Arthur Naiman
Nach Berichten über meinen ersten Computer LOCI-2 und das einzig verstandene Betriebssystem CP/M nun das liebste aller Textverarbeitungs­programme: Wordstar. Was davor und danach an Editoren und Text­verarbeitungs­systemen kam, nahm ich nur noch soweit zur Kenntnis, wie ich es unbedingt benötigte. Über sie mag ich dicke Handbücher besessen und teilweise auch gelesen haben, gelegentlich legte ich mir sogar ein Buch über sie zu, doch mehrere gut studierte Bücher habe ich nur über Wordstar. Voran das wohl beste "Einführung in Wordstar" von Arthur Naiman, der sein Buch aber nicht mit Wordstar geschrieben haben soll, weil es wegen seiner dauernden Disketten­zugriffe zu langsam sei.

Mit Wordstar war es mir erstmal möglich, sowohl schlichten Text (N-Modus) zu schreiben, wie er für Programme unbedingt erforderlich ist, als auch sogenannte Dokumente(D-Modus), die zusätzlich zahlreiche Layout-Funktionen enthielten. Davor lag das Zeitalter der Schreibmaschine, da man Layout mit der Hand oder dem Setzkasten erstellte und notfalls alles neu schrieb. Mit der Daten­verarbeitung und vor allem der Programmierung aber waren Editoren erforderlich, deren Ergebnis maschinen­lesbar sein mußte.

Mein erster Editor diente dem Schreiben der Programme für den LOCI-2. Das war ich selbst, indem ich mit einem schraubenzieherähnlichen Gerät in eine Lochkarte mit 480 perforierten Positionen Löcher stanzte. Ihm folgte eine Lochkarte mit Magnetstreifen, auf dem wenige zuvor eingegebene Daten speicherbar waren. Und bevor ich Jahre später als Student an ein Terminal mit einem einfachen Editor gelassen wurden, war alles auf Lochkarten zu stanzen. Der höchste Korrektur­komfort bestand darin, links die alte Karte lesen und rechts korrigiert neu stanzen zu lassen.

Ich will nicht jammern, denn auch vor Wordstar gab es mächtige Editoren. Nur mußte man sich den alten Text umständlich anzeigen lassen, am besten gut im Kopf oder gedruckt vorliegen haben. Dokumente im heutigen Sinne, also Texte mit viel Schnick­schnack, gab es auf Rechnern kaum. Sie waren den Schriftsetzern und Druckereien vorbehalten. Mit Wordstar wurde das in weiten Kreisen anders, auch zuhause. Man konnte doppelt, breit, unterstrichen und mit einem mehrfarbigen Farbband auch bunt drucken. Es gab Ränder, Kopf- und Fußzeilen, Fließtext, Randausgleich, nicht trennbare Leerzeichen, feste Zeilenumbrüche, was heute selbstverständlich ist und dennoch oft mißachtet wird. Wordstar begründete das eigentlich nie erreichte WYSIWYG und Mailmerge den Serienbrief von daheim.

Doch auch Wordstar überlebte nicht. Sein Tod war mit dem von CP/M besiegelt. Zahlreiche Schreibprogramme wie TECO, PE, Signum-2, Locoscript, med, SEU, EVE, WPS, Wordperfect kamen und gingen, vi blieb wegen seiner plumpen Mächtigkeit, und heute dominiert Word die Welt. Mit dem ganzen MS-Office-Kram konnte ich mich nie mehr anfreunden und benutze ihn nur, wenn er gefordert ist, Schnick­schnack demonstriert werden soll oder im Einzelfall auch ganz nützlich ist, um zum Beispiel mit Excel schnell eine Kurve zu zeichnen oder mit Word die übelsten Rechtschreib­fehler zu finden. Ansonsten hat sich die in Wordstar vereinte Welt (D und N) wieder getrennt: Schlichten Text, HTML und elektronische Post schreibe ich mit Notepad.

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Wenn ich der Verfärbung der Seiten des Buches "Einführung in Wordstar" von Arthur Naiman Glauben schenken darf, habe ich die Kapitel 8 bis 10, "Handhabung von Dateien", "Textgestaltung auf dem Schirm" und "Besondere Druck­möglichkeiten und Punktbefehle" besonders intensiv gelesen. Rausgerissen und wieder eingeklebt ist das Blatt zu den Überschriften "Lange Dateien" und "Wie man Probleme mit vollen Disketten vermeidet".

Das Volle-Disketten-Problem war nicht etwa das von heute, wenn man undiszipliniert seinen USB-Stick mit Videos vollknallt. Es konnte jederzeit geschehen, daß Wordstar in die Bredouille kam, weil für die Zwischen­speicherung kein Platz mehr vorhanden war, denn im Hauptspeicher gab es nur wenige freie Kilobyte und eine Diskette faßte normalerweise deutlich weniger als ein Megabyte. Ein Vorteil von Wordstar war seine Fähigkeit, auch Dokumente zu editieren, die weit größer als der Hauptspeicher waren, leider verbunden mit dem Hang, auch kleine Dokumente gerne auf der Diskette zwischen­zuspeichern. So ist auf Seite 89 zu lesen:

"Abgesehen einmal von der nervaufreibenden Langsamkeit, mit der in langen Dateien der Kursor über große Strecken bewegt wird, gibt es noch einen Grund, lange Dateien möglichst zu meiden: Sie ergeben volle Disketten, und eine volle Diskette kann ein Menge Ärger bringen."

Heute gibt es keine Kursor mehr, wohl aber andere Gründe für nervaufreibende Langsamkeiten, zum Beispiel langwierige grundlose Arbeiten für gleichzeitig laufende Anwendungen, Reorganisation oder Auslagerung des Hauptspeichers und stoisches Warten auf eine Antwort aus dem Netzwerk, die einfach nicht kommen will. Insofern gibt es Konstanten in der Datenverarbeitung.

Dazu gehören auch die Sonder- und Metazeichen, mit denen es neben gelösten auch immer wieder neue Probleme gibt. Das meiste aus meiner Wordstar-Zeit habe ich vergessen, doch erinnere ich mich deutlich daran, wie ich einmal in einem Text, von ".FOR-Dateien" schrieb, was durch den damals revolutionären automatischen Umbruch an den Anfang der Zeile geriet und dadurch die Fußzeile "R-Dateien ..." generierte. Ein Problem, was man heutzutage mit auch !R!, <b> oder \ im Text auch noch haben kann.

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Nicht nur CP/M, sondern auch Wordstar gab es auf verschieden großen Disketten. Hier 8 und 3 Zoll:

8-Zoll-Diskette mit Wordstar 3.00

3-Zoll-Diskette mit Wordstar und Mailmerge

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