Fortpflanzung
Vor allem den kleinen Zahlen werden gerne mensch­liche Eigen­schaften zugeordnet. So gelten die geraden als weiblich, die unge­raden als männ­lich. Und wie Menschen sich mehr oder minder stark fort­pflanzen, so ist es mit den Zahlen. Die Ziffer 5 pflanzt sich zu 50% fort, weil jedes zweite Viel­fache einer auf 5 endenden Zahl wieder eine 5 am Schluß aufweist, sozusagen jeder zweite Ver­mehrungs­versuch gelingt. Besser ist nur noch die triviale 0, die stets erhalten bleibt. Mit 20% mäßig setzen sich die geraden Ziffern 2, 4, 6 und 8 durch. Ganz schlecht sind die verblei­benden vier Ziffern 1, 3, 7 und 9, die es nur auf 10% bringen. Im zwei­stel­ligen Bereich haben 25 und 75 eine Rate von 25%, denn

5⋅25=125   9⋅25=225   13⋅25=325   17⋅25=425   …
5⋅75=375   9⋅75=675   13⋅75=975   17⋅75=1275   …

Besser sind mit 100% bzw. 50% nur die triviale Fälle 00 und 50. Nicht tief­schür­fender sind 20, 40, 60 und 80 mit 20% Fort­pflan­zungs­rate und 10, 30, 70 und 90 mit 10%. Es verbleiben 5% für 05, 15, 35, … und 4% für 04, 08, 12, 16, 24, … sowie 2% für 02, 06, 14, 18, 22, … und 1% für den Rest. Damit sind 25 und 75 die sich am besten fort­pflan­zenden, nicht-​trivi­alen zwei­stel­ligen Endungen.

Dieser Wiederholung und der damit verbundenen Vier­teilung ist die Beliebt­heit der auf 25 und 75 endenden Jubi­läums­zahlen geschul­det [1]. Dennoch sollte man daraus nicht vor­schnell eine eigen­ständige Bedeu­tung für die Zahl 25 ableiten, denn ohne unsere welt­weite Basis 10 wäre sie nicht gegeben. In anderen Basen b pflanzen sich andere Zahlen gut fort. Man über­legt sich leicht, daß

r(b,n,a) = ggT(a,bn) / bn = a / kgV(a,bn)

die n-stellige Fort­pflan­zungs­rate einer n‑stel­ligen Endung mit Zahlwert a von 0 bis bⁿ−1 ist. [2]. Darin steht ggT für den größten gemeinsamen Teiler und kgV für das kleinste gemeinsame Vielfache. Für den zweiten Parade­fall a=75, b=10 und n=2 ergibt sich ggT(75,100)=25 und kgV(75,100)=300, also r(10,2,75)=25/100=​75/300=25%.

Ein komplizierteres Beispiel zur Basis 60, in der Menschen wegen der Uhrzeit noch einiger­maßen rechnen können: Für a=126, b=60 und n=2 ergibt sich ggT(126,3600)=18 und kgV=(126,3600)=25200, also r=18/3600=​126/25200=​1/200=0,5%. Zur Kontrolle die Viel­fachen von a=126=2:06 (126 Se­kun­den sind 2 Minu­ten und 6 Se­kun­den):
  2a = 00:04:12    3a = 00:06:18  ...   10a = 00:21:00   11a = 00:23:06
 12a = 00:25:12   13a = 00:27:18  ...   20a = 00:42:00   21a = 00:44:06
 22a = 00:46:12   23a = 00:48:18  ...   30a = 01:03:00   31a = 01:05:06
 ..............
 92a = 03:03:12   93a = 03:05:18  ...  100a = 03:30:00  101a = 03:32:06
 ..............
192a = 06:33:12  193a = 06:35:18  ...  200a = 07:00:00  201a = 07:02:06
Nach 200 Schritten endet 201a wieder mit 02:06. Vorher ist das nicht der Fall, denn hinter den Punkten verstecken sich keine Treffer.

