Personalausweis
wuerg, 10.08.2018 15:42
Im Laufe meines langen Lebens bat mich die Polizei nur selten, einen Personalausweis vorzuzeigen. Den hatte ich obrigkeitstreu auch immer dabei und nicht von der Aida während einer Kreuzfahrt ins Mittelmeer geworfen oder unter der Matratze versteckt. In meinen jungen Jahren waren es die Kontrollen des Schweinesystems. Nur weil ich lange Haare trug und Volvo fuhr, wurde ich angehalten. Das war hair and car profiling und wurde damals wegen mangelnder Englischkenntnisse auch Rasterfahndung genannt.
Später war ich einmal Zeuge eines Verkehrsunfalles und konnte natürlich meinen Personalausweis vorzeigen, obgleich es eine Krankenkassenkarte wohl auch getan hätte. Den Ausweis sehen wollen weniger Polizisten, mehr Bankangestellte und People of Color, die Postschalter freischaffend verwesen. Zwar habe ich für eine sichere Authentifizierung und die ausgebliebenen Segnungen der Digitalisierung meinen Fingerabdruck speichern lassen, doch wegen Nutzlosigkeit das Paßwort vergessen.
Sollte ich einmal versehentlich schwarz fahren, dann zeige ich meinen Ausweis vor und reiche für 7 Euro meine Fahrkarte nach. Besitze ich keine, bedankt sich der Kontrolleur ohne jede Überprüfung für die überreichten 60 Euro. Wenn man aber nicht bereit ist, irgendetwas nachzuweisen oder zu zahlen und sich dem Hausrecht widersetzt, dann kann man schon einmal mit Gewalt auf den Bahnsteig verbracht werden. Früher ist man gerne weggelaufen und hat sich spätestens vor der Haustür freundlich von den Kontrolleuren verabschiedet.
Leider bin ich ein alter weißer Mann und werde keine Berühmtheit erlangen, weil ich von Gutmenschen widerrechtlich gefilmt werde, während mich dunkelhäutige Kontrolleure aus der Bahn zerren. Umgekehrt sieht das anders aus. Kontrolleure sind gut beraten, renitente POCs einfach gewähren zu lassen. Von ihnen gibt es wie von Pennern so und so kein Geld, und im Gegensatz zu letzteren droht ihnen auch keine Geldstrafe oder gar Gefängnis.
Polizisten sind so und so vorsichtig bei der Kontrolle von POCs, verlieren sie am besten aus den Augen und damit auch aus dem Sinn. Das löst ihr Problem mit den Vorgesetzten, wenn sie wieder einmal die Kriminalitätsrate vielfältiger Gruppen durch überfällige Kontrollen oder gar Anzeige von Beamtenbeleidigungen in die Höhe treiben und dadurch das politisch vorgegebene Maß zu überschreiten drohen, das durch Schwerkriminelle bereits gut ausgeschöpft ist. "Sie sind nur dann auf der sicheren Seite, wenn sie wegschauen und nichts tun." [1] Nicht nur Diskrimierung sieht anders aus, auch Gleichbehandlung.
[1] Polizisten stehen unter Rassismus-Verdacht. Freie Welt, 10.08.2018.
Später war ich einmal Zeuge eines Verkehrsunfalles und konnte natürlich meinen Personalausweis vorzeigen, obgleich es eine Krankenkassenkarte wohl auch getan hätte. Den Ausweis sehen wollen weniger Polizisten, mehr Bankangestellte und People of Color, die Postschalter freischaffend verwesen. Zwar habe ich für eine sichere Authentifizierung und die ausgebliebenen Segnungen der Digitalisierung meinen Fingerabdruck speichern lassen, doch wegen Nutzlosigkeit das Paßwort vergessen.
Sollte ich einmal versehentlich schwarz fahren, dann zeige ich meinen Ausweis vor und reiche für 7 Euro meine Fahrkarte nach. Besitze ich keine, bedankt sich der Kontrolleur ohne jede Überprüfung für die überreichten 60 Euro. Wenn man aber nicht bereit ist, irgendetwas nachzuweisen oder zu zahlen und sich dem Hausrecht widersetzt, dann kann man schon einmal mit Gewalt auf den Bahnsteig verbracht werden. Früher ist man gerne weggelaufen und hat sich spätestens vor der Haustür freundlich von den Kontrolleuren verabschiedet.
Leider bin ich ein alter weißer Mann und werde keine Berühmtheit erlangen, weil ich von Gutmenschen widerrechtlich gefilmt werde, während mich dunkelhäutige Kontrolleure aus der Bahn zerren. Umgekehrt sieht das anders aus. Kontrolleure sind gut beraten, renitente POCs einfach gewähren zu lassen. Von ihnen gibt es wie von Pennern so und so kein Geld, und im Gegensatz zu letzteren droht ihnen auch keine Geldstrafe oder gar Gefängnis.
