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Gratismut
wuerg, 19.01.2024 13:14
Ehrlich gesagt war ich schon überrascht, wieviele in den letzten Tagen an zahlreichen Orten gegen die AfD und ihre Remigrations-Pläne auf die Straße gingen. Ich habe die Demokraten mit ihrer Willkommens-Kultur träger und selbstgefälliger eingeschätzt. Nun prahlen sie mit vollen Plätzen, die von Bauern nur dank mächtiger Traktoren gefüllt wurden.
Beide Gruppen stellen natürlich eine Minderheit der Gesamtbevölkerung dar. Doch Bauern verlassen ihren Hof und fahren meilenweit, um ihre Forderungen vorzutragen. Die Demonstranten der letzten Tage müssen nur vor die Haustür treten. Bei den Bauern erscheint nur Lindner. Bei den Demokraten zumeist gar keine Bundespolitiker, es sei denn sie müssen ebenfalls nur vor die Tür treten, wie Scholz und Baerbock nur einen Schal umwerfen und einen Fotografen bezahlen.
Mut ist dazu nur in bescheidenem Umfange erforderlich, schon gar nicht den der in Anspruch genommenen Widerstandskämpfer des Dritten Reiches. Die einen opfern Diesel, Geld und Arbeitszeit oder müssen für einfache Verbeugungen im Dienst mit Konsequenzen rechnen. Die anderen werden beschützt und von der Obrigkeit belobigt, sie zeigen Gratismut.
Beide Gruppen stellen natürlich eine Minderheit der Gesamtbevölkerung dar. Doch Bauern verlassen ihren Hof und fahren meilenweit, um ihre Forderungen vorzutragen. Die Demonstranten der letzten Tage müssen nur vor die Haustür treten. Bei den Bauern erscheint nur Lindner. Bei den Demokraten zumeist gar keine Bundespolitiker, es sei denn sie müssen ebenfalls nur vor die Tür treten, wie Scholz und Baerbock nur einen Schal umwerfen und einen Fotografen bezahlen.
Mut ist dazu nur in bescheidenem Umfange erforderlich, schon gar nicht den der in Anspruch genommenen Widerstandskämpfer des Dritten Reiches. Die einen opfern Diesel, Geld und Arbeitszeit oder müssen für einfache Verbeugungen im Dienst mit Konsequenzen rechnen. Die anderen werden beschützt und von der Obrigkeit belobigt, sie zeigen Gratismut.
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Juli Zeh
wuerg, 12.01.2024 21:12
In meiner Stadtrandbibliothek mit ihren Spiegel-Bestsellern griff ich zu „Zwischen Welten“ von Juli Zeh und Simon Urban. [1] Der Roman besteht aus einem papierlosen Schriftwechsel zwischen einem Chefredakteur und einer Bäuerin. Ersterer gibt aus Überzeugung und Ehrgeiz dem Druck woker Rotzgören nach, letztere radikalisiert sich nach rechts bis zur einer öffentlichen Ohrfeige. Es ist ein Dialog und Streit zwischen den beiden Polen unserer Gesellschaft, die kein Mittelmaß, kein gemischtes oder ausgewogenes Urteil zuläßt: „Wenn du deine Seite nicht wählst, tun es die anderen für dich.“ [1, S. 239]
Als die beiden das Buch schrieben, konnten sie die Aktualität des Themas allenfalls erahnen. Auch ich wußte vorher nicht, daß es wie die Faust aufs Auge zu den aktuellen Protesten der Bauern paßt. Die reichen kommen nicht vor, nur die armen, die nicht wissen, ob sie statt Kühe zu melken und Getreide anzupflanzen lieber Biogas erzeugen, Benzin anbauen oder gar CO₂-Zertifikate unterpflügen sollen.
Was mir wie in vielen Romanen nicht gefiel ist, daß nach langer Entwicklung und Beschreibung alles recht schnell einem konstruierten Ende zustrebt: Ein Bild von der Ohrfeige kommt ganz zufällig auf die Titelseite der Erstausgabe. Aber wenigstens endet es nicht mit sich andeutendem Sex.
