Gott ist queer
Ich habe es nun Monate aufge­schoben, doch bald wird die evange­lische Kirche mich als Mit­glied ver­lieren. Nicht wegen der Kirchen­steuer, die ich als Bezieher leistungs­losen Ein­kommens zahle, sondern anläß­lich einer Kirchen­zeitung, auf deren Titel­seite ein als Engel verklei­detes CSD-Männ­chen mit den Worten prankt: Kirche ist bunt.

Auf dem Bauch des Abgebildeten eine täto­wierte oder aufge­klebte Internet­adresse, über die ich erfuhr, daß es sich um einen Lok­führer handelt, der darunter leidet, einen Menschen über­fahren zu haben. Ich gönne ihm die beschei­dene Publi­zität. Und er hat für das Bild hoffent­lich etwas Geld bekommen. Er hat es sich verdient, denn nur wegen seines Bildes schlug ich das Blätt­chen auf.

Im Editoral heißt es über den örtli­chen CSD: „Es waren auch Pastor*in und Engel da.“ Und auf dem Schluß­gottes­dienst des Kirchen­tages soll „Gott ist queer“ viel Begei­ste­rung, aber auch Ent­rüstung und Hetze hervor­gerufen haben. Auch Lobhude­leien? Nach „wir finden die Predigt so ein­drucks­voll, dass wir sie kom­plett abge­druckt haben“ nahm das Unheil seinen Lauf. Ich habe sie gelesen:

Zunächst machte Pastor Quinton Ceasar meinen zweiten Trau­spruch nieder, der sich in vielen, letzt­lich auch nega­tiven Aspekten bewahr­heitete: „Dieses melo­dische »Alles hat seine Zeit« – das ruft bei mir Unbe­hagen hervor.“ Weil es Akti­vist*in­nen und Margi­nali­sierte vertröste. Sie wollen jetzt die ganze Hand, nachdem sie den Finger zu fassen bekamen. Und weiter: „Wir können nicht mehr warten. Nicht bis morgen oder nächste Woche. [...] Jesus sagt nicht »Alles hat seine Zeit«, Jesus sagt: »Jetzt ist die Zeit!«“

Wer nicht Opfer ist, gehört zumeist zu den Happyländer*innnen, die „sagen «Gott liebt uns doch alle gleich du« [...] »ich sehe keine Haut­farbe, keine Behin­derung, kein Geschlecht.«“ [1] Man will also unter­schied­lich und vor allem als Opfer gesehen werden, ohne als weißer Happyländer Unter­schiede disku­tieren, ja nur bezeichnen zu dürfen. „Wir ver­trauen eurer Liebe nicht! Wir haben keine siche­ren Orte, in euren Kirchen!“ Auch ich bin dort nicht mehr vor ihnen sicher.

„Jetzt ist die Zeit zu sagen: Wir sind alle die Letzte Genera­tion. Jetzt ist die Zeit zu sagen: Black lives always matters. Jetzt ist die Zeit zu sagen: Gott ist queer.“ [2] Ja, Gott ist inter­sekti­onal, Frau und schwul. Er schuf den Menschen nach seinem Bilde. Seinem Bilde von was? Oder war es ihr oder ems Bild?

[1] Für die queeren Anführungszeichen «...« kann der Redner natürlich nichts. Auch Ausrufezeichen hat er nicht unbedingt gesprochen.

[2] Ich weiß nicht, ob er die „Letzte Generation“ wirklich groß gesprochen hat. Ich meine, bis zur Großschreibung wie beim Heiligen Abend sollte noch etwas gewartet werden.

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Gerade gestern überkam mich das Bedürfnis, über den Nieder­gang der Kirchen zu schreiben, weil eine bunte Sta­tistik meine Auf­merksam­keit erregte. Sie zeigte Bewer­tungen der Gesamt­bevöl­kerung, der Prote­stanten, der Katho­liken und der Kon­fes­sions­losen zur evange­lischen und katho­lischen Kirche. Wohl zur Einord­nung auch zu deren Diakonie und Caritas, den Parteien und natür­lich dem Islam.

