Rosalind Franklin
Vorgestern sah ich einen Artilel über elf Frauen, denen der Ruhm von Männern gestohlen wurde. [1] Nach der Physi­kerin Chien-Shiung Wu will ich mich nun der Nummer eins der Liste zuwenden, der Biochemikerin Rosalind Franklin. Meine Beweggründe sind ambivalent. Auf der einen Seite halte ich es für erfor­derlich, die wissen­schaft­lichen Leistungen von Frauen hervor­zuheben. Auf der anderen möchte ich für mich klären, inwiefern sie wirklich wegen ihres Geschlechtes Opfer von Männern oder einfach nur des Zeit­geistes wurden. Um das ganze Ausmaß und den durch Diskri­minie­rung der halben Bevöl­kerung entgan­genen Fort­schritt zu ermessen, müßte man vor allem etwas über Frauen wissen, die heute keiner mehr kennt.

Rosalind Franklin hatte viele Röntgen­aufnahmen gemacht, möglicher­weise auch die als Nr. 51 bekannt gewor­dene der DNA, die ohne ihr Wissen durch Maurice Wil­kins [2] in die Hände von James Watson und Francis Crick geriet, woraufhin die beiden ihre Theorie der DNA entschei­dend verbes­sern konnten und alle drei Männer 1970 den Nobel­preis erhiel­ten. Rosalind Franklin ging unnomi­niert leer aus und wurde in der Nobel­preis­rede nicht einmal erwähnt. Zwar war sie im Alter von nur 37 Jah­ren bereits verstorben, doch konnten damals auch Tote den Nobel­preis erhalten.

Ähnlich wie im Falle von Chien-Shiung Wu haben die männ­lichen Theo­retiker die Ehre einge­heimst. Dabei mag es eine Rolle gespielt haben, daß dies auf Kosten einer Frau geschah. Insbe­sondere im Falle des Jung­spundes Watson, der viel­leicht wirk­lich Angst vor erfolg­reichen Frauen hatte. Aber ihm ist es auch zu verdanken, im Laufe seines langen, noch andau­ernden Lebens mit der Wahrheit heraus­gerückt zu sein. Heute sind die Nobel­preise vergessen. [3] Nach Rosalind Franklin aber sind viele Einrich­tungen benannt, darunter eine Univer­sität.

Als fünftes Rad an Wagen richtig vergessen ist Raymond Gosling, ein Dokto­rand von Rosalind Franklin, der als eigent­licher Urheber der sagen­umwo­benen Aufnahme Nr. 51 gilt. Frau hin oder her, auch damals schon ernteten die Professor­*innen den Ruhm der Doktorand­*innen. Schaut man sich zu den fünf Namen die Google-​Treffer an, so gewinnt natürlich James Watson, weil er das Buch „Die Doppel­helix“ schrieb und als streit­barer Mensch das Inter­netzeit­alter ereichte. Im Gegen­zuge ist der deutsche Wiki­pedia-​Eintrag zu Rosalind Franklin so lang wie die zu den vier Männern zusammen.

[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahn­brechendes geschafft - den Ruhm ern­teten Männer. Huffington Post, 31.03.2018. Link inzwischen ungültig.

[2] Weniger die Angst vor Diebstahl, mehr die Torschluß­panik und die Repu­tation vieler Veröffent­lichungen verleitet Wissen­schaftler dazu, jeden Gedanken, jedes Meßer­gebnis zu publi­zieren, zumindest an zahl­reiche Kollegen zu versenden, wobei die Rest­angst bleibt, andere könnten darauf aufbauen, schneller oder besser sein und den Ruhm einheimsen. Wie eine Weiter­gabe von Ergeb­nissen zu bewerten ist, hängt auch von der Weiter­verar­beitung ab. So gilt Wilkins als Verräter, weil die Nutz­nießer ihre Quelle lange Zeit verschwiegen. Als Stephen Hawking starb, sah ich in einem Film, wie er Fred Hoyle scharf kriti­sieren konnte, weil Roger Penrose ihm vorab Einblick in dessen Vortrags­manu­skript gewährte. War das ebenfalls Verrat?