[1] Zeh, Urban: Zwischen Welten. Luchterhand, 2023.
Als die beiden das Buch schrieben, konnten sie die Aktualität des Themas allenfalls erahnen. Auch ich wußte vorher nicht, daß es wie die Faust aufs Auge zu den aktuellen Protesten der Bauern paßt. Die reichen kommen nicht vor, nur die armen, die nicht wissen, ob sie statt Kühe zu melken und Getreide anzupflanzen lieber Biogas erzeugen, Benzin anbauen oder gar CO₂-Zertifikate unterpflügen sollen.
Was mir wie in vielen Romanen nicht gefiel ist, daß nach langer Entwicklung und Beschreibung alles recht schnell einem konstruierten Ende zustrebt: Ein Bild von der Ohrfeige kommt ganz zufällig auf die Titelseite der Erstausgabe. Aber wenigstens endet es nicht mit sich andeutendem Sex.
[1] Zeh, Urban: Zwischen Welten. Luchterhand, 2023.
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Frank Schätzing
wuerg, 03.01.2024 21:12
Ich habe mich tatsächlich hinreißen lassen und noch vor Weihnachten geschafft, den Schwarm von Frank Schätzing¹ insofern vollständig zu lesen, als ich nur kurze Abschnitte gähnender Langeweile ausließ. Ich hatte keine Verfilmung gesehen, keine Zusammenfassung oder Rezension gelesen, konnte mir aber anhand des Titels und vom Hörensagen vorstellen, um was es geht. Nach wenigen Seiten war mir auch genauer klar, auf was es nach 1000 hinauslaufen wird, was die schlichte Botschaft sein soll.
Besonders enttäuschend fand ich, daß mehrfach Geschichten und Filme mit der Kritik erwähnt werden, sie malten schwarz-weiß, gute Wissenschaftler gegen böses Militär. Und dann ist es genau das! Dazu noch wie in einem Action-Film dauernd wechselnde Schauplätze, bekannte Orte, überhebliche Amerikaner, viele Tote, überlebende Einzelkämpfer, Erfolg durch eine Wunderwaffe, eine singuläre und trotz aller Hindernisse geglückte Handlung eines einzelnen.
Da wundert es nicht, daß die von mir im Nachgang zur Kenntnis genommenen Beurteilungen kein Mittelmaß kennen. Dennoch gemittelt und auf Schulnoten umgerechnet nur eine Vier plus für das Buch, nicht die ZDF-Verfilmung, mit der Frank Schätzing unzufrieden war. Das scheint mir modernes Gehabe. Wäre Goethe auch unzufrieden? Oder kennte er den Unterschied zwischen einem langatmigen Roman und einer kurzweiligen Verfilmung?
Eines hat er aber dadurch bewirkt. Wer nach Schätzing, Schwarm und Kritik googelt, wird mit diesem Streit zugemüllt. Zaghafte negative Einlassungen zum Roman selbst habe ich allenfalls in sehr frühen Rezensionen gefunden. Es wurde auch der moderne Vorwurf laut, plagiiert zu haben. Doch was denken die Menschen? Daß man in einem Roman mit derart vielen Details glänzen kann, ohne sich Informationen beschafft zu haben, die im Ergebnis wie abgeschrieben wirken und vielleicht auch sind?
Ich hätte zur Einordnung gleich nur den mit „Dank“ überschriebenen Abgesang lesen sollen, in dem einer endlosen Reihe wichtiger Menschen (nicht Yrr) für ihre Unterstützung gedankt wird. Er wird eingeleitet mit den bescheidenen Worten: „Auf über 1.000 Seiten ‒ prallvoll mit Wissen und Wissenschaft ‒ sollte man die Einflüsse vieler kluger Leute erwarten, und so ist es auch.“
1 Frank Schätzing: Der Schwarm. Kiepenheuer & Witsch, 2004.
Besonders enttäuschend fand ich, daß mehrfach Geschichten und Filme mit der Kritik erwähnt werden, sie malten schwarz-weiß, gute Wissenschaftler gegen böses Militär. Und dann ist es genau das! Dazu noch wie in einem Action-Film dauernd wechselnde Schauplätze, bekannte Orte, überhebliche Amerikaner, viele Tote, überlebende Einzelkämpfer, Erfolg durch eine Wunderwaffe, eine singuläre und trotz aller Hindernisse geglückte Handlung eines einzelnen.
