Deutschkubaner
Als Schüler wurden in Röntgen­reihen­unter­suchungen auch von mir Schirm­bilder ange­fertigt. Jetzt sitze ich vor dem Bild­schirm, weil in zusammen­gesetzten Wörtern der deutschen Sprache das Grundwort zumeist rechts steht. Ist x die Bezeich­nung für einen Menschen nach seiner Staats­angehö­rigkeit, so kann ein Zusatz y deutlich machen, welcher Nationa­lität er früher war, zusätz­lich noch ist, woher er, seine Eltern oder auch nur deren Vor­fahren stammen.

Parade­beispiel für eine klare Wortbildung yx ist der Deutsch­amerikaner, der sich selbst­verständ­lich als Ameri­kaner x fühlt, aber auf seine deutsche Abstam­mung y wert legt, evtl. auch deut­sches Brauchtum pflegt. Legt man deutsch genügend weit aus, bilden sie die größte Gruppe nach den Anglo­ameri­kanern. Die Afroame­rikaner fallen nur mehr auf.

Für Deutsche mit den berühmten auslän­dischen Wurzel sind analoge Zusammen­setzungen yx weniger gebräuchlich, auch wenn es Rußland­deutsche und in letzter Zeit auch poli­tisch korrekte Afro­deutsche gibt, die bisher einfach Deutsch­afrikaner hießen. Verwech­selungs­gefahr besteht nicht, da sich für Deutsche in Afrika keiner inter­essiert.

Wenn wir gerne umge­kehrt von xy sprechen, so hat das zumeist lautliche Gründe, sofern es sich um alte Bildungen aus der Zeit sprach­licher Unschuld handelt. Heute wollen solche Wörter korrekt abge­wogen sein. Trotzdem ist aktuell ist der Deutsch­kubaner in aller Munde. Der laut Joachim Hermann wunder­bare Neger Roberto Blanco ist seit 1971 Deutsch­kubaner (xy), denn seine Eltern sind beide Afro­kubaner (yx).

So wie die Bezeich­nung Deutsch­kubaner für Roberto Blanco wenig informativ ist, so entsteht auch kein Deutsch­kubaner, wenn eine deutsche Frau ein Kind von einem Kubaner gebiert, der genetisch nicht weit entfernt von Fidel Castro ist. Nie würde ich mich als Halbjude sehen, wenn nach Jahr­zehnten heraus­käme, daß die leib­lichen Eltern meiner Mutter nicht nur einen jüdischen Namen trugen. Ich bleibe einfach deut­scher Nach­fahre von Norddeut­schen, Ostpreußen, Germanen, Römern, Wikingern und Neander­talern.

Man wird auch kein Linker durch den Besuch eines Gratis­konzertes gegen Rechts. Auch nicht posthum, wenn man den Springer­stiefeln entwachsen mit Kunst­glatze auf Face­book einen linken Daumen gehoben oder eine fernöst­liche Weisheit absondert hatte. Ich muß mir noch einmal überlegen, welche Instru­mentali­sierung mir im Himmel lieber gewesen wäre, hätte mich die RAF wegge­sprengt: Die Unzufrie­denheit des Volkes bis an den rechten Rand oder ein linkes Image wegen langer Haare und rotem Pullover.

Zurück zur entlar­venden Sprache. Je mehr man sich in den Bereich begibt, da sich die x aus y gar nicht als x sehen und y vor sich hertragen, wird die Bezeich­nung xy dem Standard yx vorgezogen, das Hauptgewicht auf y gelegt. Harmlos war es bei den Deutsch­italienern, zumal Italo­deutscher wie ein schlechter Film klingt. Später ging es weiter mit den Deutsch­türken, die bezeich­nender­weise oft nur in Deutsch­land lebende Türken heißen. Irgend­wann wird es wie für die Afro­deut­schen eine poli­tisch korrekte Bezeich­nung für sie geben.

