 bis +67 liegt tatsächlich in der Mitte. Trägt man dann die Wahlergebnisse von -133 bis 133 in der Reihenfolge Linke, Grüne, SPD, CDU, FDP, CSU, AfD auf, so zeigt sich ein realistischeres Bild.
Darüber die gefühlte Einordnung der Wähler, darunter die Wahlergebnisse
links (-100), rechts (100), Mitte (0), mittlere Selbsteinschätzung (*)
Natürlich sind meine Ausgangszahlen mager. Ihr Hauptnachteil ist, daß in der Wikipedia nur angegeben ist, wieviele sich links einordnen, weil sie typischerweise nach der rechten Seite wohl gar nicht gefragt wurden. Es verwundert auch nicht, daß die Wähler sich moderater einschätzen als ihre Parteien wirklich sind. Deutlich zeigt sich das bei der FDP, die sich liberal gibt, aber rechtskonservativ ist. Vor allem belegt die Rechnung, was jedermann so und so weiß: Die Selbsteinschätzung ist deutlich linkslastig im Vergleich mit einer arithmetisch ausgewogenen Verteilung.
Wie sieht das eindimensionale Politspektrum in Deutschland aus? Laut Wikipedia sehen sich die Deutschen im Verhältnis 34:52:11 als links, mittig bzw. rechts. Ordne ich den Linken ein reelles Intervall mit Mittelwert -100, den Rechten eines mit Mittelwert +100 zu und fülle den Bereich dazwischen mit der Mitte aus, so ergibt sich: Die Linken liegen bei -100±45, die Rechten bei +100±15 und die Mitte bei 15±70. Der normale Mensch sieht sich bei -15±65. Kurz gesagt: Die Hälfte rechnet sich der Mitte zu, und links sehen sich dreimal soviele wie rechts.
Die Wikipedia behauptet, 76, 39, 25 und 23 Prozent der Wähler von Grünen, SPD, CDU bzw. FDP hielten sich für links. Ein Anteil p an Linken bei -100 und 1-p anderen, also Nichtlinken bei ((-100+45)+(100+15))/2=30 liefert eine Einordnung der Parteien bei 30(1-p)-100p=30-130p, also -69 für die Grünen, -21 für die SPD, aber auch leicht linke -2,5 für die CDU und mittige +0,1 für die FDP. Ist das realistisch? Ja! Gewichte ich nämlich die Einstufungen mit dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl, so kommt für diese vier Parteien ein Mittelwert von -17 heraus. Das liegt nur knapp links neben der mittleren Selbsteinschätzung.
Ist es wirklich so? Kokettieren die Menschen nur mit linkem Gehabe? Ist der Anteil der Rechten nicht viel größer? Man mag es für meine Definition von links und rechts nehmen, wenn ich beide Gruppen mit je einem Viertel der Gesellschaft ansetze. Damit sind die Linken bei -100±33 und die Rechten bei +100±33. Die Mitte von -67 bis +67 liegt tatsächlich in der Mitte. Trägt man dann die Wahlergebnisse von -133 bis 133 in der Reihenfolge Linke, Grüne, SPD, CDU, FDP, CSU, AfD auf, so zeigt sich ein realistischeres Bild.
Grüne SPD CDU FDP -100 | |* |0/ 100 |<---------L--------->|<---------------M-------------->|<--R-->| |<------L------>|<--------------M-------------->|<------R------>| |Linke|Grüne| SPD | CDU | FDP |CSU| AfD |In der Mitte gefühlte und realistische Verteilung auf links, Mitte und rechts
Darüber die gefühlte Einordnung der Wähler, darunter die Wahlergebnisse
links (-100), rechts (100), Mitte (0), mittlere Selbsteinschätzung (*)
Natürlich sind meine Ausgangszahlen mager. Ihr Hauptnachteil ist, daß in der Wikipedia nur angegeben ist, wieviele sich links einordnen, weil sie typischerweise nach der rechten Seite wohl gar nicht gefragt wurden. Es verwundert auch nicht, daß die Wähler sich moderater einschätzen als ihre Parteien wirklich sind. Deutlich zeigt sich das bei der FDP, die sich liberal gibt, aber rechtskonservativ ist. Vor allem belegt die Rechnung, was jedermann so und so weiß: Die Selbsteinschätzung ist deutlich linkslastig im Vergleich mit einer arithmetisch ausgewogenen Verteilung.
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wuerg,
26.02.2020 17:48
Nun als Kommentar, was ich unter der Überschrift "Das Schweigen der Mitte" als eigenständigen Beitrag veröffentlichen wollte, dann jedoch ein Jahr gut abhängen ließ:
Die Deutschen sehen sich mehrheitlich deutlich links der Mitte. Entspäche das der Realität, wäre das Politspektrum linkslastig. Das sollte die Angst vor einem rechten Rand relativieren, dessen Erstarken dann eine natürliche Ausgleichsbewegung darstellte. Doch die wahre politische Mitte liegt nicht an der Grenze von SPD und CDU, wo der Durchschnittsmensch sich sieht, sondern mitten in der CDU.
