Rechnen statt Mathematik
wuerg, 08.03.2025 23:01
Ich habe eine Reihe von Aufgaben aus Youtube-Filmchen beschrieben, an denen „99% der Besten scheiterten“. Mit zunehmender Anzahl muß ich sie in verschiedene Schubladen stecken. Nicht nur nach ihrer Abartigkeit oder Trickserei, auch nach ihrer Originalität, Schwierigkeit und vermuteter Motivation.
Immer wieder gibt es solche, in denen teilweise sehr langwierig, auch unmotiviert gerechnet wird, statt allgemeine Zusammenhänge darzustellen und auszunutzen, die wenigstens einen sittlichen Nährwert haben. Ein einfaches Beispiel: [1]
„Was ist größer? ‒ ∛3 vs. ∜4“ [2] Ersteres. Zu Fuß bildet man von beiden die zwölfte Potenz und kommt auf 3⁴ und 4³, ausgerechnet 81>64. Das geschieht im Filmchen in sieben Schritten einschließlich des „5. Potenzgesetzes“. [3]
Was würde man ohne Taschenrechner machen, wenn e statt 3 und π anstelle von 4 dastünde? [4] Das gleiche: Einfach ausnutzen, daß e hoch π größer als π hoch e ist, weil oberhalb von e der größere Exponent gewinnt, genauer gesagt: Für e≤m<n ist nᵐ<mⁿ. [5] Das ist im Gegensatz zu 3 und 4 von allgemeinem Nährwert, was man sich bei Interesse merken könnte.
Etwas eleganter ist, auf die Bildung der zwölften Potenz zu verzichten und ⅓ hoch ⅓ mit ¼ hoch ¼ zu vergleichen. Unterhalb von e gewinnt die kleinere Zahl. [5] Also ∛⅓<∜¼. Kehrwertbildung führt zum Ergebnis.
[1] Ich nehme es wegen der Einfachheit und weiß natürlich, daß die Zielgruppe den unteren Schulklassen zuzurechnen ist, an denen meine allgemeineren Betrachtungen insofern vorbeigehen, als sie zumindest zum Beweise Kenntnisse der Analysis benötigen.
[2] Schaffst du es ohne Taschenrechner?! ** Mathe Basics 506 **#obachtmathe #rätsel #quiz. Obacht Mathe, Youtube, März 2025.
[3] Ich weiß, solche Videos zielen auf Schüler, denen man alles Schritt für Schritt erklären zu müssen glaubt. Einschließlich einer sinnleeren Numerierung von Potenzgesetzen. Aber die Darstellung ist wenigstens ordentlich, kein Gekrakel wie anderswo.
[4] Der Taschenrechner sagt eπ≈23,14 und πe≈22,46. Das Verhältnis ist mit etwa 1,03 deutlich knapper als 81/64 für 3⁴/4³.
[5] Zum Beweise formt man nᵐ<mⁿ in m/logm<n/logn um und zeigt, daß x/logx für x>e streng monoton fällt.
[6] Wieder wie unter [4] die Funktion x/logx, die für 0<x<e streng monoton steigt.
Moonwalk und Manege statt Mathematik | Harvard
Immer wieder gibt es solche, in denen teilweise sehr langwierig, auch unmotiviert gerechnet wird, statt allgemeine Zusammenhänge darzustellen und auszunutzen, die wenigstens einen sittlichen Nährwert haben. Ein einfaches Beispiel: [1]
„Was ist größer? ‒ ∛3 vs. ∜4“ [2] Ersteres. Zu Fuß bildet man von beiden die zwölfte Potenz und kommt auf 3⁴ und 4³, ausgerechnet 81>64. Das geschieht im Filmchen in sieben Schritten einschließlich des „5. Potenzgesetzes“. [3]
Was würde man ohne Taschenrechner machen, wenn e statt 3 und π anstelle von 4 dastünde? [4] Das gleiche: Einfach ausnutzen, daß e hoch π größer als π hoch e ist, weil oberhalb von e der größere Exponent gewinnt, genauer gesagt: Für e≤m<n ist nᵐ<mⁿ. [5] Das ist im Gegensatz zu 3 und 4 von allgemeinem Nährwert, was man sich bei Interesse merken könnte.
