Hausaufgaben, Teil 5
Hier eine unausgegorene Aufgabe zu linearen Funktionen und ihre Darstellung, wenn ich mich einmal derart schlicht und direkt ausdrücken darf:
Der Graph einer linearen Funktion geht durch
die Punkte P(8|9) und Q(1|2).
a) Bestimme den Term einer proportionalen Funktion,
   deren Graph parallel zu dem Graphen von f ist.
b) Bestimme den Term der linearen Funktion h,
   deren Graph parallel zu dem Graphen von f ist
   und durch den Punkt R(2|-3) geht.
Dem Mathematiker fällt reflexhaft die Bezugnahme auf eine nicht bezeichnete Funktion f auf, denkt sich aber sofort, daß wohl die lineare Funktion f durch die Punkte P und Q gemeint ist. Er setzt in Teil a der Aufgabe sofort eine propor­tio­nale Funktion g an und wundert sich somit nicht über das Erscheinen von h im Teil b. Auf der anderen Seite bemerken selbst Schul­buch­autoren gar nicht die Unbe­stimmtheit von f und wundern sich auch nicht über das Fehlen von g, obgleich doch von f und h die Rede ist. Und Lehrer stehen auf dem Schlauch, wenn Schüler sie um eine Erläu­terung bitten. Zur Schul­buch­kritik oder Streichung der Aufgabe fehlt es oft an Souve­ränität.

Wer das so liest, könnte mich für pingelig halten, sollte aber beachten, daß er möglicher­weise den kleinen Schwach­punkt ohne meine Erläu­terung einfach über­sehen hätte oder bei der Lösung an ganz anderen Kleinig­keiten geschei­tert wäre, zum Beispiel an dem feinen Unter­schied zwischen linear und propor­tional oder an dem breiten Graphen-Geschwafel. Selbst­verständ­lich können nicht nur Mathe­matiker solche leichten Schwächen korri­gieren, und es wäre mir auch lieb, wenn in der Schule eine derartige Fehler­toleranz geübt würde, auf daß jeder Abitu­rient in der Lage wäre, auch sehr formale Sach­verhalte weit­gehend in geläu­figer Umgangs­sprache exakt zu beschreiben. Doch leider sehe ich eher das Gegenteil: In der Schul­mathe­matik werden Begriffe und Bezeich­nungen eingeführt, die in der wirklichen Mathematik unge­bräuchlich oder einfach unsinnig sind, um mich anderer Vokabeln zu enthalten. Auch das demon­striert die eingangs erwähnte Aufgabe.

Dem flüchtigen Leser wird "die Punkte P(8|9) und Q(1|2)" gar nicht irritieren. Ich aber frage mich, was an der tradi­tionellen Schreib­weise "die Punkte P=(8,9) und Q=(1,2)" auszusetzen ist. Etwa die Gleich­setzung der Punkte P und Q mit den Paaren (8,9) und (1,2)? Soll der senk­rechte Strich irgend­etwas andeuten? Daß es sich um Koor­dinaten handelt? Soll P(8|9) etwa für "Punkt P mit Abszisse 8 und Ordinate 9" stehen? Oder gar für den Punkt mit den Koor­dinaten 8 und 9? Nein, letzteres geht nicht, dann wäre Q(1,2) ja ein Qunkt! Wahr­scheinlich soll z(x|y) eine triviale Relation über E×R×R sein, die immer dann erfüllt ist, wenn der Punkt z der Ebene E die Koor­dinaten x und y hat, obgleich dann P und Q die Punkte wären, nicht P(8|9) und Q(1|2). Und da man diese Ungereimt­heiten einem Acht­kläßler zu erklären nicht in der Lage ist, bleibt wieder einmal kritik­lose Aneignung von Schul­konven­tionen, wo schlichtes Verstehen so einfach wäre.

