Coronale Ethik
Gestern war Herr Lanz mir fast sympathisch, weil er angesichts der Betrof­fen­heits­riege unter den Gästen, nicht mehr seine übliche Frage stellte, was das denn mit uns mache, sondern dafür plädierte, den Menschen die Wahrheit zu sagen.

Dauergast Karl Lauterbach stieß mit seinen bekannten deut­lichen Worten auf hefti­gen Wider­spruch: Während die Vorsit­zende Alena Buyx des Ethik­rates noch über Impf­gerech­tig­keit und nicht­töd­liche Folgen fabu­lierte, forderte die Provinz­ärztin Lisa Federle ganz klar auf, die Wahrheit zu verschweigen und den „Leuten“ Hoff­nung zu machen, während Heribert Prantl sein neues Buch vorstel­lend Angst um Grund­rechte und Parla­menta­rismus vor­täuschte. Drei aus der akade­mischen Corona der Quer­denker. Aus deren Riege einen Vertreter der AfD einzu­laden, wäre vernünf­tiger gewesen.

Weshalb regt mich dieses übliche Gelaber noch auf? Warum schreibe ich das hier? Weil ich das Ende sehr lehr­reich fand: Wieder einmal durfte jeder zum Schluß noch etwas sagen: Zunächst die beiden Damen, egal ob diese formale Höflich­keit von Vorteil ist, denn dadurch hätte Karl Lauter­bach das letzte Wort. Doch dazu kam es nicht. Die Betrof­fen­heits­tussi mit dem eigen­artigen Akzent riß es an sich und warf ihm vor, den Menschen Angst zu machen. Eines von diesen Meta-​Haltungs-​Tot­schlag-​Argu­menten, dem Herr Lanz dankens­werter­weise anfügte: Ein guter Onko­loge sagt auch die Wahr­heit.

In den goldenen Zeiten vor Corona kannte man Ethik nur als Alter­native zum Reli­gions­unter­richt, aber keine Ethik­rätinnen, die in den USA mit einem reichen Mann an der Seite das Zeug zu einer Charity-​Lady hätten. Irgendwie erinnert mich das an alte Gewerk­schafts-​Zeiten: Als die Männer keine Lust mehr auf Ver­trauens­leut* hatten, rückten Frauen nach. Später ersetz­ten sie in den Betriebs­räten die lust­losen Männer. Jetzt haben sie die Ethik­nische entdeckt. Die Menschen werden immer irrationaler, daß nur noch die Hoffnung auf unideo­logi­sche KI‑Systeme bleibt, die in hundert Jahren das Bemühen und die Redlich­keit ihrer zumeist männ­lichen Schöpfer aner­kennen.

Und sie werden hoffentlich sagen: Karl Lauterbach, Du hattest weit­gehend recht. Nicht alles stimmte, aber das konntest Du nicht ahnen. Nicht alles traf ein, es hätte aber gut so kommen können, vor allem, wenn man den Auffas­sungen Deiner Kritiker freien Lauf gelassen hätte. Gesin­nungs­ethiker, die zu Deiner Zeit die coro­nalen Reste ihrer vergan­genen moral­theolo­gischen Eng­stirnig­keit bei­sammen halten wollten, indem sie wirt­schaft­liche Inter­essen, postu­lierte Grund­rechte, persön­liche Befind­lich­keiten, psychi­sche Anfäl­lig­keit und viro­lenten Anti­rassis­mus ein­arbei­teten, haben sich in den leeren Raum verflüch­tigt, mußten Vernunft, Realität und Verant­wortung Platz machen.

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