Etwas eleganter ist, auf die Bildung der zwölften Potenz zu verzichten und ⅓ hoch ⅓ mit ¼ hoch ¼ zu vergleichen. Unterhalb von e gewinnt die kleinere Zahl. [5] Also ∛⅓<∜¼. Kehrwertbildung führt zum Ergebnis.
[1] Ich nehme es wegen der Einfachheit und weiß natürlich, daß die Zielgruppe den unteren Schulklassen zuzurechnen ist, an denen meine allgemeineren Betrachtungen insofern vorbeigehen, als sie zumindest zum Beweise Kenntnisse der Analysis benötigen.
[2] Schaffst du es ohne Taschenrechner?! ** Mathe Basics 506 **#obachtmathe #rätsel #quiz. Obacht Mathe, Youtube, März 2025.
[3] Ich weiß, solche Videos zielen auf Schüler, denen man alles Schritt für Schritt erklären zu müssen glaubt. Einschließlich einer sinnleeren Numerierung von Potenzgesetzen. Aber die Darstellung ist wenigstens ordentlich, kein Gekrakel wie anderswo.
[4] Der Taschenrechner sagt eπ≈23,14 und πe≈22,46. Das Verhältnis ist mit etwa 1,03 deutlich knapper als 81/64 für 3⁴/4³.
[5] Zum Beweise formt man nᵐ<mⁿ in m/logm<n/logn um und zeigt, daß x/logx für x>e streng monoton fällt.
[6] Wieder wie unter [4] die Funktion x/logx, die für 0<x<e streng monoton steigt.
Moonwalk und Manege statt Mathematik | Harvard
... comment
wuerg,
20.03.2025 19:25
„2x=x32“ [1] Ich dachte, die Aufgabe bestünde darin, alle reellen Lösungen zu finden. [2] Wohl geblendet durch die bekannte Lösung 256 wird gerechnet und gerechnet, bis allein sie herauskam.
Wozu für eine Lösung? Wahrscheinlich ist es eine Zweierpotenz x=2ⁿ. Das ergibt 2ⁿ=32n, was schon eher durch Hochzählen zu lösen ist. Zu allem Überfluß kann man abermals n=2ⁱ setzen und kommt auf 2ⁱ=i+5. [3] Daraus lugt i=3 hervor. Damit n=8 und x=256. [4]
[1] Only Geniuses Can Solve This | A Challenging Exponential Problem. Click Academics, Youtube, März 2025.
[2] Wer eine graphische Vorstellung von Funktionen hat, ist oft im Vorteil und sieht neben 256 zwei weitere bei 1,02 und −0,98.
[3] Warum n und i, nicht y und z? Weil der Unicode keine anderen hochgestellten Buchstaben kennt und <sup> den Zeilenabstand versaut.
[4] Das erinnert an die Datenverarbeitung der frühen Jahre: Drei Binärstellen (i=3) können jedes Bit in einem Byte addressieren. Ein Byte zu n=8 Bit reicht aus, x=256 dieser Bytes zu adressieren, weshalb platzsparende Programme sich ungern aus einem solchen Block von 256 Bytes bewegten.
Wozu für eine Lösung? Wahrscheinlich ist es eine Zweierpotenz x=2ⁿ. Das ergibt 2ⁿ=32n, was schon eher durch Hochzählen zu lösen ist. Zu allem Überfluß kann man abermals n=2ⁱ setzen und kommt auf 2ⁱ=i+5. [3] Daraus lugt i=3 hervor. Damit n=8 und x=256. [4]
[1] Only Geniuses Can Solve This | A Challenging Exponential Problem. Click Academics, Youtube, März 2025.