Die Überschrift hob aber nicht auf den Islam [1] ab, sondern auf den wenig ver­wun­der­lichen Umstand, daß die Katho­liken ihre eigene Kirche schlechter beur­teilen als die evange­lische. [2] Kaum einen mag das über­raschen.
                       Prote-  Katho- Konfes-   Gesamtbe-
                       stanten liken  sionslose völkerung
Diakonie und Caritas    4,5      4,4      3,9      4,2
evangelische Kirche     4,3      3,7      2,7      3,3
katholische Kirche      2,4      3,3      1,8      2,3
Islam                   2,4      2,3      1,8      2,1
Parteien                3,3      3,2      3,0      3,1
Weil mir die Spalten unvollständig erschienen, habe ich die Mittel­werte der drei ersten gebildet und festge­stellt, daß sie über den Bewer­tungen der Gesamt­bevöl­kerung liegen. Das veran­laßte mich, den zugrunde­lie­genden Bericht [3] zu stu­dieren. Und mit Erschrecken stellte ich fest, daß meine Mitte­lung zu hohe Werte lieferte, weil zum Zeit­punkt der Erhebung im Dezem­ber 2022 die Kon­fessions­losen bereits auf 43% ange­schwol­len waren.

Mit 25% Katholiken und 23% Protestanten ergeben sich 91% für die ‚Gesamt­be­völ­ke­rung‘. Die rest­li­chen 9% aus ver­spreng­ten christ­lichen Gemein­schaften, Moslems und anderen Reli­gionen sind zwar erwähnt, fielen aber nicht nur in der obigen Auf­stel­lung, sondern wohl auch im Ori­ginal unter den Tisch. So ich mich in dieser Beurtei­lung nicht irre, ist die Über­schrift „Gesamt­bevöl­kerung“ nicht gerecht­fertigt. Da deren Werte mit den 23:25:43 gewich­teten Mitteln sehr gut im Einklang stehen, gehe ich davon aus, daß tatsäch­lich 9% der Gesamt­bevöl­kerung unbe­rück­sich­tigt blieben.

Und eine andere Ekelig­keit der modernen Welt will ich bei dieser Gelegen­heit nicht uner­wähnt lassen. Die Befrag­ten konnten Einstu­fungen von 1 bis 7 wählen. Wenn es wenigstens Schul­noten wären, die jeder versteht. [4] Warum fängt man nicht bei 0 an und endet bei 10? Warum gibt man nicht Prozente an und ver­zichtet auf die Genauig­keit vortäu­schenden Nach­komma­stellen? Wenig­stens wurden hier nur Balken gemalt und keine Sterne ver­geben.

Das alles mag als Korinthenkackerei erscheinen, doch beginnt die gefärbte Reali­tät bereits mit der Erhe­bung und den komischen Fragen der Sozial­wissen­schaft­ler, die ihrem For­schungs­gebiet emoti­onal nahe­stehen oder vom Auftrag­geber beein­flußt bis abhän­gig sind, geht weiter über ihre teil­weise frag­würdi­gen Auswer­tungen, setzt sich fort in der Rosinen­picke­rei der Weiter­verwer­ter und endet bei Maisch­berger und Kon­sorten in übel zuge­rich­teten Balken­diagram­men. Von den bewußt falschen Kate­gori­sie­rungen in Krim­inali­täts­stati­stiken ganz zu schwei­gen.

[1] Verglichen mit der katholischen Kirche schneidet der Islam recht gut ab. Und ich gehe davon aus, daß die Moslems weder zu den Kon­fessions­losen noch zur Gesamt­bevöl­kerung gezählt wurden.

[2] Das kann insofern relati­viert werden, als daß die Prote­stanten eher zur Polari­sie­rung neigen und sich selbst deut­lich besser beur­teilen, während Katho­liken einen ausge­woge­neren Blick auf die Gemein­schaft der Christen werfen.

[3] Evangelische Kirche in Deutschland: Wie hältst du's mit der Kirche? – Zur Bedeu­tung der Kirche in der Gesell­schaft – Erste Ergeb­nisse der 6. Kir­chen­mitglied­schafts­unter­suchung. Evange­lische Verlags­anstalt, Leipzig, 2023.

[4] Umrechnung der hier vergebenen Punkte p von 1 bis 7 auf Schul­noten s von 1 bis 6 durch s=(41-5p)/6 ergibt für die Parteien (p=3,1) eine vier minus (s=4,25). Und das war vor fast einem Jahr!

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Auch ich bin noch immer zahlendes Mitglied der evangelischen Kirche. Auch ich bin ein Bezieher leistungslosen Einkommens. Doch mein Gottesbild ist ein völlig anderes.

Jesus hat als Mensch auf Erden gelebt, ist als Mensch gestorben und lebt als solcher in unseren Köpfen. Gott(vater) war nie Mensch und ist als solcher auch nicht vorstellbar. Der 'Allmächtige' wäre eine Witzfigur, sollte er irgendetwas Menschliches an sich haben.