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Hetzjagd
Jeder normale Mensch kennt den Unter­schied zwischen jagen und verjagen, auch zwischen einer normalen und einer Hetz­jagd, bei der das Opfer verfolgt wird, bis es in die Enge getrieben oder erschöpft ist. Wer so jung ist, dies nicht mehr zu wissen, der sollte seinen Blick über den Rand von Face­book und Twitter Richtung Wiki­pedia schweifen lassen.

Jeder normale Mensch kennt auch den Unter­schied zwischen eine realen Jagd auf Menschen und Tiere, der Jagd nach dem Glück und der geistigen Jagd mit dem Ziel, Denk­gebäude anderer einzu­reißen, ohne sie zu schika­nieren oder körper­lich zu beein­träch­tigen. Zu dieser Jagd hat die AfD aufge­rufen. Dabei kommt es auf beiden Seiten, vom Jäger und vom Gejagten zu beschä­menden Über­trei­bungen.

Wenn man in einer geistigen oder poli­tischen Ausein­ander­setzung gerade mit dem Arsch an der Wand steht, sollte man erwägen, klein­laut stehen zu bleiben, viel­leicht ein Ofer darzu­bieten oder notfalls die Waffen zu stecken, statt unter Getöse den Angreifer noch ein letz­tesmal abzu­wehren, um dann an der nächsten Ecke wieder gestellt zu werden. Am Geldau­tomatem mit Syrern im Rücken sieht das anders aus.

Wir alle wissen, daß es am Rande von Demon­stra­tionen und Menschen­aufläufen zu Gewalt­taten, zu Panik und auch Toten kommen kann, zumeist durch Herz­kasper und Unfälle. In Chemnitz aber war trotz Handy-Seuche nur einziges Filmchen in Sekunden­länge zu sehen, weshalb die Bundes­regie­rung zumin­dest einen spon­tanen Auflauf als Hetz­jagd einstufte. Das war mit dem Arsch an der Wand dumm, weil nur die immer weniger werdenden Jünger einen solchen Schwach­sinn glauben. [1,2]

Und nun ist es passiert: Auch der "sprach­lose Schwätzer" [3] Kretschmer, der beim Bürger­gespräch durch verle­genes Auswei­chen und bei Anne Will durch freche Bevor­mun­dungen auffiel, hat zuge­geben oder besteht sogar darauf, daß es in Chemnitz "keinen Mob, keine Hetz­jagd und keine Pogrome" gab. Natür­lich im Verein mit Beschimp­fung von Rechten, Relati­vierung von Chemnitz auf ganz Deutsch­land und Auffor­derung an die auf seiner Seite gewähnte schwei­gende Mehr­heit. Mit dem Arsch an der Wand müssen eben Opfer gebracht werden, auch wenn sie Merkel heißen.

[1] Henryk M. Broder: Chemnitz: Die Regie­rung leistet einen Offen­barungseid. Achgut, 05.09.2018. Darin wird Herr Seibert zitiert: "Ich werde hier keine seman­tische Debatte führen. Wenn die General­staats­anwalt­schaft das sagt [keine Hetz­jagd], dann nehme ich das natür­lich zur Kenntnis." Und wenn Herr Broder in Zukunft nicht nur seine elektro­nische Post klein schreibt, dann kann ich ihn nicht mehr lesen. Das ist ja schlimmer als Stern, Unter­strich und Binnen­versalien zusammen!
[2] Am schmie­rigsten fand ich den beleh­rend menschen­deln Lanz, der noch nicht die Sprache gefunden hat, gewisse Dinge zu artiku­lieren und es nicht für möglich hielt, daß Ausländer über eine vier­spurige Straße getrieben werden. Gut, einer wurde in einem sehr weiten Sprach­sinne auf eine(r) mehr­spurige(n) Fahrbahn gejagt. Nur hat ihn keiner verfolgt, und alle standen auf der Straße, die deshalb nicht befahren wurde.
[3] BRODER ÜBER SACHSENS REGIERUNGSCHEF: "Der Mann ist ein sprach­loser Schwätzer" Welt, 30.08.2018.

