Hassan Dabbagh 2006
Trifft eine Eigenschaft E auf zwei Gruppen N und M mit geringen, aber dennoch vorhanden Anteilen p bzw. n·p zu, so kann man bei n>10 sicherlich von einem signifi­kanten Unterschied sprechen. So abstrakt formuliert würde sich jeder schämen, auf die Trivia­litäten abzulenken, daß E wegen p>0 in N immer noch vorkommt und auch in M dank n·p<<1 sehr selten ist. Überlagert von Vorurteilen, Gefühls­duselei und Verdrän­gung ist das in der Praxis allerdings anders.

Seyran Ates beklagte gestern bei Sabine Christiansen die im Vergeich zur Normal­bevölke­rung (N) unter Türken und Moslems (M) signifikant höhere Rate (n>10) an Zwangs­verheira­tungen und Morden aus sog. Gründen der Ehre (E). Prompt meldeten sich vorzugsweise Linke, Liberale und andere Gutmenschen mit den zu Argumenten erhobenen Selbst­verständ­lichkeiten zu Wort, daß dies alles auch in der Rest­bevölkerung vorkäme (p>0) und unter Türken und Moslems nicht die Regel sei (n·p<<1). Allein deshalb hat es sich gelohnt, mich wieder einmal zu Sabine Christiansen durch­gerungen und nicht Snooker gesehen zu haben. Denn es ärgert mich schon lange, daß gerade Linke sich immer wieder zu solchen Plattheiten hinreißen lassen.

Neben Seyran Ates saß mein Bischof Wolfgang Huber, der sich oft um ein Gespräch mit den Moslems bemüht hat und weitgehend auf Verwei­gerung stieß, die sich hinter Konfusion und Spitz­findigkeit verbirgt. Zunächst fand ich es etwas rück­sichtslos von ihm, den Imam von Leipzig vorzuführen, der aus Glaubens­gründen keine Frauen berührt und deshalb weder Seyran Ates, noch Sabine Christiansen vor der Sendung die Hand gab. Aber es stellte sich heraus, daß dies mehr aus allgemeiner Gering­schätzung der Frau erfolgte. Sonst hätte Imam Hassan Dabbagh auch auf den Handschlag mit den Männern verzichten können. Und wer trägt es einem tradi­tionellen Japaner schon nach, wenn er aus alter Gewohnheit keine Hände schüttelt.

Auch die übrigen Einlassungen von Hassan Dabbagh waren wieder ein Schulbeispiel dafür, wie zumindest orthodoxe Moslemführer vorder­gründig von Unter­drückung und Ablehnung sprechen und hinter ihrer Sophisterei ganz deutlich raushängen lassen, daß Moslems überlegen und mächtig sind. Auf den aktuellen Ehrenmord angesprochen wird die Tat nicht verwerflich genannt oder dem Opfer Mitgefühl entgegen­gebracht, sondern allein das Verbot von Selbst­justiz im Islam betont. Ein auch im Gehabe unver­hohlener Hinweis darauf, daß Todes­urteile nach islamischen Recht auch wegen sog. Ehrver­letzungen durchaus normal sind, der Familie Sürücü lediglich Eigen­mächtigkeit vorzu­werfen sei.



Nach 20 Wochen war Hassan Dabbagh erneut bei Sabine Christiansen eingeladen, diesmal zur Frage: Welche Religion hat Gott? Gegen Ende der Sendung gaben Vertreter mehrerer Religionen ihre Antwort, durchweg Wortspie­lereien, Worthülsen und Gebrabbel. Auch ich kenne keine eindeutige Antwort, bin aber als Christ so frei zu vermuten, daß einem wie auch immer gearteten Gott sicherlich die konsequent mono­theistische Grundlage des Islams gefallen wird. Das aber entschuldigt nicht, was zur Zeit im Namen des Islam veranstaltet wird. Nur deshalb ließ Sabine Christiansen diskutieren, nicht aus allgemeinem religiösen Interesse.

Und so gab es erneut Gelegenheit, die berühmten kritischen Fragen an Hassan Dabbagh zu richten, der natürlich wieder zu eiern begann. Eine Frage war die nach der Recht­fertigung von Selbstmord­attentaten, die Hassan Dabbagh nicht pflicht­schuldig mit einer deutlichen Absage an jede Form von Gewalt beantwortete, sondern nur bemerkte, daß Selbstmord ist im Islam verboten sei. Damit erweckte er in mir den Eindruck, die Taten an sich seien in Ordnung, die Täter hätten nur für ihr eigenes Überleben sorgen müssen. Und als Sabine Christiansen dann das Wort Haßprediger in den Mund nahm, fragte Hassan Dabbagh lediglich zurück: Was sind Haßprediger?

Insgesamt bestätigte sich mein Eindruck, Hassan Dabbagh will verständ­licherweise nicht sagen, was er wirklich denkt, kann aber wegen seines tiefen Glaubens auch nicht frech in die Kamera lügen, muß sich also winden und spitzfindig äußern. Hinzu kommt wohl eine normale menschliche Unsicherheit, die ihn in den Medien schlecht aussehen läßt. Doch kann ich ihn deshalb nicht von meiner Kritik ausnehmen. Ich glaube, er sagt nicht die voll­ständige Wahrheit und es besteht eine zu weite Kluft zwischen seinen Aussagen und seiner Meinung. Auch er spricht mit doppelter Zunge und läßt raushängen, daß dies Heiden gegenüber durchaus erlaubt und gefordert ist.

Damit will ich meine Kritik auch schon abschließen. Sie wäre schärfer ausgefallen, versuchte die Bildzeitung nicht über Tage, ihn als einen radikalen Haßprediger darzustellen. Mag sein, daß er es ist, ich weiß es nicht. Sicherlich wird er radikale Predigten als Ausdruck eines kompromiß­losen Glaubens sehen und darauf hinweisen, daß einige Zuhörer ihn falsch verstanden haben könnten. Bestimmt nimmt er dies billigend in Kauf und wird auch unsere westliche Welt von Grund auf verachten. Ob er deshalb Attentate über ein gewisses Verständnis hinaus für angemessen oder gar hilfreich hält, würde ich jedoch bezweifeln. Ich erinnere mich noch deutlich an weit verbreitete "klammheim­liche Freude" vor dreißig Jahren, und kannte doch keinen, der auch nur ansatzweise selbst zu Gewalttaten bereit war.

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