Polizeiruf 110
Auch gestern blieb der Polizeiruf 110 erwartungs­gemäß hinter einem durch­schnitt­lichen Sonntag-​Abend-​Tatort zurück, doch wegen der Palindrome

Die Liebe ist Sieger stets. Rege ist sie bei Leid.
Eine güldne gute Tugend: Lüge nie!
Nie solo sein.
Ein Ego-Genie
Namen nenne man!

habe ich mir den Film doch angesehen. Soweit ich ihn richtig verstand, wollte ein Zwillings­bruder mit Gewalt die verlo­rene Symme­trie zwischen Menschen wieder her­stellen, die eigent­lich nur eine Zwei- oder Gemein­samkeit war. Da die tote Hälfte nicht aufer­stehen konnte, mußte die lebende sterben. Und Verzweif­lung entstand, wo Symme­trie wieder herge­stellt werden sollte, die es nie gab.

Doch von einem parkett­legenden Mörder hätte ich höhere Symme­trien als die manda­lama­lender Indianer oder ehe­thera­pie­render Psycho­login­nen erwartet. So blieb mir in der Zeit zwischen Tages­schau und Snooker eben kein anderes Vergnügen als die Palin­drome selbst. Bekannt ist nicht von Goethe, sondern wohl Schopen­hauer:

Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie.

Die halbe Miete sind schon die beiden vor- wie rückwärts lesbaren Wort­paare ein–nie und Neger–Regen, von denen es recht viele gibt: Tor–rot, Gras–Sarg, Mark–Kram, Lager-Regal. Letzteres führt gleich auf zwei wirkliche Palindrome: LAGERREGAL und REGALLAGER. Ich habe alle Buchstaben groß geschrieben, da es sonst eigentlich kein Palindrom im ganz strengen Sinne wäre.

Im täglichen Leben aber ist man großzügig und ignoriert zusätzlich alle Leer- und Satz­zeichen. Wie man vieles als symme­trisch bezeich­net, obwohl es gar nicht der Fall ist. Bei Schränken lasse ich mir Symme­trie noch gefallen, auch wenn nur die rechte Tür ein Schlüssel­loch hat. Im Krimi­nal­kommis­sar mit seiner Frau vom Strich sah ich sie von Anbe­ginn nicht, was im Film erst eine späte Lehre sein sollte.

Insgesamt war es ein Kurzkrimi, der durch Palin­drome, Symme­trien, Indianer, Thera­peu­tinnen und wert­volle Anre­gungen auf 90 Mi­nu­ten gedehnt wurde. Zur galak­tischen Abrun­dung fehlte mir nur noch der Hinweis, daß es uns alle nicht gäbe ohne eine kleine Unsym­metrie beim Urknall.

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