Mit diesem Rüstzeug lassen sich schnell alle Zahlen hoher Fort­pflan­zungs­rate zu irgend­einer Basis und irgend­einer Stellen­zahl bestimmen. Für eine 100‑pro­zen­tige Fort­pflanzung muß a=0 sein. Sie ist damit die einzige, und zwar zu jeder Basis und zu jeder Stellen­zahl. Wer hätte das gedacht?

Die nächstkleinere Fort­pflan­zungs­rate ist 50%. Sie wird bei 2a=0 mod bⁿ mit a>0 erreicht. Nur gerade Basen b erlauben eine Rate von 50%. Unter ihnen gibt es zu jeder Stellen­zahl n genau eine Fort­pflan­zungs­zahl a=bⁿ/2. Insbe­sondere hat jede Zahl a eine ein­stellige Fort­pflan­zungs­rate von 50% zur Basis b=2a. Die einstel­lige 5 zu unserer Basis 10 ist also einfach nur 10/2. Zu den Basen 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16,&nbsp… pflanzen sich 2, 8, 18, 32, 50, 72, 98, 128, … zu 50% zwei­stellig fort. Zur eigenen Basis b geschrieben sehen sie mit 10, 20, 30, 40, 50, 60, 70, 80, … schon eben­mäßiger aus.

Die nächste mögliche Rate ist 1/3 (etwa 33%), die nur für durch 3 teil­bare Basen b möglich ist. In dem Falle gibt es zu jeder Stellen­zahl n genau zwei Fort­pflan­zungs­zahlen a=bⁿ/3 und das Doppelte davon. Wieder hat jede Zahl a eine einstel­lige Fort­pflan­zungs­rate von 1/3, nämlich zur Basis 3a. Die zwei­stel­ligen sind 3 und 6 zur Basis 3, 12 und 24 zur Basis 6, 27 und 54 zur Basis 9 usw. Damit ist die Fort­pflan­zungs­rate 1/3 auch nicht gerade inter­essanter als die von 1/2. Und das gleiche gilt für alle Raten 1/p mit einer Primzahl p. Nur durch p teil­bare Basen b gestatten eine Rate 1/p zu den Endun­gen k⋅(bⁿ/p) für k=1,2,…,p−1. Schreibt man die sich mit 1/p fort­pflan­zenden Zahlen in ihrer Basis b selbst, so erkennt man die Trivia­lität sofort. Als Beispiel diene wieder die Basis b=60 und die Stellen­zahl n=2:
01:00:00/2=30:00 mit Rate 1/2 (3⋅30:00=01:30:00, 5⋅30:00=02:30:00)
01:00:00/3=20:00 mit Rate 1/3 (4⋅20:00=01:20:00, 7⋅20:00=02:20:00)
   2⋅20:00=40:00 mit Rate 1/3 (4⋅40:00=02:40:00, 7⋅40:00=04:40:00)
01:00:00/5=12:00 mit Rate 1/5 (6⋅12:00=01:12:00,11⋅12:00=02:12:00)
   2⋅12:00=24:00 mit Rate 1/5 (6⋅24:00=02:24:00,11⋅24:00=04:24:00)
   3⋅12:00=36:00 mit Rate 1/5 (6⋅36:00=03:36:00,11⋅36:00=06:36:00)
   4⋅12:00=48:00 mit Rate 1/5 (6⋅48:00=04:48:00,11⋅48:00=08:48:00)
Die mehrstelligen Fortpflanzungen mit Raten 1/p sind also nichts anderes als mit Nullen aufge­blähte einstel­lige. Interes­sant sind dagegen Zahlen a mit nicht-​trivialer Fort­pflan­zung hoher Rate. Die sind zunächst bei 25% zu suchen. Dafür muß 4a=0 mod bⁿ sein, nicht aber schon 2a=0 mod bⁿ. Für eine einstel­lige Fort­pflan­zung muß die Basis b durch 4 teilbar sein. Und dann sind a=b/4 und das Dreifache davon die einzigen Zahlen mit 25‑prozen­tiger Fort­pflan­zung. Zur Basis 10 gibt es sie deshalb nicht, wohl aber wieder zur Basis 60, nämlich 15 und 45. Hexa­dezimal sind es 4 und C.