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Sommerzeit
Es war noch keine 100 Jahre her, daß in Deutsch­land zur Verein­fachung des Bahn­verkehrs die zeit­liche Klein­staaterei durch eine einheit­liche Mittel­euro­päische Zeit (MEZ) beendet wurde, da kamen auch bundes­deutsche Poli­tiker auf den Trichter, der DDR nachzu­eifern und die um eine Stunde vorge­hende Sommer­zeit (MESZ) einzu­führen, um damit den in Kriegs­zeiten einge­übten und von Nach­barn gepflegten Schwach­sinn ins neue Jahr­tausend zu retten. Der Grund­gedanke bestand in der Hoffnung, die Menschen würden aus reiner Gewohn­heit, aber auch durch Arbeits­zeiten und Tages­schau genötigt im Sommer einfach eine Stunde früher auf­ste­hen und ins Bett zu gehen. Die erhoffte Energie-​Erspar­nis trat nicht ein. Die Men­schen blieben nach der Tages­schau ein­fach eine Stunde länger sitzen. In frühe­ren Zeiten, da um 18:30 der Super­markt, um 22 Uhr die Küche und um 23 Uhr das Lokal schloß, hätte es viel­leicht gefruch­tet.

Ich erinnere mich noch an den ersten Wech­sel zur Sommer­zeit. Eine auto­mati­sche Umstel­lung gab es nicht, den Rech­nern waren Zeit­fürze der gesam­ten Welt unbe­kannt. Ich wollte mich kor­rekt ver­hal­ten und habe zur Sommer­zeit nicht die interne Uhr, sondern nur die Zeit­zone umge­stellt. Gefähr­dete Crontab-​Ein­träge gab es nicht. Daß dadurch alte Dateien nicht mit der Winter­zeit ihrer Erzeu­gung ange­zeigt wur­den, war uner­heb­lich oder gar er­wünscht. Doch dau­erte es nicht lange, bis die erste Schreib­kraft sich über eine fal­sche Uhr­zeit beklagte. Dem deut­schen Text­ver­arbei­tungs­system ging die Zeit­zone am Arsch vor­bei. Es nahm selbst­herr­lich an, in einem Deutsch­land mit Mittel­europä­ischer Zeit zu arbei­ten und schlug der Unix-​Zeit ein­fach eine Stunde zu. Also zurück zu quick an dirty. Sich Arbeit und Gedan­ken machen, viel­leicht sogar systema­tisch vorzu­ge­hen, war wie­der ein­mal für die Katz.

Zu dieser erstmaligen Umstel­lung wei­gerte sich mein Orts­vereins­vor­sit­zen­der, seine Uhr umzu­stel­len, weil es der Regie­rung nicht zukäme, die Zeit zu ändern, auch nicht unter Hel­mut Schmidt. Ich war eben­falls der Mei­nung, man hätte die Tages­schau auf 19 Uhr legen sol­len, gewohnte andert­halb Stunden nach Laden­schluß dann um 17:30. Zur Erinne­rung lasse ich noch heute auf mei­nem Funk­tele­fon die Winter­zeit durch­lau­fen. Faul­heit führte wie so oft zu beque­men, auf den ersten Blick über­lege­nen Ent­schei­dun­gen. Man wollte kein Gesetz ändern, keine Vor­schrift jahres­zeiten­spezi­fisch ge­stal­ten und nutzte aus, daß über­all still­schwei­gend von der gerade gül­tigen Uhr­zeit aus­gegan­gen wird. Die­ses juri­sti­sche Ver­ge­hen an der Zeit hat auch in Deutschl­and Tradi­tion. [1]

