Todesstrafe
Heute darf ich darüber abstimmen, ob in einem unab­hängigen Hessen weiterhin auf der Basis eines einfachen Gesetzes zum Tode verur­teilt werden darf. Bisher scheute man eine Verfas­sungs­ände­rung, weil sie der Zustim­mung des hessi­schen Volkes bedarf. Ich gehe davon aus, daß sie heute erreicht wird, nachdem mehrere Genera­tionen darüber einen Schul­aufsatz zu schreiben hatten, um nach pseudo­wissen­schaft­licher Abwägung von pro und contra zur Erlangung einer mehr als befriedi­genden Note sich gegen die Todes­strafe auszu­sprechen.

Ich bin dankbar für diese Abstimmung, weil sie mich mit der Gegen­wart versöhnt. Bisher dachte ich, die Indok­trination der Bevöl­kerung, insbe­sondere der Schüler durch Lehrer edler Gesin­nung, die strom­linien­förmig den Bildungs­auftrag der Obrig­keit umsetzen, sei eine neue Erschei­nung und habe es seit 1945, zumin­dest 1968 nicht mehr gegeben. Dem ist nicht so. Es gab schon immer Gehirn­wäsche. Heute Flücht­linge, gestern Todes­strafe.

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