Da wundert es nicht, daß die von mir im Nachgang zur Kenntnis genommenen Beurteilungen kein Mittelmaß kennen. Dennoch gemittelt und auf Schulnoten umgerechnet nur eine Vier plus für das Buch, nicht die ZDF-Verfilmung, mit der Frank Schätzing unzufrieden war. Das scheint mir modernes Gehabe. Wäre Goethe auch unzufrieden? Oder kennte er den Unterschied zwischen einem langatmigen Roman und einer kurzweiligen Verfilmung?
Eines hat er aber dadurch bewirkt. Wer nach Schätzing, Schwarm und Kritik googelt, wird mit diesem Streit zugemüllt. Zaghafte negative Einlassungen zum Roman selbst habe ich allenfalls in sehr frühen Rezensionen gefunden. Es wurde auch der moderne Vorwurf laut, plagiiert zu haben. Doch was denken die Menschen? Daß man in einem Roman mit derart vielen Details glänzen kann, ohne sich Informationen beschafft zu haben, die im Ergebnis wie abgeschrieben wirken und vielleicht auch sind?
Ich hätte zur Einordnung gleich nur den mit „Dank“ überschriebenen Abgesang lesen sollen, in dem einer endlosen Reihe wichtiger Menschen (nicht Yrr) für ihre Unterstützung gedankt wird. Er wird eingeleitet mit den bescheidenen Worten: „Auf über 1.000 Seiten ‒ prallvoll mit Wissen und Wissenschaft ‒ sollte man die Einflüsse vieler kluger Leute erwarten, und so ist es auch.“
1 Frank Schätzing: Der Schwarm. Kiepenheuer & Witsch, 2004.
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Böllerei
wuerg, 31.12.2023 20:15
Vor drei Monaten wollte ich im Polizeirevier anfragen, was gegen die ständige Böllerei unternommen würde. Da ich keinen Briefkasten vorfand und keine Lust hatte, mir am Tresen etwas von Überlastung und anderen Schwierigkeiten anzuhören, beruhigte ich mich in der Hoffnung, das würde sich legen wie jede andere ‚Challenge‘ verblöderter Jugendlicher. Das war aber nicht der Fall.
Vor einem Monat erzählte ich beiläufig von meinem Ansinnen und wurde in die Nähe eines Blockwartes gerückt. Warum soll ich mich also anstrengen für eine Bevölkerung, der abgesehen von ein paar älteren Mitbürgern, die erfolglos bei der Polizei anriefen, alles am Arsch vorbei geht, bis es nur schwer reversible Ausmaße angenommen hat?
Mich stört Lärm an sich nicht. Einjährige Wärmedämmungsmaßnahmen an meinem Wohnhaus mit Fahrstuhl direkt vor dem Balkon sah ich als Abwechselung, auch wenn die Fensteraustauscher mir Corona eintrugen und ich nun zur Paradegruppe der Impfgegner gehöre: Viermal geimpft und trotzdem einmal genesen.
Selbst leise Geräusche dagegen, die auf asoziales Verhalten deuten, rufen in mir Abscheu und Verärgerung hervor. Beides relativiere und ertrage ich, sobald sich der Gedanke breit macht und ich ihn erneut verinnerliche, daß die Polizei sich als Tanztruppe in der Sozialarbeit versteht und das Gros der Bevölkerung nicht den Arsch hochkriegt, es also nicht besser verdient hat.
So sehe und vor allem höre ich leidenschaftslos, daß sich die seit drei Monaten anhaltende gelegentliche Böllerei seit Tagen zu einer permanenten Hintergrundknallerei gesteigert hat, die seit gestern, erst recht heute anmutet, als sei das neue Jahr gerade einmal zehn Sekunden alt. [1] Nun erwarte ich die Berichte über Ausschreitungen, die über die bereits in Berlin abgefackelten Autos hinaus gehen.