[3] Der Nobel­preis von Watson mag noch erinnert werden, weil seine Medaille als einzige zu Lebzeiten für mehrere Milli­onen verstei­gert wurde.

Jocelyn Bell Burnell | Lise Meitner | Chien‑Shiung Wu

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Chien-Shiung Wu
Wer sich über die Physikerin Chien-Shiung Wu infor­mieren will, kann ein Lexikon zur Hand nehmen oder in der Wiki­pedia lesen. Hier erwähne ich sie, weil sie in einem aktuellen Artikel als siebte von elf Frauen gelistet ist, deren Ruhm Männer ernteten. [1] Es soll nicht geleugnet werden, daß Frauen bis in die Gegen­wart benach­teiligt werden. Und ganz sicher sind viele vergessen, weil ihre Ent­deckun­gen von Männern publi­ziert, wieder­entdeckt, paten­tiert oder gestohlen wurden. Doch das haben sie nicht nur mit Frauen, auch mit anderen Männern gemacht. In der Wissen­schaft sind es weniger die Femi­nisten, sondern die Wissen­schaftler selbst, viel­leicht beson­ders die weib­lichen unter ihnen, die zur Würdi­gung vergan­gener und aktu­eller Lei­stungen beitragen. [2]

Im Falle von Chien-Shiung Wu besteht das Unrecht nur in der Verlei­hung des Nobel­preises im Jahre 1957 an Tsung-​Dao Lee und Chen Ning Yang, die eine Paritäts­verletzung für möglich hielten, die im Jahre 1956 von Chien-​Shiung Wu nachge­wiesen wurde. Mehr als heute ging damals ein Nobel­preis an die Theore­tiker, aber nur wenn ihre Theorie bestä­tigt wurde. So erhielt Stephen Hawkings keinen. Albert Einstein auch nicht für die Relati­vitäts­theorie. Das mag man der allge­meinen Ungerech­tigkeit des Nobel­komitees zurechnen, insbe­sondere gegen­über Frauen.

Es ist aber keines­wegs so, daß Chien-​Shiung Wu ver­gessen ist. Ich habe ein Buch über Elementar­teilchen aus dem Regal gezogen. [3] Auf Seite 543 ist zu lesen: „Yang und Lee konnten aber belegen, daß bei diesen Erfah­rungen bzw. Prüfungen auf Spiegel­symmetrie die Prozesse der Schwa­chen Wechsel­wirkung (v.a. die β‑Radioak­tivität) noch nie genauer betrachtet worden waren. Sie konnten auch reali­sierbare Experi­mente vor­schlagen, um diese Lücke zu schließen. Allein für diese quali­fizierte Anzwei­felung einer vermeint­lichen Selbst­verständ­lichkeit oder eines Denk­verbots erhielten die beiden schon 1957 den Nobel­preis ‒ gleich nachdem die Experi­mente von C.S. Wu ihnen Recht gegeben hatten.“

Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob Wu nur eines der von Lee und Yang vorge­schla­genen Experi­mente durchge­führt hat. In jedem Falle ist ihr Name in etwas geblieben, was weit mehr erinnert wird als ein Nobel­preis, nämlich dem Wu‑Expe­riment. Und so folgen der kurzen Erwähnung der Betei­ligten zwei volle Seiten unter der Über­schrift „Das Wu‑Expe­riment: β⁻‑Strah­len werden bevor­zugt entgegen der Spin­richtung ausge­sandt“.

Auch im geschicht­lichen Abschnitt zur Paritäts­verlet­zung habe ich nichts von deren Entdeckung bereits im Jahre 1928 gefunden. Die Wiki­pedia behauptet, dies sei damals als Meßfehler abgetan worden. Es wäre doch eine schöne Aufgabe der Gerechtig­keits­forschung, diese Behaup­tung genau zu beleuchten, wenn es nicht bereits geschehen ist. Wahr­schein­lich wurde hier ein Mann um die Würdi­gung seiner Leistungen gebracht, wie viele vor ihm, die etwas entdeckten, für das die Zeit noch nicht reif war oder was schlicht in Verges­senheit geriet. Die meisten kennen wir sicher­lich nicht.