Liste aller Hausaufgaben

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Mooresches Gesetz
Als ich von den Petabytes [1] las, die Tag für Tag über Amsterdam in die Welt geblasen und aus ihr gesogen werden, konnte ich mir [2] einen Schlenker zu den Bezeichnungen noch größerer Datenmengen nicht verkneifen. Und wer für eine Ü35-Party zu alt ist, wird sich noch an Kilos erinnern, die schnell zu Megas und Gigas wurden. Es sieht so aus, als würde alle zehn Jahre eine neue Vorsilbe zum Zeichen der Vertausendfachung verbraten. Es ist noch nicht lange her, da die Frage gestellt wurde, was das Hauptproblem sei, einen Ronald-Reagan-Simulator in zwei Kilobyte zu programmieren. Antwort: Was mache ich mit dem einen Kilobyte, das übrig bleibt?

Und dennoch: Ganz so schnell geht es nicht. Für den Faktor 1000 sind eher zwanzig, denn zehn Jahre erforderlich. Das ist eine Verdoppelung in zwei Jahren. In aufbauschenden Berichten ist immer wieder von 18 Monaten zu lesen. Gerne sucht man auch Teilbereiche, in denen es zeitweise nur ein Jahr ist, wie beim Datendurchsatz des Internet-Knotens AMS-IX. In diesem Zusammenhang wird auch gerne vom Mooreschen Gesetz gesprochen, das sich ursprünglich wohl auf die Zahl der Transistoren bezog, die auf einem Chip Platz finden. Die ersten Schritte gingen sehr schnell, doch schon nach kurzer Zeit waren es eben doch zwei Jahre für eine Verdoppelung.

Wer sich in der Wikipedia das Bild mit den gängigen CPU ansieht, die mit dem Logarithmus der Transistorzahl gegen das Erscheinungsjahr aufgetragen sind, sieht sie ziemlich genau auf einer Geraden liegen. In sehr guter Näherung gilt
n = 1000a/20 ≈ 2a/2
worin n die Zahl der Transistoren und a mein Alter ist. Tatsächlich: Als ich geboren wurde (a=0, n=1), konnte man die ersten Transitoren kaufen, die wenige Jahre später zu Transistorradios führten, mit denen man endlich in der Öffentlichkeit nerven konnte wie später mit den Funktelefonen und MP3-Playern. Wer etwas auf sich hielt, der hatte nicht zwei Megapixel, sondern drei Transistoren mehr als der andere. Das war so bedeutend wie die Zahl der Steine in der Armbanduhr.

Zwanzig Jahre später (a=20, n=1.000) gab es bereits erste elektronische Tischrechner. Mein Vergnügen mit dem sagenhaften LOCI-2 für etwa 5000 Mark aus 1275 einzelnen Transistoren war gerade vorüber. Und nach abermals zwanzig Jahren (a=40, n=1.000.000) brach auf den Schreibtischen der Computerfreaks das 32-Bit-Zeitalter an. Endgültig vorüber war damit meine 8080- und Z80-Zeit, in der man nur mit viel Aufwand über ein Speichervolumen von 64 Kilobyte kam. Bald sind erneut zwanzig Jahre um (a=60, n=1.000.000.000), und tatsächlich liegt die Zahl der Transistoren des Itanium-2 nur noch um den Faktor 4 unter einer Billion (Giga). Hauptspeicher wird schon lange Zeit in Gigabyte gemessen und die Festplatten haben bereits die Terabit-Marke (128 GB) überschritten.

Das Mooresche Gesetz mit Verdoppelung in zwei Jahren ist über mein ganzes Leben hinweg erfülllt worden, jedenfalls für die Zahl der Transistoren, die eine einzelne CPU eines Rechners hat, der noch auf einen Schreibtisch paßt, seien sie mit der Hand gelötet oder in integrierten Schaltungen versteckt. Zwar widerstrebt es mir, exponentielle Entwicklungen in die Zukunft fortzuschreiben, im Computerbereich werden sie aber noch eine Weile anhalten. Zu oft ist eine vermeintliche Technologiegrenze überschritten worden. Wer hatte vor zwanzig Jahren geglaubt, daß man über Telefonleitungen, die damals schon zwanzig Jahre alt waren, DSL-Verbindungen mit mehr als einem Kilobaud herstellen kann.