Um mir nicht sagen zu lassen, mich am Neujahrstag nachgängig zu beklagen, schreibe ich nicht nur dies noch im alten Jahr, sondern auch der Polizei meiner Stadt: „Rücksichtslosigkeiten zu verhindern ist zumeist nicht Aufgabe der Polizei, sie hielten sich aber in Grenzen, wenn die eindeutigen Ruhestörungen und andere Übergriffe geahndet würden. Das scheint mir kaum der Fall. Egal ob wegen Unvermögens, Unwilligkeit, Überlastung oder Vorgabe von oben. ... Und wenn Sie in 2024 weiterhin nichts unternehmen, dann wird es irgendwann Bürgerwehren geben, die nicht nur links und recht gucken, ob die Grünanlagen sauber sind. Das will keiner.“
[1] Das ist natürlich übertrieben, denn bis jetzt wurden vielleicht 10 Prozent dessen abgefackelt, was um Mitternacht binnen einer halben Stunde über den Jordan geht. Aber dank des menschlichen Gehörs entsprechen 10 Prozent der vielleicht mittleren 60 Dezibel eine halbe Stunde lang 33 auf einen Tag verteilt und 13 auf drei Monate. Das ist zwar nahe der Hörbarkeitsgrenze und ginge im Alltagsgeräusch unter, wären Knaller nicht punktuelle Ereignisse von erheblicher Lautstärke, weit über dem, was der Mensch im Wachzustand ausblenden kann.
Vor einem Monat erzählte ich beiläufig von meinem Ansinnen und wurde in die Nähe eines Blockwartes gerückt. Warum soll ich mich also anstrengen für eine Bevölkerung, der abgesehen von ein paar älteren Mitbürgern, die erfolglos bei der Polizei anriefen, alles am Arsch vorbei geht, bis es nur schwer reversible Ausmaße angenommen hat?
Mich stört Lärm an sich nicht. Einjährige Wärmedämmungsmaßnahmen an meinem Wohnhaus mit Fahrstuhl direkt vor dem Balkon sah ich als Abwechselung, auch wenn die Fensteraustauscher mir Corona eintrugen und ich nun zur Paradegruppe der Impfgegner gehöre: Viermal geimpft und trotzdem einmal genesen.
Selbst leise Geräusche dagegen, die auf asoziales Verhalten deuten, rufen in mir Abscheu und Verärgerung hervor. Beides relativiere und ertrage ich, sobald sich der Gedanke breit macht und ich ihn erneut verinnerliche, daß die Polizei sich als Tanztruppe in der Sozialarbeit versteht und das Gros der Bevölkerung nicht den Arsch hochkriegt, es also nicht besser verdient hat.
So sehe und vor allem höre ich leidenschaftslos, daß sich die seit drei Monaten anhaltende gelegentliche Böllerei seit Tagen zu einer permanenten Hintergrundknallerei gesteigert hat, die seit gestern, erst recht heute anmutet, als sei das neue Jahr gerade einmal zehn Sekunden alt. [1] Nun erwarte ich die Berichte über Ausschreitungen, die über die bereits in Berlin abgefackelten Autos hinaus gehen.
Um mir nicht sagen zu lassen, mich am Neujahrstag nachgängig zu beklagen, schreibe ich nicht nur dies noch im alten Jahr, sondern auch der Polizei meiner Stadt: „Rücksichtslosigkeiten zu verhindern ist zumeist nicht Aufgabe der Polizei, sie hielten sich aber in Grenzen, wenn die eindeutigen Ruhestörungen und andere Übergriffe geahndet würden. Das scheint mir kaum der Fall. Egal ob wegen Unvermögens, Unwilligkeit, Überlastung oder Vorgabe von oben. ... Und wenn Sie in 2024 weiterhin nichts unternehmen, dann wird es irgendwann Bürgerwehren geben, die nicht nur links und recht gucken, ob die Grünanlagen sauber sind. Das will keiner.“
[1] Das ist natürlich übertrieben, denn bis jetzt wurden vielleicht 10 Prozent dessen abgefackelt, was um Mitternacht binnen einer halben Stunde über den Jordan geht. Aber dank des menschlichen Gehörs entsprechen 10 Prozent der vielleicht mittleren 60 Dezibel eine halbe Stunde lang 33 auf einen Tag verteilt und 13 auf drei Monate. Das ist zwar nahe der Hörbarkeitsgrenze und ginge im Alltagsgeräusch unter, wären Knaller nicht punktuelle Ereignisse von erheblicher Lautstärke, weit über dem, was der Mensch im Wachzustand ausblenden kann.
