LOCI-2
Über meinen ersten Computer wollte ich schon immer etwas schreiben. Es ist der sagen­umwobene LOCI‑2 der Firma Wang, der natürlich nicht mir gehörte, weil er etwa 20.000 Mark kostete, obwohl er gut auf einen kleinen Tisch paßte. Zu dieser Zeit gab es zwar schon Groß­rechner, doch an die hatte mich noch keiner gelassen. Der volle Name war „Loga­rithmic Compu­ting Instru­ment“ und benennt seine einzig­artige Fähig­keit, den Loga­rithmus (ln) und dessen Umkehr­funk­tion (exp) zu berech­nen. Natür­lich konnte er auch addieren und subtra­hieren. Alles andere aber wurde indirekt erledigt, selbst die Multi­plikation ab durch exp(lna+lnb).

Wenn man bei diesem LOCI‑2 von einer CPU sprechen will, so war sie auf mehrere große Platinen aufge­teilt und bestand neben vielen herkömm­lichen elek­troni­schen Bautei­len aus 1200 Tran­sistoren. Der Magnet­kern-​Haupt­speicher sah aus wie ein Lüfter und umfaßte 96 Byte, das sind 768 Bit organ­isiert in 16 Zahlen zu 48 Bit. Das sind 10 BCD-​Zif­fern sowie 8 Bit für das Vorzei­chen und die Posi­tion des Dezimal­punktes. Jedes Bit war einzeln als Ring zu sehen, durch den vier Drähte gingen.

Der Bild­schirm bestand aus 10 Dezimal-​Anzeige-​Röhren und einer für das Vor­zeichen. Sobald sie nicht mehr flacker­ten, war die Arbeit bendet oder eine weitere Eingabe erforder­lich, für die es bereits eine Tastatur gab. Das absolut beste an dem Rechner war aber sein Programm­speicher, eine Klappe mit 480 Kontakten, in die man eine normale Lochkarte einlegen konnte. Auf ihr waren 80 Befehle in 6 Bit Breite möglich.

Ich erinnere mich gerne an diesen Rechner, weil ich für ihn mein erstes Programm geschrieben habe, das von wirk­lichem Nutzen war und an die Grenzen der Mög­lich­keiten ging, nämlich drei Gleich­ungen mit drei Unbe­kannten zu lösen. Das mag heute als Pipifax erschei­nen, doch bedenke man bitte, daß 12 Para­meter einzu­lesen waren, wonach nur etwa 60 Befehle zur Lösung in nur noch vier freien Spei­cher­plätzen blieben. Die Lösung bestand natür­lich in einer rekursiven Vorge­hens­weise, die 12 Para­meter viermal zyklisch zu ver­schieben, um so befehls­sparend die Deter­minanten der vier 3×3‑Ma­tri­zen zu berechnen, die dann mit drei Divi­sionen zum Ergebnis führten.

Leider habe ich dieses Programm nicht mehr. Es war sehr nütz­lich, denn es waren stets drei Gleich­ungen mit drei Unbe­kannten zu lösen, wollte man aus drei Ver­suchs­färbungen die Zutaten für eine weitere berechnen, die mög­lichst genau den vorge­gebenen Farbton trifft. Aber dafür konnte der Rechner nicht ange­schafft worden sein, denn keiner konnte wissen, daß im Labor ein Lehr­ling herum­läuft, der auf ihm drei Gleich­ungen mit drei Unbe­kannten zu lösen in der Lage war. Und an eine mitge­kaufte Programm­biblio­thek kann ich mich nicht erinnern. Wahr­schein­lich sollte der Rechner einem profa­neren Zweck dienen, nämlich die mecha­nische Rechen­maschine ablösen und die eine oder andere Rechnung verein­fachen. Zum Beispiel:

Will man mit einer mecha­nischen Rechen­maschine oder dem Bill-​Gates-​Rechner von zehn Meß­werten nicht nur den Mittel­wert, sondern auch die Streu­ung berech­nen, so gehen die meisten immer noch so vor wie wir als Lehr­linge: Die zehn Werte werden addiert und durch 10 geteilt. Das liefert den Mittel­wert, der von allen Meß­werten abge­zogen wird. Diese zehn Diffe­renzen werden qua­driert und führen wie­derum addiert auf die Streu­ung. Bei diesem Ver­fahren muß leider jeder Meßwert zweimal einge­geben werden. Wer sich aus­kannte, wußte natür­lich, daß man Meß­werte und ihre Quadrate parallel addieren kann, um aus ihnen zum Schluß Mittel­wert und Streu­ung zu berechnen. Doch wo war auf einer Rechen­maschine der dazu nötige zweite Zwischen­speicher, und wo das Programm zum Abspulen der immer gleichen Opera­tionen? Antwort: Auf dem LOCI‑2!

[1] Rick Bensene: Wang LOCI-2. The Old Calculator Museum.

Bernd Pol | Anfang und Ende

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