Nachdem nun durch jahre­lange Übung und Automati­sie­rung die nächt­li­chen Pro­bleme an den Tagen der Umstel­lung be­herrscht wer­den, kommt man wie­der zur Ver­nunft. Doch nicht voll­stän­dig. Statt zur Normal­zeit zurück­zukeh­ren und sich durch Ver­schie­bung von Uhr­zei­ten dem moder­nen Leben anzu­pas­sen, kommt es mög­li­cher­weise durch Aus­deh­nung der Som­mer­zeit auf das ganze Jahr zu einer dauer­haf­ten Verla­ge­rung nach Osten. Stand früher die Sonne in Ham­burg auch erst um 12:20 am höch­sten, wird es in Zukunft Som­mers wie Win­ters sogar 13:20 sein. Noch eine Stunde bis zur Mekka-​Zeit. [2] Ein Blick in den Rama­dan-​Kalen­der meines türki­schen Gemüse­händ­lers belegt die Dis­kre­panz zur über­kom­me­nen 12‑Uhr-​Noon-​Vor­stel­lung: Im lau­fen­den Jahr 1439 war unter Ögle 13:30 plus­minus zwei Minuten ange­ge­ben. Und ich fragte mich, wie ich sei­ner­zeit mit mei­nem from­men Kommili­to­nen und sei­ner offen­haari­gen Schwe­ster um 20 Uhr ins Thea­ter gehen konnte, wenn er erst beten mußte und wir dann noch in Ruhe seine vorbe­reite­ten Spei­sen aßen? Es muß Mitte Sep­tem­ber gewe­sen sein. Doch in 14 Ta­gen geht die Sonne erst um 19:30 unter. Pro­blemlö­sung: Es gab noch keine Sommer­zeit!

Die Sommerzeit ganz­jäh­rig zu behal­ten und so dauer­haft in UTC+2 weit öst­lich der Orts­zeit zu fallen, ist nicht nur moslem­feind­lich. Es knüpft an die Jahre 1940 bis 1942 an und ver­letzt das Prin­zip, die Zeit­zone des Land­mas­sen­schwer­punk­tes zu wäh­len. So ist es in China ver­nünf­tig und ein­geübt, nur eine Zeit­zone zu haben. Blei­ben aber die Spa­nier und Por­tugie­sen im konti­nen­talen europä­ischen Ver­bund, dann liegen sie ganze zwei Stun­den dane­ben. Ich hoffe, die Eng­län­der wer­den bei ihrer Green­wich Mean Time (GMT) blei­ben. Eine anstän­dige Re­form wäre, über­all die Bary­zen­tri­sche Dynami­sche Zeit TDB einzu­füh­ren. Dann würden die Uhren auf der gan­zen Welt gegen­wär­tig unge­fähr GMT anzei­gen und der Schwach­sinn mit der Datums­grenze ent­fiele. Die Marsi­aner ohne Wohn­sitz in einer Zeit­zone hät­ten die glei­che Zeit. Sie könn­ten damit leben, daß 86400 Se­kunden fast einem Erden­tag entspre­chen, der Mars­tag Sol aber 40 Mi­nu­ten län­ger dau­ert. Und wer jetzt vor­ei­lig die engli­sche weiße Kolo­nial­zeit GMT ab­lehnt, möge beden­ken: Der Längen­grad, des­sen Orts­zeit mit der TDB über­ein­stimmt, wan­dert lang­sam um die Erde herum.

[1] Im ersten und zwei­ten Welt­krieg gab es bereits unre­gelmä­ßig eine Sommer­zeit. Im Jahre 1947 sogar eine um zwei Stun­den ver­scho­bene Hoch­sommer­zeit. Damals mag die Umstel­lung der Uhr das an feste Zei­ten gebun­dene Ver­hal­ten der Men­schen noch mit­genom­men haben.

[2] Rüdiger Soldt: Mekka-Zeit aus Calw. FAZ, 15.02.2012.

Oktoberrevolution

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Evolution
Da sitzen sie nun bei Maybrit Illner und verur­teilen einstimmig die Ausschrei­tungen von Chemnitz. Vier sülzen, nur einer ist die Furcht anzumerken, etwas falsches zu sagen. Ob sie im Verlaufe der Sendung ihre Grundsatz­position zementieren konnte, um auch einmal einen alter­nativen Gedanken zu äußern, weiß ich nicht, denn mir wurde schlecht und mußte abschalten.