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Katharina Zweig
wuerg, 19.12.2023 23:29
Meine Stadtrandbibliothek bietet vor allem Spiele, Kinderbücher, DVD und Bahnhofsliteratur, aber auch Spiegel-Bestseller. So griff ich zu einem Buch von Katharina Zweig. [1]
Es ist ja ganz lustig von den vielen Fällen zu lesen, in denen die KI versagt hat: Falsche Kreditwürdigkeit, dunkle Gesichter nicht erkannt, Weg falsch, trotz Alibi verhaftet, massenweise falsch-positiv, Uber-Unfall, Stoppschild nicht erkannt, um nur einige zu nennen. Lasse ich aber sowohl die recht schlichten, die falsch trainierten, die arglos eingesetzten und überforderten Systeme als auch menschliches Versagen außen vor, bleibt nur wenig:
Eigentlich nur ChatGPT und Konsorten, die zwar auch nicht mit Faktenkenntnis und Konsistenz glänzen, aber dem geneigten Anwender viel Arbeit abnehmen können. Ein Kollege sagte angesichts eines ersten Schach spielenden Taschenrechners, es interessiere in wenig, wie gut er spiele, sei aber beeindruckt, daß er nur korrekte Züge mache. Das kann ChatGPT nicht, aber überwältigend ist die einwandfreie Sprache und die formale Erfüllung der gestellten Aufgabe.
Dagegen würde ich Systeme, die allenthalben zur Einstufung, Selektion oder Bilderkennung eingesetzt werden, zumeist nicht als KI-Systeme bezeichnen, insbesondere nicht solche, die aus wenigen am PC eingehackten Daten mit einem Informationsgehalt von ein paar Dutzend Bit Einstufungen ableiten. Soweit waren wir schon vor dreißig Jahren, da ich nach einer schönen Fortbildung zu damaligen KI-Systemen ganz normal mit PL/I weitergemacht habe. Geblieben ist mir nur ein Buch. [2]
[1] Katharina Zweig: Die KI war's! Heine, 2023. Der Titel erinnert mich daran, wie sehr für den Endbenutzer immer der Computer und für den Auftraggeber der Programmierer schuld war. Nie die falsche Erwartung und Bedienung, nie ungenaue Vorgaben und mangelhafte Hilfsmittel.
[2] Michael Eisenberg: programming in Scheme. The Scientific Press, 1988. Die Effekthascherei beginnt schon mit dem kleinen P im Titel. Und Scheme ist auch nur eine Programmiersprache, um das zu basteln, was man damals schon KI nannte und auf eine 5‑1/4-Zoll-Diskette paßte.
[3] Helmar Frank (Hrg.): Kybernetik - Brücke zwischen den Wissenschaften. Umschau Verlag, Frankfurt, 3. Auflage, 1962. Aus dem Umschlagtext: „Für die Kybernetik ist kennzeichnend, daß mathematische Methoden in wissenschaftliche Bereiche eindringen, in denen sie bisher als nicht praktikabel erschienen, z. B. in Physiologie, Psychologie und Soziologie.“ Dagegen ist der heutige Anspruch der KI doch recht bescheiden.