Links ist zu einem Schlagwort verkommen. Es steht sehr allgemein für Fortschrittlichkeit, Gleichheit, Aufgeschlossenheit und Toleranz. Wer sich als links bezeichnet, aber nicht den Radikalen zurechnet, muß sich nicht verteidigen, er zeigt Haltung und hat recht. Wer dieser Selbstgefälligkeit nicht zustimmt oder gar Zweifel äußert, läuft Gefahr als Rechter diffamiert zu werden. Die meisten plappern mit oder werden sprachlos, zumal auch Gleichgesinnte ihnen nicht zur Seite springen.
Es ist wie in der Türkei oder Polen. Die Gesellschaft spaltet sich in annähernd gleich große Gruppen. Dort sind es naturgemäß die Vertreter der Regierungsmeinung, die den anderen im Tone der Selbstverständlichkeit begegnen, sie mundtot machen, bis auch sie selbst verstummen, es keinen Widerstand mehr zu brechen gilt und jede Äußerung falsch sein könnte. Man schweigt sich zu politischen Themen aus, und es geht ein tiefer Riß durch die Gesellschaft bis in die Familien.
In Deutschland übernimmt die Mehrheit derer, die links sind, sich dafür halten oder es schick finden, die Rolle der Oberlehrer. Grundsätzlich lehnen sie Bevormundung, vor allem Gewalt und Diskriminierung ab, nehmen diese Bösartigkeiten aber kritiklos hin, wenn es rechte Gesinnung zu entlarven gilt. Manche folgen Menschen an die Wohnungstür, klatschen antideutschem Rassismus Beifall oder sagen: Ich habe nichts gegen dich, mein Baseballschläger aber schon. Vor der Kunst-Glatzen-Mode hieß es: Haut die Glatzen, bis sie platzen.
Vielleicht werde ich von den Linken enttäuscht im Alter immer reaktionärer. Vielleicht bin ich aber auch nur stehengeblieben, während die Gesellschaft nach links an mir vorüberzog. Ich hoffe von der einsetzenden Gegenbewegung nicht mitgenommen zu werden. Die wird unsere sog. Volksparteien nicht zu alter Größe führen. Die Grünen werden die SPD von links einquetschen wie es zuvor die CDU von rechts tat. Und die CDU erhält nun die Quittung für den Dusel der Kanzlerin. Deutlich ist in Fersehdiskussionen zu erkennen, daß diese Banalitäten zunehmend ohne Sturm der Entrüstung geäußert werden.
Die Deutschen sehen sich mehrheitlich deutlich links der Mitte. Entspäche das der Realität, wäre das Politspektrum linkslastig. Das sollte die Angst vor einem rechten Rand relativieren, dessen Erstarken dann eine natürliche Ausgleichsbewegung darstellte. Doch die wahre politische Mitte liegt nicht an der Grenze von SPD und CDU, wo der Durchschnittsmensch sich sieht, sondern mitten in der CDU.
Links ist zu einem Schlagwort verkommen. Es steht sehr allgemein für Fortschrittlichkeit, Gleichheit, Aufgeschlossenheit und Toleranz. Wer sich als links bezeichnet, aber nicht den Radikalen zurechnet, muß sich nicht verteidigen, er zeigt Haltung und hat recht. Wer dieser Selbstgefälligkeit nicht zustimmt oder gar Zweifel äußert, läuft Gefahr als Rechter diffamiert zu werden. Die meisten plappern mit oder werden sprachlos, zumal auch Gleichgesinnte ihnen nicht zur Seite springen.
Es ist wie in der Türkei oder Polen. Die Gesellschaft spaltet sich in annähernd gleich große Gruppen. Dort sind es naturgemäß die Vertreter der Regierungsmeinung, die den anderen im Tone der Selbstverständlichkeit begegnen, sie mundtot machen, bis auch sie selbst verstummen, es keinen Widerstand mehr zu brechen gilt und jede Äußerung falsch sein könnte. Man schweigt sich zu politischen Themen aus, und es geht ein tiefer Riß durch die Gesellschaft bis in die Familien.
In Deutschland übernimmt die Mehrheit derer, die links sind, sich dafür halten oder es schick finden, die Rolle der Oberlehrer. Grundsätzlich lehnen sie Bevormundung, vor allem Gewalt und Diskriminierung ab, nehmen diese Bösartigkeiten aber kritiklos hin, wenn es rechte Gesinnung zu entlarven gilt. Manche folgen Menschen an die Wohnungstür, klatschen antideutschem Rassismus Beifall oder sagen: Ich habe nichts gegen dich, mein Baseballschläger aber schon. Vor der Kunst-Glatzen-Mode hieß es: Haut die Glatzen, bis sie platzen.
Vielleicht werde ich von den Linken enttäuscht im Alter immer reaktionärer. Vielleicht bin ich aber auch nur stehengeblieben, während die Gesellschaft nach links an mir vorüberzog. Ich hoffe von der einsetzenden Gegenbewegung nicht mitgenommen zu werden. Die wird unsere sog. Volksparteien nicht zu alter Größe führen. Die Grünen werden die SPD von links einquetschen wie es zuvor die CDU von rechts tat. Und die CDU erhält nun die Quittung für den Dusel der Kanzlerin. Deutlich ist in Fersehdiskussionen zu erkennen, daß diese Banalitäten zunehmend ohne Sturm der Entrüstung geäußert werden.
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