Polizisten sind so und so vorsichtig bei der Kontrolle von POCs, verlieren sie am besten aus den Augen und damit auch aus dem Sinn. Das löst ihr Problem mit den Vorgesetzten, wenn sie wieder einmal die Kriminalitätsrate vielfältiger Gruppen durch überfällige Kontrollen oder gar Anzeige von Beamtenbeleidigungen in die Höhe treiben und dadurch das politisch vorgegebene Maß zu überschreiten drohen, das durch Schwerkriminelle bereits gut ausgeschöpft ist. "Sie sind nur dann auf der sicheren Seite, wenn sie wegschauen und nichts tun." [1] Nicht nur Diskrimierung sieht anders aus, auch Gleichbehandlung.
[1] Polizisten stehen unter Rassismus-Verdacht. Freie Welt, 10.08.2018.
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arboretum,
10.08.2018 16:50
Tja, ich war da nicht so brav wie Sie. Nachdem mein Kinderausweis abgelaufen war, lebte ich ein knappes Jahr völlig ohne Ausweispapiere. Das war illegal, fiel aber nicht weiter auf, ich bin ja blond. Dann legte ich mir einen Reisepass zu, denn ich wollte wieder verreisen. Um einen Personalausweis kümmerte ich mich erst im Alter von 27 Jahren. Seither habe ich einen, vor einigen Wochen fiel mir aber auf, dass ich nicht weiß, wo mein Reisepass ist.
Dafür war ich Anfang Juli Zeugin, wie Polizisten auf sehr aggressive Weise fünf jugendliche Flüchtlinge, die vollkommen unauffällig wie ich an der Bushaltestelle auf ihren Bus warteten und über Fußball quatschten, einer Personenkontrolle unterzogen. Das Verhalten der Polizisten war alles andere als deeskalierend, was ich denen auch freundlich sagte. Am aggressivsten war übrigens eine junge Polizistin, die mich auch sofort anpampte, sie wurde aber von ihrem Kollegen - der einzige, der sich halbwegs ruhig verhielte - zurückgepfiffen. Ich hatte ihm zuvor meinen Spezialausweis gezeigt.
Dafür war ich Anfang Juli Zeugin, wie Polizisten auf sehr aggressive Weise fünf jugendliche Flüchtlinge, die vollkommen unauffällig wie ich an der Bushaltestelle auf ihren Bus warteten und über Fußball quatschten, einer Personenkontrolle unterzogen. Das Verhalten der Polizisten war alles andere als deeskalierend, was ich denen auch freundlich sagte. Am aggressivsten war übrigens eine junge Polizistin, die mich auch sofort anpampte, sie wurde aber von ihrem Kollegen - der einzige, der sich halbwegs ruhig verhielte - zurückgepfiffen. Ich hatte ihm zuvor meinen Spezialausweis gezeigt.
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wuerg,
10.08.2018 22:34
Ich gehe einmal davon aus, daß die von Ihnen beschützten Jungs nichts auf dem Kerbholz hatten und zumindest die Polizistin nicht die erforderliche Ruhe und Professionalität walten ließ. In Zukunft wird das häufiger vorkommen, denn die Lage spricht für blanke Nerven und Eskalation auf beiden Seiten.
Doch wenn nicht gerade nebenan ein weißer Rentner eine Bank überfallen hat, würde ich als Polizist auch nicht mich, sondern Gruppen von Jugendlichen mit flüchtigem Aussehen überprüfen, insbesondere dann, wenn sie mir an anderer Stelle bereits auffielen. Auch angesicht der Möglichkeit, dabei einen der vielen Untergetauchten zu enttarnen.
Sicherlich begegnen mir täglich Flüchtlinge, habe aber bis heute noch keinen als solchen erkannt. Obschon Polizisten bessere allgemeine und personenbezogene Vorkenntnisse haben als ich, können auch sie sich zumeist nur an Äußerlichkeiten orientieren und gemäß ihres Eindruckes kontrollieren, insbesondere wenn nach gewissen Personengruppen gefahndet wird.
Sie können auch nicht wissen, daß eine Gruppe sich nur über Fußball unterhält, ja dürfen davon ausgehen, daß Illegale und Krimnelle dies auch tun. Sie werden aus ihrer Arbeit heraus aber auch wissen, daß die meisten verdächtig aussehenden Menschen sich als harmlos erweisen. Und sie dürfen davon ausgehen, daß ein Mensch reinen Gewissens ohne negativen Kommentar einfach seinen Ausweis vorzeigt.
Warum können einige unschuldig verdächtigte oder kontrollierte Personen bestimmter Hautfarbe, Frisur, Tätowierung, Alkoholisierung nicht wie viele Deutsche und Ausländer einfach akzeptieren, daß sie einer Gruppe zugerechnet werden (wollen), die erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht erheischt. Im Ausland bevorzugt kontrolliert zu werden, würde ich gut verstehen, wenn meine Landsleute dort reihenweise Basarhändler über den Tisch zögen.