[2] Wer eine graphische Vorstellung von Funktionen hat, ist oft im Vorteil und sieht neben 256 zwei weitere bei 1,02 und −0,98.
[3] Warum n und i, nicht y und z? Weil der Unicode keine anderen hochgestellten Buchstaben kennt und <sup> den Zeilenabstand versaut.
[4] Das erinnert an die Datenverarbeitung der frühen Jahre: Drei Binärstellen (i=3) können jedes Bit in einem Byte addressieren. Ein Byte zu n=8 Bit reicht aus, x=256 dieser Bytes zu adressieren, weshalb platzsparende Programme sich ungern aus einem solchen Block von 256 Bytes bewegten.
... link
wuerg,
21.03.2025 17:45
„2x=5−x“ [1] Diese Aufgabe sieht einfacher aus als die vorangehende, ist es aber nicht. Zwar gibt es offensichtlich nur eine reelle Lösung, doch die läßt sich nicht raten. Also wieder eine Rechnung mit Winkelzügen, von mir verkürzt, aber erläutert: Da solche Probleme gerne auf die Lambertsche W‑Funktion hinauslaufen, wird zunächst die Summe durch y=5−x beseitigt. Das ergibt mit der Lambertschen W‑Funktion, der Umkehrung von z⋅exp(z)
32=y⋅2y 32⋅ln2=yln2⋅eyln2 W(32⋅ln2)=yln2
x = 5−y = 5−W(32⋅ln2)/ln2 ≈ 1,716
Ich halte es für erforderlich, die Näherung anzugeben, vor allem, weil die Lambertsche W‑Funktion auf einem normalen Taschenrechner fehlt. Im Filmchen wird darauf verzichtet. Das ist didaktisch minderwertig.
[1] Only Geniuses Can Solve This | A Challenging Exponential Problem. Click Academics, Youtube, März 2025. Im Gegensatz zum Titelbild beginnt er mit 2^x+x=5, um sodann beidseitig x abzuziehen, um wieder zu 2^x=5−x zu kommen. Das kann den ersten schon irritieren. Mich stört es nur.
32=y⋅2y 32⋅ln2=yln2⋅eyln2 W(32⋅ln2)=yln2
x = 5−y = 5−W(32⋅ln2)/ln2 ≈ 1,716
Ich halte es für erforderlich, die Näherung anzugeben, vor allem, weil die Lambertsche W‑Funktion auf einem normalen Taschenrechner fehlt. Im Filmchen wird darauf verzichtet. Das ist didaktisch minderwertig.
[1] Only Geniuses Can Solve This | A Challenging Exponential Problem. Click Academics, Youtube, März 2025. Im Gegensatz zum Titelbild beginnt er mit 2^x+x=5, um sodann beidseitig x abzuziehen, um wieder zu 2^x=5−x zu kommen. Das kann den ersten schon irritieren. Mich stört es nur.
... link
wuerg,
23.03.2025 21:05
„University Admissions ‒ 4x2=x128“ [1] Schon wieder so eine Aufgabe, die wohl eine Zweierpotenz als Lösung hat. Also gleich raten, durchprobieren oder x=2ⁿ mit 2²ⁿ⁺¹=128n. Der Vollständigkeit halber wieder n=2ⁱ zu 2⋅2ⁱ+1=i+7. Also i=2, n=4 und x=16.
Natürlich ist damit auch −16 Lösung. Es gibt aber noch zwei weitere bei ±1,01113. Mit x=1 beginnend reichen drei Iterationen x:=2^(x²/64). Das kann jeder Taschenrechner aus diesem Jahrtausend.
Wer von üblen Tricks und viel Rechnerei immer noch nicht die Nase voll hat, der verfolge aufmerksam die Wirrungen im Video, in dem nur ±16 erreicht wird. Für die beiden anderen nützt einem „let us verify“ in epischer Breite nichts. Man muß sie ja nicht nähern oder wieder einmal mit der Lambertschen W‑Funktion darstellen, was einem so und so nichts bringt. [2] Aber erwähnen sollte man die weiteren Lösungen schon, wenn man Mathematik betreibt.