Nun kommt der erste interes­sante Aspekt: Bei mehr­stel­liger Fort­pflan­zung zu 25% muß die Basis b nicht durch 4 teilbar sein, es reicht auch 2. Das liegt einfach daran, daß n‑stel­lige Fort­pflan­zung zur Basis b eigent­lich nur eine ein­stellige zur Basis bⁿ ist. Unge­rade Basen lassen keine Rate von 25% zu, wohl aber alle geraden. Wieder trifft es genau zwei Zahlen, nämlich a=bⁿ/4 und das Drei­fache davon. Zur Basis 10 sind es 100/4=25 und das Drei­fache 75 davon. Hexade­zimal 100/4=40 und 3⋅40=C0 (Dezimal 256/4=64 und 3⋅64=192).

Zur Basis 10 ist also wie erwartet 25 die kleinste unter den Zahlen mit der stärksten nicht-​trivi­alen zwei­stel­ligen Fort­pflan­zung. Doch leider ist das nichts beson­deres, denn jede Quadrat­zahl a=x² und ihr Drei­faches haben eine Fort­pflan­zungs­rate von 25% in der Basis 2x. Was also zeichnet die 25 vor den anderen aus? Daß 25 sich mit 25% fortpflanzt, die übrigen 1, 4, 9, 16, 36, 49, … aber nicht mit 1%, 4%, 9%, 16%, 49%, …? Das ist natürlich nur ein Spaß, auch wären ab Basis 22 die 100% über­troffen. Warum erwähne ich das? Weil 25pro100 für die Endung 25 eigent­lich auch keine Besonder­heit ist, denn in der eigenen Basis ist es für alle das gleiche: Zum Beispiel zur Basis b=6: Es ist b²=100 (dezimal 36), damit a=100/4=13 (dezimal 36/4=9) mit einer Rate von 13pro100 (dezimal 9pro36). Um das einfache Schema zu sehen, hier eine Über­sicht zu weiteren Basen:
Basis   Zahlen mit Rate 25%
  b     dezimal     Basis b
  2      1    3     01   11     (1=3⋅0+1)
  4      4   12     10   30     (3=3⋅1)
  6      9   27     13   43     (4=3⋅1+1, 3=6/2)
  8     16   48     20   60     (6=3⋅2)
 10     25   75     25   75     (7=3⋅2+1, 5=10/2)
 12     36  108     30   90     (9=3⋅3)
 14     49  147     37   A7     (A=3⋅3+1, 7=14/2)
 16     64  192     40   C0     (C=3⋅4)
 18     81  243     49   D9     (D=3⋅4+1, 9=18/2)
Für die doppelt­geraden Basen b=4,8,12,16,… ist die Einer­stelle der Zahlen mit einer Rate von 25% stets 0 und die ‚Zehner­stelle‘ b/4. Das Produkt aus beiden ist also 0. Warum erwähne ich diese Trivia­lität? Weil es für die einfach­geraden n=2,6,10,14;… schöner ist: Die Einer­stelle ist b/2, die ‚Zehner­stelle‘ (b−2)/4, das Produkt beider also b⋅(b−2)/8. Und wann ist das gleich der Basis b? Man wird es vermuten: Nur für b=10 mit 2⋅5=10. Es ist also doch noch eine Besonder­heit unserer Basis gefunden.

[1] 12.07.2024: Das stieß mir auf, als man den Westfä­lischen Frieden von 1648 nach sage und schreibe 375 Jah­ren groß raus­brachte. An einen ähnli­chen Hype 1998 oder gar 2008 kann ich mich nicht erinnern, obwohl 360 ja auch eine schöne Zahl ist, zumin­dest für Baby­lonier. Das mag auch an der seiner­zeit nicht im Vorder­grund stehen­den Instru­menta­lisie­rung als Migra­tions­gipfel gelegen haben.

[2] Offensichtlich ist r(b,n,a)=r(bⁿ,1,a). Auf diese Reduk­tion habe ich aber ver­zichtet, um das Ver­ständnis nicht zu über­fordern. Wer möchte schon 4711 als zwei­stellige Zahl mit den Ziffern 47 und 11 zur Basis 100 sehen?

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