Es ist ja ganz lustig von den vielen Fällen zu lesen, in denen die KI versagt hat: Falsche Kreditwürdigkeit, dunkle Gesichter nicht erkannt, Weg falsch, trotz Alibi verhaftet, massenweise falsch-positiv, Uber-Unfall, Stoppschild nicht erkannt, um nur einige zu nennen. Lasse ich aber sowohl die recht schlichten, die falsch trainierten, die arglos eingesetzten und überforderten Systeme als auch menschliches Versagen außen vor, bleibt nur wenig:
Eigentlich nur ChatGPT und Konsorten, die zwar auch nicht mit Faktenkenntnis und Konsistenz glänzen, aber dem geneigten Anwender viel Arbeit abnehmen können. Ein Kollege sagte angesichts eines ersten Schach spielenden Taschenrechners, es interessiere in wenig, wie gut er spiele, sei aber beeindruckt, daß er nur korrekte Züge mache. Das kann ChatGPT nicht, aber überwältigend ist die einwandfreie Sprache und die formale Erfüllung der gestellten Aufgabe.
Dagegen würde ich Systeme, die allenthalben zur Einstufung, Selektion oder Bilderkennung eingesetzt werden, zumeist nicht als KI-Systeme bezeichnen, insbesondere nicht solche, die aus wenigen am PC eingehackten Daten mit einem Informationsgehalt von ein paar Dutzend Bit Einstufungen ableiten. Soweit waren wir schon vor dreißig Jahren, da ich nach einer schönen Fortbildung zu damaligen KI-Systemen ganz normal mit PL/I weitergemacht habe. Geblieben ist mir nur ein Buch. [2]
[1] Katharina Zweig: Die KI war's! Heine, 2023. Der Titel erinnert mich daran, wie sehr für den Endbenutzer immer der Computer und für den Auftraggeber der Programmierer schuld war. Nie die falsche Erwartung und Bedienung, nie ungenaue Vorgaben und mangelhafte Hilfsmittel.
[2] Michael Eisenberg: programming in Scheme. The Scientific Press, 1988. Die Effekthascherei beginnt schon mit dem kleinen P im Titel. Und Scheme ist auch nur eine Programmiersprache, um das zu basteln, was man damals schon KI nannte und auf eine 5‑1/4-Zoll-Diskette paßte.
[3] Helmar Frank (Hrg.): Kybernetik - Brücke zwischen den Wissenschaften. Umschau Verlag, Frankfurt, 3. Auflage, 1962. Aus dem Umschlagtext: „Für die Kybernetik ist kennzeichnend, daß mathematische Methoden in wissenschaftliche Bereiche eindringen, in denen sie bisher als nicht praktikabel erschienen, z. B. in Physiologie, Psychologie und Soziologie.“ Dagegen ist der heutige Anspruch der KI doch recht bescheiden.
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get woke, go broke
wuerg, 26.11.2023 20:19
Ich habe auch schon „go woke, get broke“ gelesen. Ursprünglich war es wohl „go woke, go broke“. Ich überlasse es den Anglisten, von denen wir dank endloser amerikanischer Serien ja soviele haben, formale und sprachliche Richtigkeit zu bewerten. Inhaltlich meinen alle Varianten: Wer sich erweckt gebärdet, muß mit seinem Scheitern rechnen. Eine Erfahrung, die viele Firmen bereits gemacht haben sollen.
Früher gab es in der Werbung Schwule am Spülbecken und Frauen, die Mauern einrissen. Das war normale Effekthascherei. Heute werden allenthalben Farbige untergebracht, sei es zur Dekoration wie am veganen Tisch der Rügenwalder Mühle oder gleichberechtigt mit weißem Ehegatten beim Autokauf. Schwule werden nicht nur angedeutet, sondern schwuchteln gestylt auf der Toilette herum, während sie bei Ebay Uhren verkaufen.
Obwohl Werbung nie Lebensrealität abbildete, fallen die modernen woken Deviationen auf. Sie sollen es auch, sie schaffen Aufmerksamkeit und senden eine Botschaft: Wir sind modern, wir sind achtsam, kauft bei uns! Ob sich das auszahlt, sei dahingestellt. Insbesondere, wenn man einen farbigen Mann hinter einer weißen Frau gehend Kleidung von Aldi präsentieren läßt und somit spontane Assoziationen der Kunden weckt.
