Zergliederung
Fragt man sich, wie stark eine mittlere zum Bundestag kandi­die­rende Partei ist, hat es keinen Sinn, die 100% der Stimmen einfach durch die Anzahl der Parteien zu teilen. Eine solche Angabe ist wertlos, weil sie zu sehr vom Auf­treten kleiner Par­teien abhängt. Daran ändert sich auch nichts, wenn man nur solche Parteien zählt, die im Bundestag ver­treten sind. Es kann nicht sein, daß ein Passieren der Fünf-​Prozent-​Hürde die mittlere Stärke der Parteien wesent­lich ändert. Auch die Aufspal­tung einer kleinen Partei in zwei noch kleinere sollte kaum Einfluß auf die mitt­lere Größe haben. Deshalb halte ich es für sinn­voller, zu jedem Wähler die Stärke der von ihm gewählten Partei aufzu­schreiben, alle Zahlen zu addieren und dann durch die Gesamt­zahl der Wähler zu teilen.

Der Unterschied zur naiven arith­meti­schen Mitte­lung der Partei­stärken a₁, a₂, …, aₙ durch die Formel

a = ( a1 + a1 + a1 + … + an−1 + an ) / n

besteht darin, daß man nicht alle Partei gleich gewichtet, sondern mit ihrem eigenen Stimm­anteil. So kommt das quadra­tische Mittel

q = ( a12+a22+…+an2 ) / (a1+a2+…+an)

zustande, das unem­pfind­licher gegen Verände­rungen im Bereich kleiner Parteien ist und nicht einen Wert a in der Größen­ordnung von 5 Pro­zent, sondern einen deutlich höheren q über 20 Pro­zent liefern sollte.

Die Bundestagswahl vom vergan­genen Sonntag ergab

352(CDU/CSU), 342(SPD), 98(FDP), 87(PDS), 81(Grüne), 16(NPD), …

in Pro­mille, was auf

q = (3522+3422+982+872+812+162+…) / 1000 = 268

führt. Hinter den Punkten versteckt sich ein Wert unter 24²=576 für die Splitter­parteien, der die mitt­lere Partei­größe nur noch im Bereich eines halben Promil­les beein­flussen kann.

Was passiert, wenn die Union in CDU und CSU geteilt wird? Dann ergeben sich Anteile von 278, 74, 342, 98, 87, 81, 16, … Promille, was auf

q = (2782+742+3422+982+872+812+162+…) / 1000 = 227

führt. Die mittlere Partei­größe sinkt dadurch also nur um 4 Pro­zent­punkte. Und das auch weniger wegen einer zusätz­lichen Partei, sondern durch die Ver­kleine­rung der größten. Wegen 1000/268=3,7 und 1000/22,4=4,4 ist die Zer­glie­derung in Parteien durch die Auf­spal­tung der Union nicht um 1, sondern nur um 0,7 gestiegen. In jedem Falle kann man mit Fug und Recht behaupten, der Bundes­tag bestehe effektiv aus vier Parteien, weil deren mitt­lere Stärke etwa 25% beträgt.

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Man muß nicht rechnen, um die Vermeh­rung der Parteien, besser Ver­kleine­rung der mitt­leren Partei­größe bis heute zu sehen. Ohne Aufspal­tung der Union liegt sie nur noch bei 17,5 Prozent. Man kann also abermals mit Fug und Recht behaupten, die Zer­glie­derung der Parteien­land­schaft ist in den vier Legis­latur­peri­oden von 2005 bis 2021 von vier auf sechs Parteien ange­wachsen, was sich natür­lich auch in der Koali­tions­bildung bemerkbar macht. Der Zuwachs liegt weniger am Auf­treten neuer Parteien, sondern mehr an der Anglei­chung ihrer Stärken.

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