Todesstrafe
wuerg, 28.10.2018 16:42
Heute darf ich darüber abstimmen, ob in einem unabhängigen Hessen weiterhin auf der Basis eines einfachen Gesetzes zum Tode verurteilt werden darf. Bisher scheute man eine Verfassungsänderung, weil sie der Zustimmung des hessischen Volkes bedarf. Ich gehe davon aus, daß sie heute erreicht wird, nachdem mehrere Generationen darüber einen Schulaufsatz zu schreiben hatten, um nach pseudowissenschaftlicher Abwägung von pro und contra zur Erlangung einer mehr als befriedigenden Note sich gegen die Todesstrafe auszusprechen.
Ich bin dankbar für diese Abstimmung, weil sie mich mit der Gegenwart versöhnt. Bisher dachte ich, die Indoktrination der Bevölkerung, insbesondere der Schüler durch Lehrer edler Gesinnung, die stromlinienförmig den Bildungsauftrag der Obrigkeit umsetzen, sei eine neue Erscheinung und habe es seit 1945, zumindest 1968 nicht mehr gegeben. Dem ist nicht so. Es gab schon immer Gehirnwäsche. Heute Flüchtlinge, gestern Todesstrafe.
Ich bin dankbar für diese Abstimmung, weil sie mich mit der Gegenwart versöhnt. Bisher dachte ich, die Indoktrination der Bevölkerung, insbesondere der Schüler durch Lehrer edler Gesinnung, die stromlinienförmig den Bildungsauftrag der Obrigkeit umsetzen, sei eine neue Erscheinung und habe es seit 1945, zumindest 1968 nicht mehr gegeben. Dem ist nicht so. Es gab schon immer Gehirnwäsche. Heute Flüchtlinge, gestern Todesstrafe.
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dreadpan,
28.10.2018 16:52
Dass mit dem Schulaufsatz stimmt leider. Mein bester Freund hat mal in "Werte und Normen" in einer Klausur für die Todesstrafe argumentiert. Hat ne vier oder fünf bekommen, trotz technisch einwandfreier Argumentation. In dieser Beziehung sind wir damals indoktriert worden. Ich bin gegen die Todesstrafe, aber ich habe mich auch mit den Argumenten der Gegenseite beschäftigt.
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wuerg,
29.10.2018 02:03
Was ist denn das für ein Fach, "Werte und Normen"? Wir haben den Aufsatz zur Todesstrafe im Deutschunterricht verfaßt. Da hätten eigentlich Rechtschreibung, gute Sprache und stringente Darstellung im Vordergrund stehen müssen. Doch waren die Lehrer damals so unfrei wie heute. Wenn sie für die Todesstrafe waren, haben sie es den Schülern gleich besser nicht gesagt. Noch wichtiger war, eine Nazi- Vergangenheit zu verschweigen.
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dr. dreadpan,
29.10.2018 14:26
Das Fach gab es Mitte der Achtziger bei mir in Niedersachsen auf dem Gymnasium als Alternative zu Religion. So was wie Ethik. Der Lehrer war aber so schlecht, dass ich ein Jahr später lieber wieder den lustigen Geschichten des Schulpastors gelauscht habe, denen ich zum Teil sogar noch glaubte, da ich erst nach dem Abitur langsam zum Atheismus hinüber diffundierte, Tröpfchen für Tröpfchen.
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wuerg,
29.10.2018 14:51
Da war ich im Nachbarland seit der zweiten Klasse besser dran: Lehrmittelfreiheit, selbst Schulhefte wurden gestellt, und gegen Ende nur Religionskunde. In den unteren Klassen gab es auch unbenoteten Religionsunterricht, in dem eine falsche Meinung wenigstens keine schlechte Note nach sich zog. Eine Alternative wie Ethik habe ich damals nicht wahrgenommen, gab es wohl auch nicht. Ich nehme an, man konnte sich vom Fach Religion befreien lassen, nicht nur als Atheist. Heutzutage geht das auch mit Schwimmen, nicht nur als Rollstuhlfahrer.
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dreadpan,
30.10.2018 21:57
Wir hatten immer Noten in Reli. Ich war sogar so dämlich und habe Reli als drittes Prüfungsfach im Abi gehabt. Fast wäre sogar ein Reli-Leistungskurs zustande gekommen in unserem Jahrgang. Eine baptistische Schülerin hat sich sehr dafür eingesetzt, hat dann aber doch nicht geklappt. Sie war ne ganz Nette, hat mir mal ein Neues Testament in Bild und Wort geschenkt, weil sie dachte, vielleicht hilft das gegen meine Depression. LOL. Die Schwester war die Wixvorlage von allen hetero Jungs. Alle nannten sie nur Pamela Huismann (Nachname geändert;)) von wegen Baywatch. In der Grundschule wurden einige Schüler vom Religionsunterricht befreit, ich weiß gar nicht mehr, wie das auf dem Gymnasium war, ich konnte wählen zwischen W&N und Reli und in der Oberstufe glaube ich auch ganz ohne moralischen Kompass zum Abi marschieren. Wenn ich an diesen bekloppten Spruch von dem Bedford-Strohm denke, als vor einigen Jahren diese ProReli Aktion in Berlin war, wo es um irgendwas wichtiges mit Religionsunterricht ging..."Keine Werte ohne Gott!" hatten die da auf Plakaten in der Ubahn. Ansonsten geben sich die Protestanten ja nicht so fundamentalistisch, aber das hätte so direkt auch von den Evangelikalen, Baptisten oder Zeugen Jehovas kommen können. In meinen Augen ist das ne ziemlich verlogene Mischpoke. Ich bin froh, dass ich mit dem Pack nix mehr zu tun habe.