Farbige Fotomodelle haben Konjunktur, doch die evangelische Kirche kommt ohne sie aus. Ihnen reicht ein queerer Gott, der keine Zeit mehr hat und sich ans Klima klebt. [1] Das ist keine Werbestrategie, sondern Überzeugung. Nur wird diese Anbiederung an den Zeitgeist den Schrumpfungsprozeß nicht aufhalten. Ich würde lieber auf einen kleinen harten Kern setzen als mich an eine undankbare Letzte Generation kleben.
[1] Susanne Gaschke: Evangelischer Kirchentag in Deutschland: Klima ist wichtiger als Gott. NZZ, 12.06.2023.
Früher gab es in der Werbung Schwule am Spülbecken und Frauen, die Mauern einrissen. Das war normale Effekthascherei. Heute werden allenthalben Farbige untergebracht, sei es zur Dekoration wie am veganen Tisch der Rügenwalder Mühle oder gleichberechtigt mit weißem Ehegatten beim Autokauf. Schwule werden nicht nur angedeutet, sondern schwuchteln gestylt auf der Toilette herum, während sie bei Ebay Uhren verkaufen.
Obwohl Werbung nie Lebensrealität abbildete, fallen die modernen woken Deviationen auf. Sie sollen es auch, sie schaffen Aufmerksamkeit und senden eine Botschaft: Wir sind modern, wir sind achtsam, kauft bei uns! Ob sich das auszahlt, sei dahingestellt. Insbesondere, wenn man einen farbigen Mann hinter einer weißen Frau gehend Kleidung von Aldi präsentieren läßt und somit spontane Assoziationen der Kunden weckt.
Farbige Fotomodelle haben Konjunktur, doch die evangelische Kirche kommt ohne sie aus. Ihnen reicht ein queerer Gott, der keine Zeit mehr hat und sich ans Klima klebt. [1] Das ist keine Werbestrategie, sondern Überzeugung. Nur wird diese Anbiederung an den Zeitgeist den Schrumpfungsprozeß nicht aufhalten. Ich würde lieber auf einen kleinen harten Kern setzen als mich an eine undankbare Letzte Generation kleben.
[1] Susanne Gaschke: Evangelischer Kirchentag in Deutschland: Klima ist wichtiger als Gott. NZZ, 12.06.2023.
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Gott ist queer
wuerg, 24.11.2023 00:31
Ich habe es nun Monate aufgeschoben, doch bald wird die evangelische Kirche mich als Mitglied verlieren. Nicht wegen der Kirchensteuer, die ich als Bezieher leistungslosen Einkommens zahle, sondern anläßlich einer Kirchenzeitung, auf deren Titelseite ein als Engel verkleidetes CSD-Männchen mit den Worten prankt: Kirche ist bunt.
Auf dem Bauch des Abgebildeten eine tätowierte oder aufgeklebte Internetadresse, über die ich erfuhr, daß es sich um einen Lokführer handelt, der darunter leidet, einen Menschen überfahren zu haben. Ich gönne ihm die bescheidene Publizität. Und er hat für das Bild hoffentlich etwas Geld bekommen. Er hat es sich verdient, denn nur wegen seines Bildes schlug ich das Blättchen auf.
Im Editoral heißt es über den örtlichen CSD: „Es waren auch Pastor*in und Engel da.“ Und auf dem Schlußgottesdienst des Kirchentages soll „Gott ist queer“ viel Begeisterung, aber auch Entrüstung und Hetze hervorgerufen haben. Auch Lobhudeleien? Nach „wir finden die Predigt so eindrucksvoll, dass wir sie komplett abgedruckt haben“ nahm das Unheil seinen Lauf. Ich habe sie gelesen:
Zunächst machte Pastor Quinton Ceasar meinen zweiten Trauspruch nieder, der sich in vielen, letztlich auch negativen Aspekten bewahrheitete: „Dieses melodische »Alles hat seine Zeit« - das ruft bei mir Unbehagen hervor.“ Weil es Aktivist*innen und Marginalisierte vertröste. Sie wollen jetzt die ganze Hand, nachdem sie den Finger zu fassen bekamen. Und weiter: „Wir können nicht mehr warten. Nicht bis morgen oder nächste Woche. [...] Jesus sagt nicht »Alles hat seine Zeit«, Jesus sagt: »Jetzt ist die Zeit!«“
Wer nicht Opfer ist, gehört zumeist zu den Happyländer*innnen, die „sagen «Gott liebt uns doch alle gleich du« [...] »ich sehe keine Hautfarbe, keine Behinderung, kein Geschlecht.«“ [1] Man will also unterschiedlich und vor allem als Opfer gesehen werden, ohne als weißer Happyländer Unterschiede diskutieren, ja nur bezeichnen zu dürfen. „Wir vertrauen eurer Liebe nicht! Wir haben keine sicheren Orte, in euren Kirchen!“ Auch ich bin dort nicht mehr vor ihnen sicher.