[1] Joachim Wille, "1 125 899 906 842 624 Bytes mal zwei", Frankfurter Rundschau vom 9. Februar 2007, Seite 1
[2] 1125899906842624

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Steuerprogression
Im Kompetenzteam [1] hatte ich zum Begriff Todessteuer eine leichte Auseinandersetzung über Gerechtigkeit und Besteuerung von Erbschaften. Da es dort um Sprache, nicht um Politik und schon gar nicht um Mathematik geht, will ich hier kurz erläutern, wie ich mir eine gerechte Besteuerung der Reichen vorstelle, warum dies zur Zeit leider nicht vernünftig ist und was ich von den Menschen diesbezüglich halte.

Die Diffamierung der Erbschaftssteuer als Todessteuer soll einreden, daß man für den Tod auch noch bestraft wird. Zwar nicht der Verstorbene selbst, sondern die Erben. Dies sei ungerecht, weil das weitergegebene Vermögen doch bereits erarbeitet und versteuert sei, selbst wenn es mehrere Generationen zurückliegt. Das kann ich nicht nachvollziehen, denn der Erbe hat ja nichts dafür getan. Warum soll er leistungslos etwas unversteuert erhalten, während ein hart arbeitender Mensch sein Einkommen zu versteuern hat. Und bezahlt dieser eine legal arbeitende Putzfrau, dann fallen erneut Steuern an. Es ist also ganz normal, daß bei Weitergabe von Geld oder Besitz auch Steuern zu zahlen sind.

Ungerechter finde ich eher, daß in schneller Generationenfolge vererbtes Vermögen öfter besteuert wird als das an die Ururenkel weitergegebene und daß langsam an die Nachfahren verschenktes oder in den Arsch gestecktes Geld gänzlich unbemerkt bleibt. Unschön ist es auch, wenn der besitzlose Erbe ebenso Steuern zu zahlen hat wie einer der schon vorher reich war. Die gleiche Ungerechtigkeit steckt auch in der Kapitalertragssteuer. Jenseits des Freibetrages wird ein Schwerreicher, dessen Kapital viel effizienter "arbeitet" und der nichts hinzuverdienen muß, nicht stärker zur Kasse gebeten als einer mit bescheidenen Gewinnen.

Es wäre durchaus gerecht, auf Erbschaftssteuer und Kapitalertragssteuer zu verzichten, wenn es eine wirksame Vermögenssteuer gäbe. Und damit meine ich keine, die oberhalb eines Freibetrages einen minimalen Prozentsatz verlangt, auch keine mit einer Progression auf unerhebliche Höhe. Ich würde einfach einen festen Satz q von etwa 2 Prozent pro Jahr und Millionen Euro als Vermögenssteuer erheben. Wer am Jahresende ein Kapital K besitzt, der muß den Betrag von (qK)K an Vermögensteuer zahlen. Wer zu Jahresbeginn K besitzt, es mit einen Zinssatz p zum Jahresende auf K(1+p) vermehrt hat, besitzt nach Besteuerung zu Beginn des Folgejahres ein Kapital K’ von
K’ = K(1+p)(1-qK(1+p)) ≈ K(1+p-qK)
Ein solche wirklich progressiv zu nennende progressive Besteuerung des Vermögens würde arme Erben und Besitzer nur eines Reihenhauses weitgehend ungeschoren lassen, die wirklich Reichen aber spürbar besteuern. Ein paar Beispiele bei einer Vermögenssteuer von 2 Prozent pro Jahr und Millionen Euro:
Kapital  Zinssatz  Steuer  Gewinn
---------------------------------
    5.000   1,50%   0,01%   1,49%
   50.000   4,50%   0,10%   4,40%
  500.000   7,50%   1,00%   6,50%
5.000.000  10,50%  10,00%   0,50%
Leicht ist zu sehen, daß selbst der unverschuldete Reihenhausbesitzer weniger zur Kasse gebeten würde als bisher, wenn er sein Vermögen nicht in Steine verbaut, sondern mit fünf oder mehr Prozent angelegt hätte. Erst ab einer Million wird die Steuerlast wirklich spürbar. Der Deckel ist bei etwa fünf Millionen. Selbst ein Superspekulant mit dauerhaft 30 Prozent Rendite schaffte es nicht mehr über 20 Millionen Euro.