Was ich überhaupt nicht hören kann, ist das Gerede von Trauer, die auch zu einer fried­lichen Kund­gebung hätte Anlaß geben dürfen. Doch wenn ich einmal von Verwandten, Bekannten, Arbeits- und Wohn­umfeld abesehe, kann ich keinen Grund erkennen, der einen normal veran­lagten Menschen zur Traurig­keit bewegen sollte, denn Tote, auch Ermordete und in letzter Zeit Gemes­serte sind Alltag unter Millionen von Menschen.

Wut ist daher das rich­tigere Gefühl. Sie gründet nicht auf Mitleid oder persön­licher Betroffenheit. Sie kommt einfach hoch, wenn wieder einmal Verhält­nisse sichtbar werden, die wir nicht wollen, gegen die nichts getan wird, ja verharm­lost werden. Gewiß fallen die meisten eher von einer Haushalts­leiter oder sterben hinter dem Steuer als das sie von einem Gold­stück abge­stochen werden. Doch ist die Evolution offen­sichtlich nicht der Meinung, daß solche Relati­vierungen, Populis­musfrei­heit und gutmensch­liche Ignoranz in jedem Falle zu favori­sieren sind.

Gewiß hat der Mensch es weit gebracht und sich in funktio­nierenden National­staaten so gut organi­siert, daß der Gerech­tigkeit weit­gehend im Detail nachge­gangen werden kann, auch keine Über­griffe oder gar Hetz­jagden geduldet werden müssen, weder in Chemnitz, noch in Hamburg. Aber der Staat kann nicht alles regeln. Vieles bleibt alten Formen der Selbst­organi­sation über­lassen. Dazu gehören vor allem unsere Familien, in die nur ungern einge­griffen wird und in denen viel Unrecht und Gewalt herrscht. Warum regt man sich also über ein paar über­griffige Priester oder Ausländer­schubse­reien auf?

Da die Evolution moralfrei arbeitet, schämt sie sich nicht, in kleinen Bereichen ein Optimum anzu­streben, obgleich viel größere Probleme von ihr nicht in Angriff genommen werden. Sie hat kein besseres Deutsch­land aus Barleys und G20-Gegnern hervor­gebracht, sondern eines mit Rechten und Ausländer­feinden. In uns allen steckt mehr oder minder die Furcht vor dem Fremden. Wie wertvoll diese uns einge­pflanzte Vorsicht ist, können wir seit Jahren zunehmend erkennen. Sie verhindert, von anderen einfach über­schwemmt zu werden.

Jahrtausende hat man in Vertei­digung investiert und Kriege geführt, um nicht von anderen verdrängt zu werden. Und weil man auch selbst gerne andere eroberte, durfte und darf man davon ausgehen, daß die Fremden, die Feinde genauso gestrickt sind. Es ist geradezu menschen­verachtend anzunehmen, die anderen seien Dummköpfe, hättem ihre Schwerter zu Pflug­scharen geschmiedet und seinen begierig, sich unsere Kultur über­stülpen zu lassen.

Der Nationalstaat kann sich zwar in Detail­gerech­tigkeit üben, doch sind alle übrigen Mecha­nismen der Evolu­tion eher statisti­scher Natur. Es ist ganz normal und bisher durch keine gesteu­erte Gesell­schaft überboten, gute und schlechte Erfah­rungen wertend mit allge­meinen Prin­zipien oder Menschen­gruppen zu verbinden. Wenn Frauen vor mir Angst haben, nur weil ich ein Mann bin, so muß ich damit leben und dankbar sein, daß trotz der Gewalt­tätig­keit meiner Geschlechts­genossen unsere Ausrot­tung nicht von evoluti­onärem Vorteil zu sein scheint.

Als Ausländer muß man selbst in Deutschland damit leben, für vieles verant­wortlich gemacht zu werden, was einige Fremde sich leisten: Lärm, Müll, Extra­würste, Messer­steche­reien. So funkti­oniert nun einmal die Evolution. Und es gibt Ausländer, die dieses Prinzip verstanden haben, die nicht belei­digt sind, wenn ihret­wegen eine Frau die Straßen­seite wechselt. Sie wissen: Das gilt nicht mir, sondern meinen hier einge­fallenen Artge­nossen. Ich muß damit leben oder der Situa­tion auswei­chen, zum Beispiel in meiner Heimat.

