Vier
Nicht nur die Zahlen Eins und Drei gelten als heilig, auch die Vier. Warum eigent­lich? Als Nach­folger und damit Erhö­hung der Drei? Als ein heiliges Dreieck samt Mitten­punkt, evtl. in Form eines Tetra­eders? Um 7=3+4 und 12=3·4 als heilig zu recht­fertigen? Schon eher wegen der vier Himmels­rich­tungen Norden, Süden, Osten und Westen. [1]

Die vier Jahreszeiten, die vier Phasen des Mondes, die vier Dimen­sionen des Myers-​Briggs-​Typ­indikators [2] oder die vier Elemente würden die Bedeu­tung der Zahl unter­mauern, wenn es nicht auch drei oder fünf sein könnten. Tatsäch­lich fehlte früher der Neumond. Dafür gab es ein geheimes fünftes Element. Gelegen kommen da Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin. [3]

          feucht              trocken        
  +--------------------+--------------------+
  | NO        Sommer ♠ | ♣ Herbst        SO |  1 2 3 4
w | O          Geist ♒ | ♐ Seele          S |  Nummer der Sphäre
a |      Sanguiniker ♎ | ♌ Choleriker       |  
r |       rotes Blut ♊ | ♈ gelbe Galle      |   △
m |         Oktaeder  | △ Tetraeder        |  Zeichen der Alchemie
  | gelb        Luft 3 | 4 Feuer        rot |
  +--------------------+--------------------+  ♉ ♋ ♊ ♈
  | blau      Wasser 2 | 1 Erde        grün |  ♍ ♏ ♎ ♌
k |        Icoseader ▽ |  Hexaeder         |  ♑ ♓ ♒ ♐
a |   weißer Schleim ♋ | ♉ schwarze Galle   |  Tierkreiszeichen
l |     Phlegmatiker ♏ | ♍ Melancholiker    |
t | W       Verstand ♓ | ♑ Körper         N |  ♦ ♥ ♠ ♣           
  | SW      Frühling ♥ | ♦ Winter        NW |  Spielkartenfarbe
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Aristotelische, mittelalterliche, esoterische, dekorative
Ausschlachtung der vier Elemente (png)

Sehr konstruiert wirken Versuche, die Zahl Vier als Erhöhung, Ergänzung oder Fortführung der Drei zu sehen. Wenn man den drei Mond­phasen zuneh­mend, voll und abneh­mend den Neumond hinzu­gefügt hat, wenn einem nach den drei Zuständen fest, flüssig und gas­förmig das Plasma gerade recht kommt, wenn man die postu­lierte Drei­heit von Seele, Geist und Körper durch den Willen ergänzt, so ist das alles Ausdruck von Zufall und Belie­bigkeit. [4]

Nach dem allgemeinen Schema ist die Vier als gerade Zahl weib­lich. Das hindert manche Esote­riker nicht, sie als neutral einzu­stufen, um sodann ihre außer­ordent­liche Weib­lich­keit wegen der vier Phasen des Mondes zu betonen, der wegen des weib­lichen Frucht­barkeits­zyklus­ses eben­falls weib­lich sein müsse. Doch für mein Empfin­den einfa­cher ist die schlichte Tatsache, daß die unge­raden hei­ligen Zah­len 1 des einen Gottes und 3 der Drei­faltig­keit bereits an die Männer ver­geben sind.

Jede Zahl läßt sich als Summe von vier Vierecks­zahlen (Quadrat­zahlen) schrei­ben. Das ist keine Besonder­heit der Vier, weil jede Zahl Summe von n n‑Eck­zah­len ist. [5] Doch n=4 ist der inter­essan­teste Fall. Er ist besser unter­sucht und zei­tigt die schö­neren Ergeb­nisse. Seine Bedeu­tung ist nicht nur spiele­rischer Natur, wenn mir auch keine Anwen­dung bekannt ist, mit der man Geld sparen oder Freunde finden kann.

Vergnügen bereitete über ein Jahrhun­dert das Vier­farben-​Pro­blem [6], die Frage, ob jede Land­karte mit vier Farben zu färben sei. [7] Viele wollten das bewiesen oder wider­legt haben. Teil­weise so gut, daß ihr Denk­fehler erst nach Jahren gefunden wurde. Und weit mehr sollen Land­karten gemalt haben, deren Vier­färbung nur mit Mühe oder gar nicht gelang. Schließ­lich war es Heinrich Heesch, der um die Mitte des vergan­genen Jahr­hun­derts (mit anderen) das Problem auf endlich viele Fälle redu­zierte. Damit war das Vier­farben-​Prob­lem gelöst, wenn auch noch nicht ent­schieden und bewie­sen. Dazu bedurfte es einer wei­teren Reduk­tion der verblie­benen Fälle und wach­sender Rechen­kraft. [8]

[1] Im Osten geht die Sonne auf, nach Süden nimmt sie ihren Lauf, im Westen will sie unter­gehn, im Norden ist sie nie zu sehn.

[2] Ich bin ENTJ.

[3] Douglas R. Hofstadter: Gödel, Escher, Bach ‒ ein Endloses Gefloch­tenes Band. Klett-Cotta, 5. Auflage, 1985, S. 540ff. Wenn dort eine Bezie­hung der DNS zum Rest der Welt herge­stellt wird, hat das eine ganz andere Qua­lität als die übliche Spin­tisie­rerei.

[4] Ein viertes Kleeblatt ist nicht erfunden, sondern nur selten. Glück bringt es nicht.

[5] Cauchy 1815, für n=3 Legendre 1798 und n=4 Lagrange 1770.

[6] Wenn ein mathematisches Problem gelöst oder eine Vermu­tung bestä­tigt ist, wird sie normaler­weise als Satz bezeichnet. So auch hier. Doch irgendwie ist Problem schöner.

[7] Natürlich muß eine solche Aufgaben­stellung präzi­siert werden, soll Spitz­findig­keit und Sprach­kritik vermieden werden: Gebiete müssen ein­farbig sein und bei gemein­samer Grenze verschie­dene Farben haben, iso­lierte Punkte zählen nicht als Grenze, Exkla­ven gibt es nicht. Besser gleich: Können die Knoten eines jeden pla­naren Graphen derart mit vier Farben gefärbt werden, daß keine zwei glei­cher Farbe durch eine Kante ver­bunden sind?

[8] Nicht jeder anerkannte den nachfolgenden Computer­beweis. Doch sind solche Kontro­versen nicht neu. Gibt es Unend­lich­keit, neben wahr und falsch nochwas, müssen Beweise kon­struk­tiv sein? Und was ich selbst miter­lebte: Haben proba­bili­stische Prim­zahl­tests einen zahlen­theore­tischen Wert?

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