Ich glaube nicht, daß dies einen vernünftigen Reichen wirklich stören würde, wenn es in der ganzen Welt so wäre, denn es kommt ihm abseits einer "Grundversorgung" ja nicht auf die Höhe seines Besitzes, sondern auf die Rangordnung an. Er wird mit Genugtuung sehen, wie andere durch Erbschaft reich gewordenen Nichtsnutze schnell ihr Vermögen verpraßt haben, weil es ja nur ein paar Millionen gewesen sein können. Jeder bescheidene Reiche wird auch einsehen, daß die vielen sinnlosen Dienstleistungen, die einfache Menschen an den Superreichen vollbringen müssen, damit ihr Geld wieder unter die Leute kommt, gesamtwirtschaftlich nur schädlich sind.

Ich höre schon diejenigen, die um die geringe Zahl der Reichen und die Unerheblichkeit einer Vermögenssteuer wissen. Gewiß kann man die große Masse nur bei den kleinen Leuten und den mittleren Einkommen holen. Es geht aber im Leben der Menschen nicht nur um Geld, sondern auch um Gerechtigkeit. Ich jedenfalls würde es begrüßen, wenn die Superreichen auch nur deshalb abgeschafft würden, um sie aus den Medien zu verdrängen, in denen sie permanent ein falsches Bild der Welt vermitteln.

Ich weiß aber auch, daß es nicht möglich ist, Vermögen gerecht zu besteuern, solange Kapital ins Ausland geschafft werden kann oder reichenfreundliche Länder die sog. Leistungsträger anlocken. Deshalb bezeichne ich meine gerechten Vorstellungen auch gerne als unpraktikabel, wirklichkeitsfremd und für unsere Volkswirtschaft tödlich. Ich akzeptiere deshalb Superreiche als Teil der realen Wirtschaftswelt, für die es zur Zeit keine vernünftige Alternative gibt. Auch die Natur hat sich ja nicht der Gerechtigkeit verschrieben und nimmt enorme Reibungsverluste hin.

Und deshalb verachte ich auch nicht den Kapitalismus oder die Superreichen, die ich im Gegensatz zu vielen meiner Mitmenschen gar nicht zur Kenntnis nehme, sondern die einfachen Massen, die ihr hart erarbeitetes Geld zusammenlegen, um es einigen wenigen in den Arsch zu stecken, den Schauspielern, den Popstars und den Fußballspielern. Als reichten ihnen nicht ein paar Spekulationsgewinner, Aufsichtratsvorsitzende, Großgrund- oder –firmenbesitzer. Sie legen sogar Woche um Woche zusammen, um ein paar unter sich zu Lottomillionären zu machen, diese Idioten.

[1] Todessteuer

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1.125.899.906.842.624
„1 125 899 906 842 624 Bytes mal zwei“ lautet die Über­schrift der gestrigen Frank­furter Rundschau. Gegen diesen Spaß wäre nichts einzu­wenden, würde der Schreiber Joachim Wille im Artikel selbst durch­blicken lassen, was gemeint ist. Über den Internet-​Knoten AMS‑IX weiß er zu berichten: „Anfang 2006 wurde dort erstmals die Daten­menge von einem Petabyte (1 125 899 906 842 624) erreicht. Für Okto­ber 2007 werden bereits zwei Petabyte erwartet.“

Nun gut, ich gehöre auch zu den altmo­dischen Menschen, die PB oder Peta­byte schreiben, wenn sie PiB oder Pebi­byte meinen. Soviel Kontext­sensiti­vität erwarte ich vom Leser. Doch was ist in der heutigen Zeit schon ein Peta­byte? Das sind doch nur die versam­melten Fest­platten von zehn­tausend PC! Und warum sind es im Oktober erst zwei Peta­byte, wenn es im Januar bereits eines war?

Gut, man kann sich informieren. Die Wikipedia nennt knapp über 200 Giga­bit pro Sekunde Spitzen­leistung. Das ergibt maximal zwei Peta­byte am Tag. Nichts anderes als die pro Tag über­tragene Daten­menge scheint also in der Über­schrift gemeint zu sein. Warum kann man das nicht einfach hin­schreiben?