„Jetzt ist die Zeit zu sagen: wir sind alle die Letzte Generation. Jetzt ist die Zeit zu sagen: Black lives always matters. Jetzt ist die Zeit zu sagen: Gott ist queer.“ Ja, Gott ist intersektional, Frau und schwul. Er schuf den Menschen nach seinem Bilde. Seinem Bilde von was? Oder war es ihr oder ems Bild?
[1] Für die queeren Anführungszeichen «...« kann der Redner natürlich nichts. Auch Ausrufezeichen hat er nicht unbedingt gesprochen.
Auf dem Bauch des Abgebildeten eine tätowierte oder aufgeklebte Internetadresse, über die ich erfuhr, daß es sich um einen Lokführer handelt, der darunter leidet, einen Menschen überfahren zu haben. Ich gönne ihm die bescheidene Publizität. Und er hat für das Bild hoffentlich etwas Geld bekommen. Er hat es sich verdient, denn nur wegen seines Bildes schlug ich das Blättchen auf.
Im Editoral heißt es über den örtlichen CSD: „Es waren auch Pastor*in und Engel da.“ Und auf dem Schlußgottesdienst des Kirchentages soll „Gott ist queer“ viel Begeisterung, aber auch Entrüstung und Hetze hervorgerufen haben. Auch Lobhudeleien? Nach „wir finden die Predigt so eindrucksvoll, dass wir sie komplett abgedruckt haben“ nahm das Unheil seinen Lauf. Ich habe sie gelesen:
Zunächst machte Pastor Quinton Ceasar meinen zweiten Trauspruch nieder, der sich in vielen, letztlich auch negativen Aspekten bewahrheitete: „Dieses melodische »Alles hat seine Zeit« - das ruft bei mir Unbehagen hervor.“ Weil es Aktivist*innen und Marginalisierte vertröste. Sie wollen jetzt die ganze Hand, nachdem sie den Finger zu fassen bekamen. Und weiter: „Wir können nicht mehr warten. Nicht bis morgen oder nächste Woche. [...] Jesus sagt nicht »Alles hat seine Zeit«, Jesus sagt: »Jetzt ist die Zeit!«“
Wer nicht Opfer ist, gehört zumeist zu den Happyländer*innnen, die „sagen «Gott liebt uns doch alle gleich du« [...] »ich sehe keine Hautfarbe, keine Behinderung, kein Geschlecht.«“ [1] Man will also unterschiedlich und vor allem als Opfer gesehen werden, ohne als weißer Happyländer Unterschiede diskutieren, ja nur bezeichnen zu dürfen. „Wir vertrauen eurer Liebe nicht! Wir haben keine sicheren Orte, in euren Kirchen!“ Auch ich bin dort nicht mehr vor ihnen sicher.
„Jetzt ist die Zeit zu sagen: wir sind alle die Letzte Generation. Jetzt ist die Zeit zu sagen: Black lives always matters. Jetzt ist die Zeit zu sagen: Gott ist queer.“ Ja, Gott ist intersektional, Frau und schwul. Er schuf den Menschen nach seinem Bilde. Seinem Bilde von was? Oder war es ihr oder ems Bild?
[1] Für die queeren Anführungszeichen «...« kann der Redner natürlich nichts. Auch Ausrufezeichen hat er nicht unbedingt gesprochen.
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