[1] Stanford University Admission Exam Tricks | Find x=?****. Super Academy, Youtube, März 2025.
[2] Ich habe mir die Mühe gemacht und x=±exp(−W(−ln2/32)/2) ausgerechnet. Auf vier Stellen genau ist ln2/32=0,02166. Daraus W₀(−0,02166)=−0,02215 mit x=±exp(0,02215/2)=±1,0111 und W₋₁(−0,02166)=−5,545 mit x=±exp(5,545/2)=±16,00.
Natürlich ist damit auch −16 Lösung. Es gibt aber noch zwei weitere bei ±1,01113. Mit x=1 beginnend reichen drei Iterationen x:=2^(x²/64). Das kann jeder Taschenrechner aus diesem Jahrtausend.
Wer von üblen Tricks und viel Rechnerei immer noch nicht die Nase voll hat, der verfolge aufmerksam die Wirrungen im Video, in dem nur ±16 erreicht wird. Für die beiden anderen nützt einem „let us verify“ in epischer Breite nichts. Man muß sie ja nicht nähern oder wieder einmal mit der Lambertschen W‑Funktion darstellen, was einem so und so nichts bringt. [2] Aber erwähnen sollte man die weiteren Lösungen schon, wenn man Mathematik betreibt.
[1] Stanford University Admission Exam Tricks | Find x=?****. Super Academy, Youtube, März 2025.
[2] Ich habe mir die Mühe gemacht und x=±exp(−W(−ln2/32)/2) ausgerechnet. Auf vier Stellen genau ist ln2/32=0,02166. Daraus W₀(−0,02166)=−0,02215 mit x=±exp(0,02215/2)=±1,0111 und W₋₁(−0,02166)=−5,545 mit x=±exp(5,545/2)=±16,00.
... link
... comment
wuerg,
25.03.2025 21:05
„Kannst du […] lösen? ‒ x4+x3+x2+x+1=0“ Natürlich! Links steht eine geometrische Reihe, die sich zu (x⁵−1)/(x−1) addiert, da x=1 als Lösung ausscheidet. Somit sind die übrigen vier fünften Einheitswurzeln
x1,x4=exp(±2πi/5)=cos72°±isin72°=½(φ+i√(3+φ))
x2,x3=exp(±4πi/5)=−cos36°±isin36°=½(−Φ+i√(3−Φ))
die gesuchten Lösungen. Darin ist natürlich φ=(√5−1)/2≈0,618 der goldene Schnitt und Φ=(√5+1)/2≈1,618 die goldene Zahl.
Die hinteren Formelteile kenne auch ich nicht auswendig, weshalb der Rechenlehrer zurecht eine Ableitung verlangen darf, nicht nur eine Überprüfung durch Einsetzen in die Ausgangsgleichung. Die Griechen hätten es ohne i am Pentagramm gezeigt. Aber es ist auch rechnerisch ganz einfach, denn
(x²−φx+1)⋅(x²+Φx+1) = x4+x3+x2+x+1
mit x₁,x₄ als Nullstellen des linken und x₂,x₃ des rechten Faktors, die alle vier mit den angegebenen Werten übereinstimmen, wodurch die Aufgabe einen vernünftigen Sinn erhalten hat, nämlich die Berechung der folgenden vier speziellen Werte trigonometrischer Funktionen:
cos72°=φ/2≈0,309 sin72°=√(3+φ)/2=√(10+2√5)/4≈0,951
cos36°=Φ/2≈0,809 sin36°=√(3−Φ)/2=√(10−2√5)/4≈0,588
Auch ohne die vorstehenden Ausführungen, insbesondere ohne geometrische Reihe kann man schnell auf den Trichter kommen, daß die linke Seite der Ausgangsgleichung in zwei Faktoren vom Grade 2 zerfällt, also
x4+x3+x2+x+1 = (x2+ax+b)⋅(x2+cx+d)
ist, weil Gleichungen vierten Grades ansonsten nur schwer zu lösen sind. Schnell ahnt man auch b=d=1 und kommt auf a=−φ und c=Φ oder umgekehrt. Die jeweils zwei Nullstellen der beiden Faktoren liefern die vier Lösungen.