Gott ist also nicht "queer", hat auch kein menschliches Geschlecht irgendwelcher Art. Ein Bildnis Gottes, die Vorstellung seiner Gestalt, gleich welcher Art, ist immer eine Götzendarstellung, dem menschlichen Vorstellungsvermögen dienend. Wie könnte Gott alle Welten beherrschen, wenn er etwas Menschliches hätte?

Damit wir nicht irre an Gott werden, weil wir uns ja zwangsläufig ein Bild von ihm machen müssen, haben wir seinen menschgewordenen Sohn Jesus vor Augen. Allein diesen zu verstehen ist schwer genug. Aber wir können sicher sein, er ist ein umfassend Liebender, also kein Arschloch wie sein im Alten Testament beschriebener Vater, der z.B. Abraham auf die Probe stellt, obwohl er genau weiß, was er von diesem zu halten hat.

Da die Menschheit Gottes Existenz lediglich "annehmen" kann, versuchten schlaue Theologen einen Gottesbeweis zu erbringen. Im Mittelalter war es Thomas von Aquin, der sagte, alles sei in Bewegung und es kann nur Gott gewesen sein, der den ersten Stein "ins Rollen" brachte.

In unserer Zeit meinte ein Theologe, alles bisherige menschliche Leben wäre 'sinnlos', wenn sich nicht einer an all die 'Verblichenen' erinnern würde. Weil die Existenz menschlichen Lebens aber nicht sinnlos sein kann, muß es Gott geben, als den ewigen Erinnerer.

Gottesbeweis hin oder her. Wenn ein Mensch sein Schicksal in die Hände eines allmächtigen Gottes legen soll und deshalb, weil dieser Gott es gut mit ihm meint, unbesorgt und glücklich seiner Wege gehen kann, dann muß er 'verstehen', daß er nicht betrogen wird.

Dieses Verstehen erreicht er durch Jesus, dem Menschensohn. Die Theologen sollen unter einander diskutieren, sie werden die Leute auf der Straße nicht erreichen, nicht überzeugen. Will die evangelische und die katholische Kirche die Mitgliederflucht stoppen, dann muß sie predigen, was auch der nicht intellektuelle Mensch versteht.

Die Aussage, Gott ist queer, klingt in meinen Ohren wie blanker Populismus, nach dem Motto: Ich male mir Gott so, wie ich ihn haben will. Warum versuche ich nicht, so zu leben, wie Jesus 'mich' haben will?

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Pader Brown, ich dachte, Sie hätten etwas katho­lische Theo­logie studiert. Oder war es der Zitter­wolf? Ob es einen histori­schen Jesus gab, ist eine interes­sante Frage. Wahr­schein­lich schon. Christen müssen das annehmen und sollten zugleich glauben, er sei Gottes Sohn in irgend­einer Weise, die über ein reines Sprach­spiel hinaus­geht. [1] Wahr­schein­lich war es Gottes Plan, den Menschen erst nach 6000 Jahren mit der erschrecken­den Erkennt­nis vertraut zu machen, daß er queer ist.

Es ist natürlich einfach zu sagen, Gott sei geschlechts­los, das Uni­versum, der Erst­beweger, der Urgrund aller Dinge. Als Christ sollte man konkre­tere Vorstel­lungen haben. Als Ungläu­biger erübrigt sich die Frage nach dem Geschlecht und der sexu­ellen Orien­tie­rung. Das Nichts hat eben­falls beides nicht. Etwas wie Gott existiert auch nicht deshalb, weil alles einen Sinn haben müsse.

Der Trick mit dem Menschensohn, dem Propheten, späteren Offen­barungen oder erfüllten Testa­menten vermag eine Weile lang Menschen wieder glauben lassen. Zuneh­mende Erkennt­nis aber nährt den Zweifel. Wenn man als Kirche über­leben will, dann nur mit denen, die weiter­hin an schöne oder auch brutale Geschich­ten glauben. Die ein­zige Wach­stums­chance besteht darin, daß die Menschen umfas­send irrati­onaler werden und sich in einer imagi­nierten Welt ein­richten. Das ist leider zu beob­achten.

[1] Mein Auszug aus [2] im Blog Religionsfreiheit.

[2] Ingolf U. Dalfert: Sprachlogik des Glaubens. Kaiser, München, 1974.