Das mit dem Schwimmen ist ne Sauerei, das Eltern ihren Kindern das verbieten können, wo es doch für jedes Bekenntnis die passende Badekleidung gibt! In diesem ganz spezifischen Punkt würde ich sagen das Wohl des Kindes wiegt schwerer als das Recht auf Religionsausübung der Eltern. Letztendlich wird man aber keine Kinder zwingen können, die bleiben dann einfach zuhause und es ist ihnen nicht geholfen, wenn man da Sanktionen verhängt. Ne Schweinerei ist es trotzdem. Soviel Aufklärung verlange ich schon von den Leuten, dass die kapieren, dass ihre Kinder wichtiger sind als ihr beschissener Oberguru. Religiöse Toleranz finde ich sehr wichtig. Hier hat meine Toleranz jedoch eine Grenze.
Das mit dem Schwimmen ist ne Sauerei, das Eltern ihren Kindern das verbieten können, wo es doch für jedes Bekenntnis die passende Badekleidung gibt! In diesem ganz spezifischen Punkt würde ich sagen das Wohl des Kindes wiegt schwerer als das Recht auf Religionsausübung der Eltern. Letztendlich wird man aber keine Kinder zwingen können, die bleiben dann einfach zuhause und es ist ihnen nicht geholfen, wenn man da Sanktionen verhängt. Ne Schweinerei ist es trotzdem. Soviel Aufklärung verlange ich schon von den Leuten, dass die kapieren, dass ihre Kinder wichtiger sind als ihr beschissener Oberguru. Religiöse Toleranz finde ich sehr wichtig. Hier hat meine Toleranz jedoch eine Grenze.
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wuerg,
01.11.2018 22:45
Während über die Ergebnise der Parteien und Wählerwanderungen am Wahltage bis Mitternacht berichtet wird, gibt es zu den Volksabstimmungen über 15 Gesetze zur Änderung der hessischen Verfassung erst heute Ergebnisse. Leider konnte ich keiner Veröffentlichung entnehmen, wieviele Wähler der Gesamtpalette pauschal zustimmten. Als ich diese Möglichkeit A zur "Einheitlichen Abstimmung" sah, dachte ich spontan: Da hat man die Abschaffung der Todesstrafe mit 14 weiteren Themen garniert, um von der Bequemlichkeit zu profitieren. So gelangen stolze 83 Prozent für die Abschaffung, nachdem man Jahrzehnte eine Änderung der Verfassung aus Angst vor dem Votum der Bürger scheute.
Trotzdem ist mancher noch unzufrieden, weil nur die europäische Integration, die elektronische Gesetzesverkündigung und vor allem die Herabsetzung des passiven Wahlalters weniger Zustimmung erlangten. Flugs ist man auch dabei, eine Korrelation mit dem Abschneiden der AfD zu erkennen. Dazu benötige ich keine Rechnung, die leuchtet mir auch so ein, denn selbstverständlich tummeln sich unter den Anhängern der AfD nicht nur Leute, die sich eine vernünftige Flüchtlingspolitik wünschen, sondern auch viele mit radikalem Gedankengut, die vor 50 Jahren noch die CSU des Bundesjustizministers Richard Jaeger mit dem schönen Spitznamen "Kopf-Ab-Jaeger" hätten wählen können.
Was erwartet man? Daß 95 Prozent für die grundsätzliche Abschaffung der Todesstrafe stimmen, die weit über ein Jahrhundert nicht vollstreckt wurde und auch erst dann wieder möglich wäre, wenn Hessen aus dem Bund austräte und die entsprechenden Gesetze erließe? Die erreichten 83 Prozent übertreffen meine Erwartungen. Natürlich bin auch ich mit der Möglichkeit B, der "Einzelabstimmung" darunter, obgleich mir die Formulierung "Die Todesstrafe ist abgeschafft" in zweierlei Hinsicht mißfällt: Zum einen ist eine Verfassung kein Geschichtsbuch, zum anderen gibt es weitere unmenschliche Strafen. Ich hätte bevorzugt: "Die Todesstrafe, Verstümmelungen und die Prügelstrafe sind verboten."
Trotzdem ist mancher noch unzufrieden, weil nur die europäische Integration, die elektronische Gesetzesverkündigung und vor allem die Herabsetzung des passiven Wahlalters weniger Zustimmung erlangten. Flugs ist man auch dabei, eine Korrelation mit dem Abschneiden der AfD zu erkennen. Dazu benötige ich keine Rechnung, die leuchtet mir auch so ein, denn selbstverständlich tummeln sich unter den Anhängern der AfD nicht nur Leute, die sich eine vernünftige Flüchtlingspolitik wünschen, sondern auch viele mit radikalem Gedankengut, die vor 50 Jahren noch die CSU des Bundesjustizministers Richard Jaeger mit dem schönen Spitznamen "Kopf-Ab-Jaeger" hätten wählen können.
Was erwartet man? Daß 95 Prozent für die grundsätzliche Abschaffung der Todesstrafe stimmen, die weit über ein Jahrhundert nicht vollstreckt wurde und auch erst dann wieder möglich wäre, wenn Hessen aus dem Bund austräte und die entsprechenden Gesetze erließe? Die erreichten 83 Prozent übertreffen meine Erwartungen. Natürlich bin auch ich mit der Möglichkeit B, der "Einzelabstimmung" darunter, obgleich mir die Formulierung "Die Todesstrafe ist abgeschafft" in zweierlei Hinsicht mißfällt: Zum einen ist eine Verfassung kein Geschichtsbuch, zum anderen gibt es weitere unmenschliche Strafen. Ich hätte bevorzugt: "Die Todesstrafe, Verstümmelungen und die Prügelstrafe sind verboten."
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