So, und nun ist die Zeit gekommen, mir das Filmchen anzusehen. Und es ist wie vermutet viel Trickserei. Es beginnt mit: „Man kann augenscheinlich nicht groß vereinfachen.“ Doch, denn die geometrische Reihe ist eine starke Vereinfachung. „Gleichungen vierten Grades können nicht geschlossen gelöst werden. Da gibt es keine pq‑Formel.“ Auch falsch, denn es gibt eine Lösungsformel.
Es wird durch x² geteilt und t=x+1/x substituiert, was auf t²+t−1=0 und t=(−1±√5)/2 führt, aber nicht erwähnt, daß es wieder einmal wie in sovielen dieser Trickfilme −φ und Φ sind. Für ein t ergibt sich in vielen Schritten x=−1/4−√5/4±i√(5/8−√5/8). Für das andere wird nicht neu gerechnet, sondern einfach plus mit minus vertauscht. Und schon ist es passiert: Es wird der gleiche Imaginärteil errechnet. Beides eingerahmt, das ist die Lösung.
Ich verstehe ja, daß man nicht alle vier Lösungen einsetzt und überprüft, doch gleiche Imaginärteile sind völlig unplausibel. Außerdem sollte man als Mathematik-Youtuber sich wundern, warum für sin36° und sin72° das gleiche herauskommt. Auch sollte man in der Lage sein, das Ergebnis eleganter darzustellen.
Im Gegensatz zu vielen anderen muß ich dem Vortragenden allerdings zugute halten, daß er nicht emotionslos und ohne Erklärung ein paar Tricks abspult, die er aus den bekannten Lösungen ableitet oder einfach abgekupfert hat, sondern zugibt, daß man geschickt substituieren muß, was eben die Kunst sei. Ja, wenn sie erforderlich wäre, denn es geht ja auch straight forward.
Warum schreibe ich das schon wieder in aller Breite? Weil Mathematik nicht nur aus Tricks besteht, wie Französisch nicht nur aus Vokabeln. Und leider wurde im Video die Chance verpaßt, auf die von mir erwähnten interessanten Aspekte und Zusammenhänge hinzuweisen. Sie wurden zugunsten von Rechnerei vertan.
[1] Harvard-Test: Kannst Du diese Gleichung lösen?. Endgegner Mathe, Youtube, März 2025.
Pentagramm | goldener Schnitt
x1,x4=exp(±2πi/5)=cos72°±isin72°=½(φ+i√(3+φ))
x2,x3=exp(±4πi/5)=−cos36°±isin36°=½(−Φ+i√(3−Φ))
die gesuchten Lösungen. Darin ist natürlich φ=(√5−1)/2≈0,618 der goldene Schnitt und Φ=(√5+1)/2≈1,618 die goldene Zahl.