Früher war auch ich beseelt von umfas­sender Detail­gerech­tigkeit, habe sogar an eine kommu­nistische Gesell­schaft geglaubt. Inzwischen habe ich meinen Frieden mit der Evolu­tion und ihrer Krone, dem Menschen gemacht. Es gibt überall ernorme Reibungs­verluste, in der Familie, in der Schule, zwischen Arm und Reich, zwischen Einhei­mischen und Zugewan­derten. In Erman­gelung wirklich funktio­nierender Alter­nativen gab und gibt es Reli­gionen, Adelige, Super­reiche, die sog. Märkte, National­stolz, Fremden­angst.

Noch immer bin ich der Meinung, den Reichen stünde ihr weit­gehend leistungs­loses Einkommen und ererbter Besitz nicht zu, habe deshalb aber nie den gerne unter­stellten Neid empfunden und bin der Meinung, daß es bei aller Kritik, notwen­digen Beschnei­dungen und dringend erforder­lichen Rege­lungen derzeit kein besseres System zu sehen ist, das sich mit evolu­tionärem Vorteil durch­setzen könnte. Wir müssen damit leben, den Reichen den Arsch zu putzen, um an das Geld zu kommen, was sie moralisch verwerf­lich den weniger Betuchten abge­nommen haben. Eine Alter­native sieht die Evolu­tion derzeit wohl nicht.

Und ich sehe derzeit auch kein System, das mir auf der Straße zu jedem sofort anzeigt, ob er gewalt­bereit ist oder nicht. Auch keines, das Krimi­nelle automa­tisch ausson­dert oder an der Umsetzung ihrer Bösar­tigkeit hindert. Wir können die Gefahr nur stati­stisch mindern, zum Beispiel gefähr­liche Situa­tionen meiden. Aber solange wir uns noch in der Öffentlichkeit bewegen wollen und dürfen, bleibt vor allem die Einschät­zung nach dem Aussehen, so ungerecht sie auch sein mag: Der Tote von Chemitz mag ein netter und hilfs­bereiter Mensch gewesen sein, doch seinem Aussehen nach hätte ich ihm nicht gerne im Dunkeln begegnen wollen.

Das Problem mit unseren anonymen Mitmen­schen kann der einzelne kaum lösen, noch nicht einmal für sich selbst. Jeden Menschen für zivili­siert zu halten, kann ich keinem raten, auch wenn die meisten es sind. Persön­lich kann man allen­falls gefähr­lichen Begeg­nungen aus dem Wege gehen, auch wenn man es haßt, daß wider­wärtige Menschen Räume besetzen, die ihnen nicht zustehen. Doch vom National­staat als Spitzen­leistung der Evolu­tion können wir verlangen, daß er wenigstens die Statistik verbes­sert, indem er krimi­nelles und gewalt­tätiges Handeln hart bestraft, Täter ausson­dert und unsere Ängste durch eine sinn­volle Politik mindert.

Für die in den letzten Jahren alles domi­nierende Ausländer­proble­matik heißt das: Kein Bonus für fremde Krimi­nelle, sofor­tige Abschie­bung oder Fest­setzung bei ille­galem Aufent­halt, Begren­zung der Einreise, Auswahl nach Qualifi­kation und Gold­gehalt. Doch nicht nur wir und unsere Obrig­keit können etwas tun. Viele Ausländer können demon­strative Anders­artig­keit ablegen, sich zivili­siert kleiden und benehmen. Wunder bewirkt auch die Höflich­keitsform. Wenn die Sippen­haft reduziert werden soll, dann rate ich allen auslän­dischen Gruppen und Vertre­tungen, weniger zu jammern, zu leugnen und zu fordern, sondern am eigenen Image zu arbeiten und die Diszi­plinie­rung ihrer schwarzen Schafe in Angriff zu nehmen.

