Rosalind Franklin
wuerg, 01.04.2018 19:48
Vorgestern sah ich einen Artilel über elf Frauen, denen der Ruhm von Männern gestohlen wurde. [1] Nach der Physikerin Chien-Shiung Wu will ich mich nun der Nummer eins der Liste zuwenden, der Biochemikerin Rosalind Franklin. Meine Beweggründe sind ambivalent. Auf der einen Seite halte ich es für erforderlich, die wissenschaftlichen Leistungen von Frauen hervorzuheben. Auf der anderen möchte ich für mich klären, inwiefern sie wirklich wegen ihres Geschlechtes Opfer von Männern oder einfach nur des Zeitgeistes wurden. Um das ganze Ausmaß und den durch Diskriminierung der halben Bevölkerung entgangenen Fortschritt zu ermessen, müßte man vor allem etwas über Frauen wissen, die heute keiner mehr kennt.
Rosalind Franklin hatte viele Röntgenaufnahmen gemacht, möglicherweise auch die als Nr. 51 bekannt gewordene der DNA, die ohne ihr Wissen durch Maurice Wilkins [2] in die Hände von James Watson und Francis Crick geriet, woraufhin die beiden ihre Theorie der DNA entscheidend verbessern konnten und alle drei Männer 1970 den Nobelpreis erhielten. Rosalind Franklin ging unnominiert leer aus und wurde in der Nobelpreisrede nicht einmal erwähnt. Zwar war sie im Alter von nur 37 Jahren bereits verstorben, doch konnten damals auch Tote den Nobelpreis erhalten.
Ähnlich wie im Falle von Chien-Shiung Wu haben die männlichen Theoretiker die Ehre eingeheimst. Dabei mag es eine Rolle gespielt haben, daß dies auf Kosten einer Frau geschah. Insbesondere im Falle des Jungspundes Watson, der vielleicht wirklich Angst vor erfolgreichen Frauen hatte. Aber ihm ist es auch zu verdanken, im Laufe seines langen, noch andauernden Lebens mit der Wahrheit herausgerückt zu sein. Heute sind die Nobelpreise vergessen. [3] Nach Rosalind Franklin aber sind viele Einrichtungen benannt, darunter eine Universität.
Als fünftes Rad an Wagen richtig vergessen ist Raymond Gosling, ein Doktorand von Rosalind Franklin, der als eigentlicher Urheber der sagenumwobenen Aufnahme Nr. 51 gilt. Frau hin oder her, auch damals schon ernteten die Professor*innen den Ruhm der Doktorand*innen. Schaut man sich zu den fünf Namen die Google-Treffer an, so gewinnt natürlich James Watson, weil er das Buch „Die Doppelhelix“ schrieb und als streitbarer Mensch das Internetzeitalter ereichte. In Gegenzuge ist der deutsche Wikipedia-Eintrag zu Rosalind Franklin so lang wie die zu den vier Männern zusammen.
[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahnbrechendes geschafft - den Ruhm ernteten Männer. Huffington Post, 31.03.2018. Link inzwischen ungültig.
[2] Weniger die Angst vor Diebstahl, mehr die Torschlußpanik und die Reputation vieler Veröffentlichungen verleitet Wissenschaftler dazu, jeden Gedanken, jedes Meßergebnis zu publizieren, zumindest an zahlreiche Kollegen zu versenden, wobei die Restangst bleibt, andere könnten darauf aufbauen, schneller oder besser sein und den Ruhm einheimsen. Wie eine Weitergabe von Ergebnissen zu bewerten ist, hängt auch von der Weiterverarbeitung ab. So gilt Wilkins als Verräter, weil die Nutznießer ihre Quelle lange Zeit verschwiegen. Als Stephen Hawking starb, sah ich in einem Film, wie er Fred Hoyle scharf kritisieren konnte, weil Roger Penrose ihm vorab Einblick in dessen Vortragsmanuskript gewährte. War das ebenfalls Verrat?
[3] Der Nobelpreis von Watson mag noch erinnert werden, weil seine Medaille als einzige zu Lebzeiten für mehrere Millionen versteigert wurde.
Jocelyn Bell Burnell | Lise Meitner | Chien‑Shiung Wu
Rosalind Franklin hatte viele Röntgenaufnahmen gemacht, möglicherweise auch die als Nr. 51 bekannt gewordene der DNA, die ohne ihr Wissen durch Maurice Wilkins [2] in die Hände von James Watson und Francis Crick geriet, woraufhin die beiden ihre Theorie der DNA entscheidend verbessern konnten und alle drei Männer 1970 den Nobelpreis erhielten. Rosalind Franklin ging unnominiert leer aus und wurde in der Nobelpreisrede nicht einmal erwähnt. Zwar war sie im Alter von nur 37 Jahren bereits verstorben, doch konnten damals auch Tote den Nobelpreis erhalten.
Ähnlich wie im Falle von Chien-Shiung Wu haben die männlichen Theoretiker die Ehre eingeheimst. Dabei mag es eine Rolle gespielt haben, daß dies auf Kosten einer Frau geschah. Insbesondere im Falle des Jungspundes Watson, der vielleicht wirklich Angst vor erfolgreichen Frauen hatte. Aber ihm ist es auch zu verdanken, im Laufe seines langen, noch andauernden Lebens mit der Wahrheit herausgerückt zu sein. Heute sind die Nobelpreise vergessen. [3] Nach Rosalind Franklin aber sind viele Einrichtungen benannt, darunter eine Universität.
Als fünftes Rad an Wagen richtig vergessen ist Raymond Gosling, ein Doktorand von Rosalind Franklin, der als eigentlicher Urheber der sagenumwobenen Aufnahme Nr. 51 gilt. Frau hin oder her, auch damals schon ernteten die Professor*innen den Ruhm der Doktorand*innen. Schaut man sich zu den fünf Namen die Google-Treffer an, so gewinnt natürlich James Watson, weil er das Buch „Die Doppelhelix“ schrieb und als streitbarer Mensch das Internetzeitalter ereichte. In Gegenzuge ist der deutsche Wikipedia-Eintrag zu Rosalind Franklin so lang wie die zu den vier Männern zusammen.
[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahnbrechendes geschafft - den Ruhm ernteten Männer. Huffington Post, 31.03.2018. Link inzwischen ungültig.
[2] Weniger die Angst vor Diebstahl, mehr die Torschlußpanik und die Reputation vieler Veröffentlichungen verleitet Wissenschaftler dazu, jeden Gedanken, jedes Meßergebnis zu publizieren, zumindest an zahlreiche Kollegen zu versenden, wobei die Restangst bleibt, andere könnten darauf aufbauen, schneller oder besser sein und den Ruhm einheimsen. Wie eine Weitergabe von Ergebnissen zu bewerten ist, hängt auch von der Weiterverarbeitung ab. So gilt Wilkins als Verräter, weil die Nutznießer ihre Quelle lange Zeit verschwiegen. Als Stephen Hawking starb, sah ich in einem Film, wie er Fred Hoyle scharf kritisieren konnte, weil Roger Penrose ihm vorab Einblick in dessen Vortragsmanuskript gewährte. War das ebenfalls Verrat?
[3] Der Nobelpreis von Watson mag noch erinnert werden, weil seine Medaille als einzige zu Lebzeiten für mehrere Millionen versteigert wurde.
Jocelyn Bell Burnell | Lise Meitner | Chien‑Shiung Wu
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