Noch eimmal 40 Jahre zurück: Es war sozial anerkannt, Polizisten als Bullen zu bezeichnen. Es kostete aber eine Stange Geld, außerhalb von Großeinsätzen im persönlichen Kontakt mit einem Polizisten, ihn als Bullen anzureden. Für ein Scheiß oder ein Du davor oder ein Schwein danach gab es einen Aufpreis. Ich konnte und kann das nicht bedauern. Selbst damals hatte ich nicht das Bedürfnis, Polizisten zu beschimpfen.
Natürlich gibt es Alltagsrassismus, wenn auch selten im engeren Wortsinne. Wer seine Teddybären nicht im Mercedes zum Bahnhof, sondern regelmäßig mit dem Bus fährt, der weiß das: Allerletzt entschuldigte sich ein dunkelhäutiger Mensch beim Fahrer, daß er versehentlich den Halteknopf gedrückt habe. Er bekam trotzdem einen Anschiß. Ich riet ihm, sich nächstesmal bedeckt zu halten und lieber nichts zu sagen.
Vielleicht aber hätte der europäisch, aber nicht biodeutsch aussehende Fahrer selbst mich angemotzt. Dann wäre es kein Rassismus, sondern normale Unfreundlichkeit gewesen. Nur hätte ich mich verbal besser wehren können und wollen. Als ich das allerletzt tat, handelte ich mir vom Fahrer einen Hieb mit der Rassimuskeule ein. Sehr lustig und eine schöne Vorurteilsbestätigung.
Doch wenn nicht gerade nebenan ein weißer Rentner eine Bank überfallen hat, würde ich als Polizist auch nicht mich, sondern Gruppen von Jugendlichen mit flüchtigem Aussehen überprüfen, insbesondere dann, wenn sie mir an anderer Stelle bereits auffielen. Auch angesicht der Möglichkeit, dabei einen der vielen Untergetauchten zu enttarnen.
Sicherlich begegnen mir täglich Flüchtlinge, habe aber bis heute noch keinen als solchen erkannt. Obschon Polizisten bessere allgemeine und personenbezogene Vorkenntnisse haben als ich, können auch sie sich zumeist nur an Äußerlichkeiten orientieren und gemäß ihres Eindruckes kontrollieren, insbesondere wenn nach gewissen Personengruppen gefahndet wird.
Sie können auch nicht wissen, daß eine Gruppe sich nur über Fußball unterhält, ja dürfen davon ausgehen, daß Illegale und Krimnelle dies auch tun. Sie werden aus ihrer Arbeit heraus aber auch wissen, daß die meisten verdächtig aussehenden Menschen sich als harmlos erweisen. Und sie dürfen davon ausgehen, daß ein Mensch reinen Gewissens ohne negativen Kommentar einfach seinen Ausweis vorzeigt.
Warum können einige unschuldig verdächtigte oder kontrollierte Personen bestimmter Hautfarbe, Frisur, Tätowierung, Alkoholisierung nicht wie viele Deutsche und Ausländer einfach akzeptieren, daß sie einer Gruppe zugerechnet werden (wollen), die erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht erheischt. Im Ausland bevorzugt kontrolliert zu werden, würde ich gut verstehen, wenn meine Landsleute dort reihenweise Basarhändler über den Tisch zögen.
Noch eimmal 40 Jahre zurück: Es war sozial anerkannt, Polizisten als Bullen zu bezeichnen. Es kostete aber eine Stange Geld, außerhalb von Großeinsätzen im persönlichen Kontakt mit einem Polizisten, ihn als Bullen anzureden. Für ein Scheiß oder ein Du davor oder ein Schwein danach gab es einen Aufpreis. Ich konnte und kann das nicht bedauern. Selbst damals hatte ich nicht das Bedürfnis, Polizisten zu beschimpfen.
Natürlich gibt es Alltagsrassismus, wenn auch selten im engeren Wortsinne. Wer seine Teddybären nicht im Mercedes zum Bahnhof, sondern regelmäßig mit dem Bus fährt, der weiß das: Allerletzt entschuldigte sich ein dunkelhäutiger Mensch beim Fahrer, daß er versehentlich den Halteknopf gedrückt habe. Er bekam trotzdem einen Anschiß. Ich riet ihm, sich nächstesmal bedeckt zu halten und lieber nichts zu sagen.
Vielleicht aber hätte der europäisch, aber nicht biodeutsch aussehende Fahrer selbst mich angemotzt. Dann wäre es kein Rassismus, sondern normale Unfreundlichkeit gewesen. Nur hätte ich mich verbal besser wehren können und wollen. Als ich das allerletzt tat, handelte ich mir vom Fahrer einen Hieb mit der Rassimuskeule ein. Sehr lustig und eine schöne Vorurteilsbestätigung.
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