Die hinteren Formelteile kenne auch ich nicht auswendig, weshalb der Rechenlehrer zurecht eine Ableitung verlangen darf, nicht nur eine Überprüfung durch Einsetzen in die Ausgangsgleichung. Die Griechen hätten es ohne i am Pentagramm gezeigt. Aber es ist auch rechnerisch ganz einfach, denn
(x²−φx+1)⋅(x²+Φx+1) = x4+x3+x2+x+1
mit x₁,x₄ als Nullstellen des linken und x₂,x₃ des rechten Faktors, die alle vier mit den angegebenen Werten übereinstimmen, wodurch die Aufgabe einen vernünftigen Sinn erhalten hat, nämlich die Berechung der folgenden vier speziellen Werte trigonometrischer Funktionen:
cos72°=φ/2≈0,309 sin72°=√(3+φ)/2=√(10+2√5)/4≈0,951
cos36°=Φ/2≈0,809 sin36°=√(3−Φ)/2=√(10−2√5)/4≈0,588
Auch ohne die vorstehenden Ausführungen, insbesondere ohne geometrische Reihe kann man schnell auf den Trichter kommen, daß die linke Seite der Ausgangsgleichung in zwei Faktoren vom Grade 2 zerfällt, also
x4+x3+x2+x+1 = (x2+ax+b)⋅(x2+cx+d)
ist, weil Gleichungen vierten Grades ansonsten nur schwer zu lösen sind. Schnell ahnt man auch b=d=1 und kommt auf a=−φ und c=Φ oder umgekehrt. Die jeweils zwei Nullstellen der beiden Faktoren liefern die vier Lösungen.
So, und nun ist die Zeit gekommen, mir das Filmchen anzusehen. Und es ist wie vermutet viel Trickserei. Es beginnt mit: „Man kann augenscheinlich nicht groß vereinfachen.“ Doch, denn die geometrische Reihe ist eine starke Vereinfachung. „Gleichungen vierten Grades können nicht geschlossen gelöst werden. Da gibt es keine pq‑Formel.“ Auch falsch, denn es gibt eine Lösungsformel.
Es wird durch x² geteilt und t=x+1/x substituiert, was auf t²+t−1=0 und t=(−1±√5)/2 führt, aber nicht erwähnt, daß es wieder einmal wie in sovielen dieser Trickfilme −φ und Φ sind. Für ein t ergibt sich in vielen Schritten x=−1/4−√5/4±i√(5/8−√5/8). Für das andere wird nicht neu gerechnet, sondern einfach plus mit minus vertauscht. Und schon ist es passiert: Es wird der gleiche Imaginärteil errechnet. Beides eingerahmt, das ist die Lösung.
Ich verstehe ja, daß man nicht alle vier Lösungen einsetzt und überprüft, doch gleiche Imaginärteile sind völlig unplausibel. Außerdem sollte man als Mathematik-Youtuber sich wundern, warum für sin36° und sin72° das gleiche herauskommt. Auch sollte man in der Lage sein, das Ergebnis eleganter darzustellen.
Im Gegensatz zu vielen anderen muß ich dem Vortragenden allerdings zugute halten, daß er nicht emotionslos und ohne Erklärung ein paar Tricks abspult, die er aus den bekannten Lösungen ableitet oder einfach abgekupfert hat, sondern zugibt, daß man geschickt substituieren muß, was eben die Kunst sei. Ja, wenn sie erforderlich wäre, denn es geht ja auch straight forward.
Warum schreibe ich das schon wieder in aller Breite? Weil Mathematik nicht nur aus Tricks besteht, wie Französisch nicht nur aus Vokabeln. Und leider wurde im Video die Chance verpaßt, auf die von mir erwähnten interessanten Aspekte und Zusammenhänge hinzuweisen. Sie wurden zugunsten von Rechnerei vertan.
[1] Harvard-Test: Kannst Du diese Gleichung lösen?. Endgegner Mathe, Youtube, März 2025.
Pentagramm | goldener Schnitt
... link
wuerg,
26.03.2025 19:32
„85+84+83+82+81+80=?“ [1] Wieder eine geometrische Reihe (8⁶−1)/(8−1)=(2¹⁸−1)/7.
Ich habe ganz einfach 1048576 durch 4 geteilt, eins abgezogen und durch 7 geteilt. Wer 2 hoch 20 (Mega binary) nicht auswendig kann, der mag 2¹⁸−1=(2⁹+1)(2⁹−1)=513⋅511 multiplizieren und durch 7 teilen. Und wer etwas Mathematik reinstecken will, der weiß daß 513 oder 511 durch die Primzahl 7 teilbar sein muß. Also 513⋅73=37449. Man kann aber auch „without calculator“ eine Achterpotenz nach der anderen ausrechnen und addieren.