Und wozu mache ich mir die Mühe, dies hier zu bemängeln? Zur aberma­ligen Bestä­tigung meiner Auf­fassung: Wenn alle Berichte in Tages­zei­tungen und Zeit­schriften so falsch, ungenau und hinge­rotzt sind wie die­jenigen, deren Inhalt ich über­prüfen kann, dann sollte man eigent­lich davon ausgehen, daß es auch sonst im wesent­lichen nur ausge­stoßenes Halb­wissen vermengt mit persön­licher Über­zeugung ist, also auch nicht viel besser als in Blogs.

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Steinwerfer
Es wohl zu spät, um mich im Fall Kurnaz als Prophet zu erweisen, indem ich einfach vorhersage, was jeder so und so vermutet. Die Front derer, die für den Stein­werfer, Stein­meiers Vor­gänger im Amt, wesent­lich mehr Ver­ständnis gezeigt hat, bröckelt bereits. Und sollten sich meine Genossen nicht ein­deutig auf die plau­sible Seite schlagen, sondern auf die der Feiglinge, so werde ich wohl nach­holen, was ich nach dem Putsch durch Nahles und Plat­zeck bereits erwog, und aus­treten.

Brandt-Nahles

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Hausaufgaben
Das Reizthema Schule schlägt sich auch in Überempfindlichkeit der Beteiligten nieder. Wer sich hier in einer Hausaufgabe erkennt, sollte davon zu abstrahieren versuchen oder lieber einen schöngeistigen Roman lesen.
  1. Zinseszinsen
  2. Damm-Schnitt
  3. Fallunterscheidungen
  4. Kongruenzsätze
  5. Was ist P(8|9)?

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Hausaufgaben, Teil 4
Da die Schüler der achten Klasse angesichts des Viereckes natür­lich vom Dreieck nichts mehr wußten, wurden ihnen zur häus­lichen Auf­frischung die vier Kon­gruenz­sätze für Dreiecke diktiert. Ich wüßte ich gerne, was das soll. Einmal abgesehen davon, daß meine Tochter nach Gehör "Konkruents" geschrieben hatte, ist es genau der falsche Weg, diese Sätze in einer verqueren Schul­sprache aufzu­schreiben, wenn man sie lernen, verstehen und anwenden will [1]. Wer es nicht glaubt, der sehe sie sich in der Wikipedia [2] an, wo sie noch recht schlicht for­muliert sind. Der Königs­weg zeigt genau in die ent­gegen­gesetzte Rich­tung: Man verin­ner­licht den simplen Sach­verhalt und kann sofort alles anwenden. Will man zusätz­lich die Sätze im Schul­deutsch nieder­schreiben, muß man sich allerdings ein paar Über­ein­künfte merken, die wie so oft zum Inhalt nichts beitragen.

Der schlichte Sach­verhalt, den es zu ver­stehen oder notfalls zu merken gilt, lautet: Von den drei Seiten und den drei Winkeln des Dreieckes reichen im allge­meinen drei Angaben aus, um daraus ein Dreieck zu kon­struie­ren. In der Folge sind zwei Dreiecke, die in dreien dieser sechs Ele­mente (Seiten und Winkel) überein­stimmen, kongruent. Und wer zu dieser Einsicht gelangt ist, dem werden auch drei Kleinig­keiten ein­leuchten: Drei Winkel nützen nichts, weil jeweils zwei den dritten bestim­men, alle Größen müssen sich im gleichen Dreh­sinn ent­sprechen, und in einem Fall kann es zu Doppel­deutig­keiten kommen. So ausge­stattet kann man sich auch auf einer ein­samen Insel wieder alle vier Kongruenz­sätze über­legen, ohne gleich mit Zweit­namen Archi­medes zu heißen. Wahr­scheinlich kommt man dann auf fünf statt vier Sätze und nume­riert sie anders, doch an der Sache ändert sich dadurch nichts:

