Rosalind Franklin
Vorgestern sah ich einen Artilel über elf Frauen, denen der Ruhm von Männern gestohlen wurde. [1] Nach der Physi­kerin Chien-Shiung Wu will ich mich nun der Nummer eins der Liste zuwenden, der Biochemikerin Rosalind Franklin. Meine Beweggründe sind ambivalent. Auf der einen Seite halte ich es für erfor­derlich, die wissen­schaft­lichen Leistungen von Frauen hervor­zuheben. Auf der anderen möchte ich für mich klären, inwiefern sie wirklich wegen ihres Geschlechtes Opfer von Männern oder einfach nur des Zeit­geistes wurden. Um das ganze Ausmaß und den durch Diskri­minie­rung der halben Bevöl­kerung entgan­genen Fort­schritt zu ermessen, müßte man vor allem etwas über Frauen wissen, die heute keiner mehr kennt.

Rosalind Franklin hatte viele Röntgen­aufnahmen gemacht, möglicher­weise auch die als Nr. 51 bekannt gewor­dene der DNA, die ohne ihr Wissen durch Maurice Wil­kins [2] in die Hände von James Watson und Francis Crick geriet, woraufhin die beiden ihre Theorie der DNA entschei­dend verbes­sern konnten und alle drei Männer 1970 den Nobel­preis erhiel­ten. Rosalind Franklin ging unnomi­niert leer aus und wurde in der Nobel­preis­rede nicht einmal erwähnt. Zwar war sie im Alter von nur 37 Jah­ren bereits verstorben, doch konnten damals auch Tote den Nobel­preis erhalten.

Ähnlich wie im Falle von Chien-Shiung Wu haben die männ­lichen Theo­retiker die Ehre einge­heimst. Dabei mag es eine Rolle gespielt haben, daß dies auf Kosten einer Frau geschah. Insbe­sondere im Falle des Jung­spundes Watson, der viel­leicht wirk­lich Angst vor erfolg­reichen Frauen hatte. Aber ihm ist es auch zu verdanken, im Laufe seines langen, noch andau­ernden Lebens mit der Wahrheit heraus­gerückt zu sein. Heute sind die Nobel­preise vergessen. [3] Nach Rosalind Franklin aber sind viele Einrich­tungen benannt, darunter eine Univer­sität.

Als fünftes Rad an Wagen richtig vergessen ist Raymond Gosling, ein Dokto­rand von Rosalind Franklin, der als eigent­licher Urheber der sagen­umwo­benen Aufnahme Nr. 51 gilt. Frau hin oder her, auch damals schon ernteten die Professor­*innen den Ruhm der Doktorand­*innen. Schaut man sich zu den fünf Namen die Google-​Treffer an, so gewinnt natürlich James Watson, weil er das Buch „Die Doppel­helix“ schrieb und als streit­barer Mensch das Inter­netzeit­alter ereichte. In Gegen­zuge ist der deutsche Wiki­pedia-​Eintrag zu Rosalind Franklin so lang wie die zu den vier Männern zusammen.

[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahn­brechendes geschafft - den Ruhm ern­teten Männer. Huffington Post, 31.03.2018. Link inzwischen ungültig.

[2] Weniger die Angst vor Diebstahl, mehr die Torschluß­panik und die Repu­tation vieler Veröffent­lichungen verleitet Wissen­schaftler dazu, jeden Gedanken, jedes Meßer­gebnis zu publi­zieren, zumindest an zahl­reiche Kollegen zu versenden, wobei die Rest­angst bleibt, andere könnten darauf aufbauen, schneller oder besser sein und den Ruhm einheimsen. Wie eine Weiter­gabe von Ergeb­nissen zu bewerten ist, hängt auch von der Weiter­verar­beitung ab. So gilt Wilkins als Verräter, weil die Nutz­nießer ihre Quelle lange Zeit verschwiegen. Als Stephen Hawking starb, sah ich in einem Film, wie er Fred Hoyle scharf kriti­sieren konnte, weil Roger Penrose ihm vorab Einblick in dessen Vortrags­manu­skript gewährte. War das ebenfalls Verrat?

[3] Der Nobel­preis von Watson mag noch erinnert werden, weil seine Medaille als einzige zu Lebzeiten für mehrere Milli­onen verstei­gert wurde.

Jocelyn Bell Burnell | Lise Meitner | Chien‑Shiung Wu

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