Kurz: Es gibt keinen Grund für das endlose Gewürge des Videos, das ich zur Abschreckung empfehle.
[1] Solving a 'Stanford University' entrance exam question | A nice olympiad algebra problem |. Rashel's Classroom, Youtube, März 2025. Ist es Stanford in Indien? Und wo ist die Algebra?
Ich habe ganz einfach 1048576 durch 4 geteilt, eins abgezogen und durch 7 geteilt. Wer 2 hoch 20 (Mega binary) nicht auswendig kann, der mag 2¹⁸−1=(2⁹+1)(2⁹−1)=513⋅511 multiplizieren und durch 7 teilen. Und wer etwas Mathematik reinstecken will, der weiß daß 513 oder 511 durch die Primzahl 7 teilbar sein muß. Also 513⋅73=37449. Man kann aber auch „without calculator“ eine Achterpotenz nach der anderen ausrechnen und addieren.
Kurz: Es gibt keinen Grund für das endlose Gewürge des Videos, das ich zur Abschreckung empfehle.
[1] Solving a 'Stanford University' entrance exam question | A nice olympiad algebra problem |. Rashel's Classroom, Youtube, März 2025. Ist es Stanford in Indien? Und wo ist die Algebra?
... link
... comment
wuerg,
05.04.2025 19:10
Spätestens nach dem Lesen meiner vorstehenden Einlassungen wird zur Lösung der Aufgabe [1]
Simplify
14+20074+20084
12+20072+20082
sicherlich nicht erwartet, einfach die Potenzen auszurechnen, was dank der vielen Nullen auch ohne Taschenrechner leicht möglich ist, sondern irgendeine ‚trickreiche‘ Ersetzung wie x=2007 in der Hoffnung, daß der entstehende Bruch zweier Polynome ohne Rest teilbar ist.
Das wird im Filmchen auch gemacht. Nach der Berechnung von (x+1)⁴ durch zweifaches Quadrieren statt eines wenigstens lehrreichen Hinweises auf das Pascalsche Dreieck, wird die Polynomdivision ausgeführt und x²+x+1 erhalten. Die Antwort lautet damit x(x+1)+1=2007⋅2008+1=4.030.057.
Es ist ja ganz nett, daß hier einmal die Polynomdivision vorgeführt wird, wo andere durch ‚geschickte‘ Erweiterung und Ausklammerung einen Faktor herbeizaubern. Doch was macht der Mensch, der weder über akrobatische Fähigkeiten verfügt, noch eine Polynomdivision beherrscht?
Er verschaft sich einen Eindruck, berechnet ein paar Werte, hofft auf eine leicht erkennbare Beziehung
1+x4+(x+1)4 = [1+x2+(x+1)2] ⋅ [x(x+1)+1]
nachrechnet. Das ist ein ‚Trick‘, der sich oftmals lohnt, denn eine Überprüfung ist deutlich leichter als eine Herleitung.
Mathematiker sind noch fauler. Stimmen linke und rechte Seite der vorstehenden Gleichung in den fünf betrachteten Fällen x=0,…,5 überein, so überall, da es sich auf beiden Seiten um Polynome von Grade 4 handelt. Sie könnten noch einen Schritt weitergehen und bemerken, daß Zähler und Nenner symmetrisch zu x=−½ sind, weshalb die Korrektheit für x=0,1,2 bereits ausreicht. Um diese Symmetrie zu verdeutlichen, hätten sie auch x=2007+2008 wählen können, was es nicht einfacher, aber eleganter macht. Auch bemerkten sie sicherlich, daß das Ergebnis der halbe Nenner der Aufgabe ist.