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Letzte Woche hatte ich in einem Kündigungs­schreiben meinen Austritt be­grün­det. Fast hätte ich mit dem Versuch gerechnet, mich davon abhalten zu wollen. Erwartet oder eigent­lich nicht habe ich zwei, drei Zeilen zu meinen Gründen. Doch die unter­schrei­bende „Kirchen­buch­führerin“ hat wohl mehr die leiden­schafts­lose Abwick­lung im Sinn: „Ihren rechts­wirk­samen Austritt aus der ev.‑lu­the­rischen Kirche können Sie nur persön­lich gemäß [...] zur Nieder­schrift durch Vorlage ihres gül­tigen Personal­aus­weises oder Ihres gül­tigen Reise­passes bei uns im Hause erklären.“

Und wie treten Fachkräfte ohne Personalausweis, die ihren Reisepaß im Mittelmeer verloren haben, aus der Kirche aus? Bleibe ich Christ bis zur Verlän­gerung meines abge­lau­fenen Aus­weises? Kann ich einfach Katholik, evange­lisch-refor­miert oder Moslem werden, und der Imam meldet mich dann um? Das ist gelebte Reli­gions­freiheit!

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Dies schrieb ich bereits vor mehr als einem Jahr am 26.11.2023, habe aber es ‚hochzuladen‘ versäumt:

Was haben die Zahlen zur Kirchen­mitglied­schaft damit zu tun, daß Gott queer ist? Abge­sehen von der Gleich­zeitig­keit, in der mir beides aufge­stoßen ist: Die Konse­quenzen für die evange­lische Kirche, der ich 60 Jahre ange­hörte, deren Gottes­dienste ich eine Weile regel­mäßig besuchte, an die ich bestän­dig mehr Steuern gezahlt habe als Beiträge für Partei und Gewerk­schaft zusammen und für deren Fahnen­masten ich noch vor kurzem gespendet habe, damit jeder­mann sehen kann: Hier gibt es noch oder gab es einst eine Gemeinde. [1]

So ein Bericht versucht natür­lich auch die Frage zu beant­worten, weshalb denn die Mitglieder weg­brechen und was man dagegen tun könne. In naher Zukunft nichts ändern kann oder wird man nicht am Kirchen­steuer­einzug, der mit einer formalen Mitglied­schaft verbunden ist. Das mag Ein­künfte sichern, da man zur Zahlungs­minde­rung weniger verdienen oder austreten müßte. Auf der anderen Seite bleiben die Menschen nicht einfach (formal) dabei, solange sie nicht zahlen müssen. Es ist ein Vorteil anderer Reli­gionen, die einfach jeden mitzählen, dessen Eltern dazu­gehörten.

Ein Pluspunkt seien die Kasualien, das fort­beste­hende Bedürfnis, kirch­lich getraut und bestat­tet zu werden. Dazu gehören auch Taufe und Konfir­mation. Vor allem letztere führe zu einer starken Bindung, geht aber zurück und hindert nicht am steuer­sparen­den Austritt. So arbeitet der Gene­rationen­wechsel gegen die Kirchen­mitglied­schaft, weshalb es vor allem junge Menschen durch attrak­tive Angebote zu binden gelte. Diese sollten weniger religös, eher sozial ausge­staltet sein. Das mag in Rich­tung woke und queer gehen.

Der nahelie­genden Beschrän­kung auf dem Marken­kern wird eine Absage erteilt. Es ist wie bei Mobil­funkan­bietern: Den Neu­kunden werden Telefone und Rabatte nachge­worfen, die Bestands­kunden bekommen nichts und geraten in teure Folge­tarife. Und das Gejammer ist groß, wenn die wegbre­chen oder gar sterben. Trotz­dem bleibt es natür­lich richtig: Wer wachsen oder wenig­stens langsamer schrumpfen will, muß Nach­wuchs werben.

Aber man kann es auch so machen wie FDP oder die Linke und richtet sich auf ein Leben am Rande der Fünf­prozent­hürde ein. Da muß man sich nicht ver­biegen, sofern man sich nicht wie derzeit in falsche Gesell­schaft begibt. Wozu ein Theologie­studium, wenn man hinter­her Sozial­arbeiter ist? [2] Wer es mit dem Glauben ernst meint, der kann ein beschei­denes Leben in einer kleinen, aber festen und bestän­digen Gemein­schaft führen, in der zwar Platz für queere, sich anständig verhal­tende Glaubens­brüder, aber nicht für einen queeren Gott ist.

[1] Die erste Fahne wurde bereits gehißt. Es war die evange­lische mit vio­lettem Kreuz auf weißem Grund. Ich hoffe, dort nicht eines Tages eine Regen­bogen­fahne oder die der Ukraine sehen zu müssen. Von Palä­stina ganz zu schweigen.

[2] Im meinem Grundkurs wurde natür­lich auch die Frage gestellt, warum man denn Theo­logie stu­dieren wolle. Und einer gab offen und ehrlich an: Weil Pfarrer besser bezahlt werden als Sozial­arbeiter. Das war eine aner­kannte Antwort und Moti­vation.

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