Ein Winkel fehlt immer. Die restlichen Ele­mente (drei Seiten und zwei Winkel) bezeichne ich in ihrer Reihen­folge mit SWSWS. Es gibt 5 über 3, also 10 Möglich­keiten, drei Elemente aus diesen fünfen auszu­wählen:
S W S W S   Typ   #
-------------------
S W S . .   SWS   2   
S W . W .   SWW   3   
S W . . S   SSW   4
S . S W .   SSW   4
S . S . S   SSS   1
S . . W S   SSW   4
. W S W .   WSW   3
. W S . S   SSW   4
. W . W S   SWW   3
. . S W S   SWS   2
Da man Dreiecke drehen und spiegeln [3] kann, redu­zieren sich diese zehn Fälle auf fünf Typen. In lexika­lischer Reihen­folge: SSS, SSW, SWS, SWW und WSW. Aber so sind sie in der Schule nicht numeriert. Dort heißen sie abgekürzt:
1. SSS            drei Seiten
2. SWS            zwei Seiten mit gemeinsamen Winkel
3. WSW (und SWW)  zwei Winkel mit gemeinsamer Seite [4]
4. SsW            Spezialfall
Manchmal sind auch Typ 2 und 3 vertauscht. Andere versuchen, ein moder­nes Aussehen zu errei­chen, indem alle W und S klein geschrieben werden und nur der vierte Typ mit Ssw bezeichnet wird. Die Zusammen­fassung zweier Fälle (WSW und SWW) zu einem ist reine Willkür. Sie soll verdeutlichen, daß man aus zwei Winkeln den dritten konstru­ieren [5] kann, womit SWW auf WSW zurück­geführt ist. Am affen­geilsten aber ist die Bezeich­nung SsW, die verdeut­lichen soll, daß am einen Eckpunkt der Seite s eine größere Seite S hängt und sich am anderen Eckpunkt der Winkel W befindet. Wäre S nicht größer als s, könnte es zwei Möglich­keiten geben, und die Kongruenz wäre dahin. Eigentlich das einzig Interes­sante an der ganzen Angele­genheit.

[1] Auch ich erläutere hier die Kongruenz­sätze nicht in Bildern oder durch leicht verständ­liche Worte, denn es geht hier nicht darum, sie zu erlernen und mög­lichst effektiv im Klein­hirn zu verankern, sondern um eine Kritik an ihrer Dar­stellung in der Schule, die mäßige Schüler abschreckt und von den mathe­matisch begabten ignoriert wird.

[2] Die Wikipedia listet SSS, WSW, SWS und SsW. Die Fälle SWW und WWS werden als aus WSW abge­leitet klassi­fiziert. Um SWW und WWS als nur einen Fall zu betrachten, muß lediglich die Spiegelung [3] bemüht werden. Die Rück­führung auf WSW [4] aber ist reine Willkür.

[3] Es ist korrekt, sich zur Rück­führung des Falles WWS auf SWW (und auch WsS auf SsW) sich beide Dreiecke gespiegelt zu denken, aber es ist nicht erlaubt, die Angaben im einen Dreieck links und in dem anderen rechts herum zu inter­pretieren, weil dann normaler­weise keine Kongruenz mehr gegeben ist. Diese Tat­sache wird auch gerne mit sprach­lichen Zusätzen wie "entsprechende Seiten" berück­sichtigt. Nur wird es dadurch nicht klarer.

[4] Die Zusammen­fassung von WSW und SWW basiert darauf, daß die Winkel­summe im Dreieck immer 180 Grad ist und bei zwei gegebenen Winkeln der dritte sich ergibt. Dieses Argument fort­führend könnten die Kongruenzsätze 1 bis 3 auch zu einem einzigen zusam­mengefaßt werden. Aber mit den eigent­lich fünf verschie­denen Fällen werden auch eigene Konstruktions­verfahren verbunden. Und das ist bei SWW schwerer und origi­neller als im trivialen Fall WSW: Man nimmt eine beliebig lange Hilfsseite H, zeichnet SWHW und nutzt anschließend Parallel­verschiebung. Aus den gegebenen zwei Winkeln den dritten zu kon­stru­ieren [5], um auf WSW zurück­zuführen, ist der längere Weg.

[5] Bei einer richtigen Konstruktion mit Zirkel und Lineal sind die Ausgangs­größen zeich­nerisch gegeben, müssen also allein mit Zirkel und einem Lineal ohne jede Markierung ange­tragen werden. Praktischer­weise führt man Elemen­tar­operationen nicht immer wieder durch und trägt die gegebenen Elemente auch mit Winkel­messern oder Zentimeter­maßen an. Bedenklich aber wird es, wenn man sie zweimal anträgt oder gar Werte ausrechnet, was die Rück­führung von SWW auf WSW als einfach erscheinen läßt.

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