Kurz: Man könnte vieles aus dem Reiche der Mathematik lernen, wenn man links und rechts des Trampelpfades zur Lösung 4.030.057 schaut. Das aber lassen die Youtube-Filmchen gerne aus, die zumeist so und so nur einem alten Original nachempfunden sind. Hier wohl zum Jahreswechsel 2007 auf 2008, denn mit 2024 und 2025 ginge es auch ganz einfach: 2024⋅2025+1=4048⋅1000+506⋅100+1=4.098.601.
[1] British | A Nice Algebra Problem | Math Olympiad. SALogic, Youtube, November 2024. Es soll wohl nicht simplifiziert, sondern einfach ausgerechnet werden.
Simplify
14+20074+20084
12+20072+20082
sicherlich nicht erwartet, einfach die Potenzen auszurechnen, was dank der vielen Nullen auch ohne Taschenrechner leicht möglich ist, sondern irgendeine ‚trickreiche‘ Ersetzung wie x=2007 in der Hoffnung, daß der entstehende Bruch zweier Polynome ohne Rest teilbar ist.
Das wird im Filmchen auch gemacht. Nach der Berechnung von (x+1)⁴ durch zweifaches Quadrieren statt eines wenigstens lehrreichen Hinweises auf das Pascalsche Dreieck, wird die Polynomdivision ausgeführt und x²+x+1 erhalten. Die Antwort lautet damit x(x+1)+1=2007⋅2008+1=4.030.057.
Es ist ja ganz nett, daß hier einmal die Polynomdivision vorgeführt wird, wo andere durch ‚geschickte‘ Erweiterung und Ausklammerung einen Faktor herbeizaubern. Doch was macht der Mensch, der weder über akrobatische Fähigkeiten verfügt, noch eine Polynomdivision beherrscht?
Er verschaft sich einen Eindruck, berechnet ein paar Werte, hofft auf eine leicht erkennbare Beziehung
x Brechnung des Bruches x(x+1)+1 0 (1+0+1)/(1+0+1) = 2/2 = 1 = 0⋅1+1 1 (1+1+16)/(1+1+4) = 18/6 = 3 = 1⋅2+1 2 (1+16+81)/(1+4+9) = 98/14 = 7 = 2⋅3+1 3 (1+81+256)/(1+9+16) = 338/26 = 13 = 3⋅4+1 4 (1+256+625)/(1+16+25) = 882/42 = 21 = 4⋅5+1und bestätigt seine Vermutung, indem er einfach
1+x4+(x+1)4 = [1+x2+(x+1)2] ⋅ [x(x+1)+1]
nachrechnet. Das ist ein ‚Trick‘, der sich oftmals lohnt, denn eine Überprüfung ist deutlich leichter als eine Herleitung.
Mathematiker sind noch fauler. Stimmen linke und rechte Seite der vorstehenden Gleichung in den fünf betrachteten Fällen x=0,…,5 überein, so überall, da es sich auf beiden Seiten um Polynome von Grade 4 handelt. Sie könnten noch einen Schritt weitergehen und bemerken, daß Zähler und Nenner symmetrisch zu x=−½ sind, weshalb die Korrektheit für x=0,1,2 bereits ausreicht. Um diese Symmetrie zu verdeutlichen, hätten sie auch x=2007+2008 wählen können, was es nicht einfacher, aber eleganter macht. Auch bemerkten sie sicherlich, daß das Ergebnis der halbe Nenner der Aufgabe ist.
Kurz: Man könnte vieles aus dem Reiche der Mathematik lernen, wenn man links und rechts des Trampelpfades zur Lösung 4.030.057 schaut. Das aber lassen die Youtube-Filmchen gerne aus, die zumeist so und so nur einem alten Original nachempfunden sind. Hier wohl zum Jahreswechsel 2007 auf 2008, denn mit 2024 und 2025 ginge es auch ganz einfach: 2024⋅2025+1=4048⋅1000+506⋅100+1=4.098.601.
[1] British | A Nice Algebra Problem | Math Olympiad. SALogic, Youtube, November 2024. Es soll wohl nicht simplifiziert, sondern einfach ausgerechnet werden.
... link
... comment