Erkenntnis
Bei „Kluges und Scheiß“ wurde kurz über wertfreie, unmit­telbare Wahr­nehmung disku­tiert, also über unge­filterte und unver­fälschte Auf­nahme der Wirk­lich­keit. [1] Mir geht es jetzt nicht um die Frage, inwieweit unsicht­bare oder nicht meßbare Dinge zur Reali­tät gehören, nicht um Ände­rungen oder gar Erwei­terun­gen des Bewußt­seins durch Medi­tation, Hypnose, Drogen oder medizi­nische Tricks, auch nicht um Savants, die zumin­dest einen Teil der realen Welt unge­filtert, umfas­send und detail­genau auf­nehmen. Vielmehr möchte ich meine Auffas­sung dar­legen, warum Filte­rung und Bewer­tung vom Menschen unab­hängig ange­legte vernünf­tige Vorgänge sind, auf die auch denkende Groß­rechner der Zukunft nicht ver­zichten werden, gleich­wohl sie milli­onen­fach umfas­sender als wir die Welt wahr­nehmen können.

Die Welt ist kein ein­faches Murmel­spiel oder reines Herum­fliegen von Elemen­tar­teilchen. Unab­hängig von unserer Existenz und unter völliger Abwesen­heit jedweder Intel­ligenz im Weltall, kann die Welt auf einer Meta­ebene betrach­tet werden, auf der insbe­sondere die physi­kali­schen Gesetze formu­lierbar sind, so viel­fältig und anders­artig sie in anderen Teilen der Welt auch sein mögen. Offen­sicht­lich ist unsere Welt ein so mäch­tiges System, daß ein kleiner, aber bedeu­tender Teil dieser Meta­welt in ihm formu­lierbar ist. Das muß nicht so sein. Es gibt Murmel­spiele, die betrach­tungs­resi­stent sind. Die Welt ist es offenbar nicht. Sonst hätte ich kein Bewußt­sein, mein Denken wäre ein Automa­tismus und alles nur ein Murmel­spiel, was ich hier schreibe.

Die Betrachtung der Welt aus sich selbst heraus führt unab­hängig von mensch­licher Existenz zur Unter­scheidung von richtig und falsch, sinnvoll und sinnlos, gut und böse. Damit will ich nicht sagen, daß alles in diese dualen oder polaren Kate­gorien ein­teilbar ist, sondern beharre nur darauf, daß sie nicht unter­einander aus­tausch­bar sind, also keine will­kürli­chen Fest­legun­gen dar­stellen. Schon wegen unserer Endlich­keit, können wir Menschen uns immer nur um Erkennt­nisse und um eine gerecht­fertigte Bewer­tung bemühen. Für mich besteht dieses Bemühen darin, die Menschen­brille im Denken abzu­legen zu wollen. Unmittel­bare Wahr­nehmung behält diese Brille auf, man sieht sie nur vor lauter Außen­welt nicht mehr.

Jede Bewertung und Filterung auszu­schalten, um die ganze Rea­lität unmit­telbar wahrzu­nehmen, mag eine schöne Erfahrung sein und fördert Erkennt­nisse über uns Menschen zu Tage. Auch ich würde gerne spielend mehr Fakten aufnehmen wollen, wenn darunter die Bewer­tung und Einord­nung nicht litte. Manche mögen meinen, beides auf hohem Niveau in Einklang bringen zu können. Für mich glaube ich das nicht, denn soweit meine Träume mir in Erinne­rung sind, ent­halten sie doch so manchen Blöd­sinn, der nicht erst im Wachzu­stand hätte gefil­tert werden sollen. Kurz: In der unmittel­baren Wahr­nehmung vermute ich mehr Betrug als in der selektiven.

[1] Frau Klugscheisser: Infinity. Kluges & Scheiß, 23.03.2006.

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