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Seicht aber unfair
Eben blieb ich kurz bei "Hart aber fair" hängen. Wieder geht es um Rassismus, wieder die üblichen Versatz­stücke und natür­lich in unausg­ewogener Besetzung. Diesen abgedro­schenen Begriff habe ich abgehakt. Doch der in seinem Schutze geäußerte Schwach­sinn ärgert mich dennoch.

Ein kürzlich durch die Medien gedrücktes Schul­diktat wurde erwähnt: Murat erhielt auf die gleiche Leistung einen Punkt weniger, für meine Gene­ration eine drittel Note schlechter. Ja und! Ist es nicht ganz normal, daß Vorurteile einfließen? Würde Kevin nicht ebenfalls schlechter abschneiden als Johannes oder gar Anne­marie? Jeder wird auch nach seiner Gruppe beurteilt, sonst hätte ich als Arbeiter­kind nicht den zweiten Bildungs­weg einschla­gen müssen. Da sollen mir bei solchen Kleinig­keiten die Tränen kommen? Diffe­renzen im Furz-Bereich werden immer bleiben. Wenn sie in die andere Richtung aus­schlagen sollen, muß die sich diskri­miniert fühlende Gruppe an ihrem Image arbeiten.

Ein Gemeinplatz wird erwähnt: Auslän­dische Gruppen heiraten in Deutsch­land vorwiegend unter­einander. Das meint für einen denkenden Menschen, daß die gruppen­über­grei­fenden Ehen weit zahl­reicher wären, wenn es nach den Wünschen der Heirats­fähigen ginge oder gemischte Freund­schaften mit wenig­stens halber Wahr­schein­lichkeit zu Ehen führten als gleich­rassische. Und zu welchem Argument entblödet sich der in der Diskus­sions­runde sitzende türki­sche Anwalt: Die Rate der ethnien­über­grei­fenden Ehen ist unter den Türken hier­zulande deutlich höher als unter den Deutschen. Ja, es heiraten immer zwei! Die größere Gruppe hat also immer den klei­neren Anteil.

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Butterkuchen
Wahrscheinlich wird mir der Papst nie die Füße küssen, weil ich es nicht mehr zum Schwer­ver­brecher bringe, vor allem nicht als Italiener mit guten Kennt­nisses der Landes­sprache in einem einhei­mischen Gefängnis.

Auch für Butterkuchen bei meinem Staats­präsi­denten steht es schlecht. Zwar hält er mich als Biodeut­schen nicht für minder­wertiger als einen auf Bewährung, doch kann ich selbst als weißer Mann nicht mit einem Diskrimi­nierungs­gefühl dienen.

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Kofi Annan
Mit zunehmenden Alter sterben viele Menschen, die man kennt. Zumeist ungenau und nicht persönlich, doch mit einem Bild vor Augen, weil sie über Jahre in den Nach­richten präsent und in der Tages­schau zu sehen waren. Dazu gehört auch Kofi Annan, der vorgestern verstarb, über den ich heute einen Bericht in der Frank­furter Rund­schau las.

Und schon gestern kam mir eine Frage in den Sinn: Warum erinnere ich mich an Kofi Annan als einen Menschen, nicht als people of color, Afri­kaner oder gar Neger? Warum ging es mir ähnlich mit Nelson Mandela, sogar mit Martin Luther King ohne weiße Haare. Und mehr noch: Warum war Khomenei im französischen Exil für mich ein Mensch und kein Mohamme­daner, Moslem oder gar Muslim?

Weil erst in letzter Zeit die Haupt­farbe im Vorder­grund steht und allent­halben weiße von anderen Menschen zu unter­scheiden sind, ja von mir verlangt wird, people of color stets als solche wahrzu­nehmen und sie vor Rassismus zu schützen. Und im Falle des Islam, weil er in den letzten Jahr­zehnten eine unselige Entwick­lung nahm und sich in den Vorder­grund drängte.

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