Höher scheißen
Ich erinnere mich gerne an den Donner­balken meiner Patentante. Sie wohnte im ersten Stock. Das kleine Geschäft plätscherte in der Tiefe, das große benötigte nach dem Seilriß ein paar Sekunden und bedankte sich mit dem vertrauten Geräusch eines in den Brunnen geworfenen Steines. Papier in der Jauche war natürlich nicht gern gesehen, denn der Rhabarber sollte nicht eingepackt, sondern nur gedüngt werden. Benutzte man es dennoch, hielt es sich in Grenzen, denn das zerklei­nerte Zeitungs­papier war nicht gerade eine Rosetten­freude.

Doch die Evolution schreitet beständig voran. Wir lassen die Scheiße nicht mehr auf allen Vieren hinter uns fallen, hocken nicht mehr im Wald neben einem Baum, scheißen nicht auf ein Gitter­rost und auch nicht wie ein Affe auf dem Schleif­stein durch ein kleines Loch in einen Sammel­behälter, sondern sitzen gemütlich mit dem Handy und der neuesten Taz-Ausgabe auf dem Hochsitz. Danach wischen wir uns mit Papier in der geschick­teren rechten Hand den Arsch ab und spülen es mit dem Abge­seilten in die Kanali­sation. Wem das zu unhygie­nisch ist, der wäscht sich hinterher die Hände mit Wasser, das man sogar trinken kann. Gegessen wird mit Messer und Gabel.

Mit unserem Wasser kann man auch vor dem Geschäft die Brille reinigen, vor allem wenn zuvor einer darauf hockte, weil er noch nicht einmal wußte, daß man sie hoch­klappen kann, oder als typischer Steh­pinkler zu faul war und die eigene Strahl­genauigkeit über­schätzte. Abseits kosten­loser öffent­licher Toiletten ist in Deutsch­land eine Reinigung nur aus psycho­logischen Gründen erforderlich, denn Bakterien mögen keine Klobrillen, eher schon die Wasser­hähne oder Türgriffe. [1] Und sollte einmal das Papier zu dünn sein, so ist es doch nur die eigene Scheiße am Finger, die keine neuen Krank­heiten einträgt. Wer um seine Gesundheit besorgt ist, sollte sich lieber einen Flach­spüler zulegen, um das Ergebnis begut­achten zu können.

Vom Training der Beinmuskeln und der darm­freund­lichen Position abgesehen kann ich dem Hockklo nichts abgewinnen. Das mag meinen Erinne­rungen an fran­zösische Camping­plätze geschuldet sein. Nicht umsonst ist in Frankreich auch die Arsch­badewanne verbreitet. Das ist alles ganz gut und schön, wenn man es zu ihr unfall­frei schafft, denn aus weniger geschäfts­freundlichen Gründen hat uns die Evolution Hosen beschert, die voll­ständig auszu­ziehen nicht übermäßig praktisch ist. So bin ich dankbar für die Bebrillung, die meine Hose vor Quer­schlägern schützt und einem alten Mann die Angst nimmt, sich von hinten an die Hose zu pinkeln. Und sollten auch die Beine schwach werden, bezahlt die Kranken­kasse einen Hochsitz.

So geschützt gemütlich auf der sauberen Brille sitzend habe ich auf öffent­lichen Toiletten eigentlich nur eine Angst, nämlich daß die herunter­gelassene Hose den Boden berührt, auf dem die Steh­pinkler ihre Visiten­karte hinter­lassen haben. Auf franzö­sischen Camping­plätzen hatte ich den Eindruck, dies sei flächen­deckend der Fall. Und angenehm ist mir aus ähn­lichem Grunde auch ein noch vorhandener Haken, an dem ich meine Jacke und viel­leicht sogar eine Tasche aufhängen kann.

Wenn das Hockklo zu einer muslimen Kultur­einrichtung stilisiert wird, dann nur im Kontrast zu uns oder in senti­mentaler Erin­nerung an die Heimat. [2] Es mag zwar einige Zeit dauern, bis ein Chinese nicht mehr auf die Brille steigt, doch Syrer lernen schneller. In deutschen Asylunter­künften haben sie manchmal die freie Wahl. Und die fällt eindeutig aus. [3] Meinet­wegen kann jede öffent­liche Ein­richtung ein Plumpsklo anbieten, auch wenn in unseren Breiten Anschaffung und Betrieb teurer sind und damit zwei üblicher­weise genannte Vorteile ent­fallen. Solange das Gebäude dazu nicht voll­ständig ortho­gonal zur Richtung gen Mekka gedreht werden muß. [4]

[1] Hengameh Yaghoobifarah: Deutsche, schafft Euch ab! Taz, 22.10.2017. Riesenlink in roter Schrift: "Lieber Brems­spuren in der Unterhose und ein erhöhtes Risiko für Geschlechts­krank­heiten vertei­digen als ein islamisches Klo im Kölner Bürgerhaus zulassen."
[2] Hengameh Yaghoobifarah: Kampf der Kackkulturen. Taz, 10.08.2017. "Denn von Muslim­_innen lernen heißt auch, richtig aufs Klo gehen zu lernen. Es würde die deutsche Kackkultur revolu­tionieren."
[3] Johann Osel: Tritt ins Klo. Süddeutsche Zeitung, 07.05.2010. "So bestätigte es ein Sprecher des zuständigen Landrats­amtes: In dem relativ neuen Teilgebäude der Asyl­unterkunft habe man eine Umfrage unter den Bewohnern gestartet: Sitz- oder Stehklo? 90 Prozent wollten nach west­lichem Standard ihre Notdurft verrichten, ein Zehntel hingegen entschied sich für die Steh­toilette. Als Kompro­miss wurde in dem Haus eine solche orien­talische Toilette eingebaut. Eben jene, die der Syrerin zum Verhängnis wurde."
[4] Robert Baumanns: "Kultur­sensible Toilette" Alte Feuer­wache in Köln: Brauchen Muslime ein eigenes WC? Express, 09.08.2017. "'Eine solche Toilette entspricht eher dem, was in islamisch geprägten Ländern üblich ist', sagt Konrad Müller vom Vorstand des Bürger­zentrums. 'Und wir möchten den Menschen aus diesen Ländern damit das Gefühl geben, dass sie hier zu Hause sind.' [...] Klar sei ebenso, dass diese Toilette nicht in Ost-West-, sondern in Nord-Süd-Richtung gebaut werden müsse. 'Nach Mekka kacken geht gar nicht', erklärt Konrad Müller etwas flapsig."

Es reicht

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