[1] Jessica Samakow: Diese 11 Frauen haben Bahn­brechendes geschafft ‒ den Ruhm ernteten Männer. Huffington Post, 31.03.2018. Link inzwischen ungültig.

[2] Wendland, Werner (Hrg.): Facettenreiche Mathematik. Vieweg+Teubner, 2011.

[3] Jörn Bleck-Neuhaus: Elementare Teilchen. Springer Spektrum, 2. Auflage 2013.

Jocelyn Bell Burnell | Lise Meitner | Rosalind Franklin

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Türkische Feinkost
Nach einem Streit an der Kasse gehe ich nicht mehr in den einzigen gamme­ligen Super­markt. Sofern ich nicht in die Stadt fahre, bleibt mir nur der türki­sche Gemüse­händler. Mit seiner räum­lichen Vergrö­ßerung, einem Besitzer­wechsel und der Außen­werbung "Feinkost" wurden Obst und Gemüse nicht frischer, auf die Fein­kost warte ich noch. Ich hätte gerne ein umfang­reicheres Angebot gesehen, auch einen höheren Umsatz, der verderb­licher Ware entgegen­kommt.

Da man mit immer dem gleichen Betreiber oder Besitzer mehr Worte wechselt als mit einer Kassie­rerin im Supermarkt, hätte ich gerne ein paar Hinweise aus deut­scher Sicht gegeben. Um Empfind­lich­keiten wissend habe ich zunächst nur gefragt, ob dies oder das denn umsonst sei, weil sich kein Preis­schild an der Ware befinde. Später habe ich dann auch darauf aufmerk­sam gemacht, daß Deutsche nach Preis­schild kaufen und Ware ohne Auszeich­nung meiden. Es hat sich etwas gebes­sert, obwohl ich nicht mehr nach­gehakt habe.

Als Zwetschgen ihre Zeit hatten, verkaufte er sie zu 1,99 das Pfund. Wieder vorsichtig fragte ich durch die Blume, wieviel denn ein türki­sches Pfund wiege. Natür­lich 500 Gramm war die Antwort. Irgend­wann habe ich mich zu dem Hinweis durch­gerungen, daß Pfund in Deutsch­land keine zuläs­sige Einheit mehr sei und dies bei einem Besuch der Gewerbe­aufsicht sofort bemerkt würde. Nach einer Weile wurde das Pfund zu 500 Gramm. Irgend­wann konnte ich der Tochter erklären, daß loses Obst in Kilo­gramm auszu­zeichnen sei.

Nicht daß der Eindruck entsteht, ich würde arme türkische Gemüse­händler durch deut­sche Nörgelei nerven. Er freut sich zumin­dest äußerlich, wenn ich bei ihm einkaufe und hat mir auch schon "warte alter Mann" hinter­herge­rufen, um mir noch einen Bonbon auf den Weg mitzu­geben. Deutsche Wurst­verkäufe­rinnen neigen mehr zu "junger Mann". Aber in der Türkei genießt der Alte ein höheres Ansehen.

Heute steht in der gähnenden Leere des immer noch nicht erwei­terten Ange­botes ein Ständer mit Strümpfen. Wieder vorsichtig fragte ich, ob es Feinkost­strümpfe seien. Nach leichtem Hin und Her von Mißver­ständ­nissen wurde er laut und wies darauf hin, daß andere Lebens­mittel­geschäfte ja auch alles mögliche verkaufen. Ich mußte ihn beru­higen. Mangelde Humor­erkennung auf deutsch allein kann es nicht gewesen sein. Ich glaube an eine tief­sitzende Empfind­lichkeit, die sich auch der Türken bemäch­tigt hat.

Nachdem ich mich heute beherrscht und aus Rück­sicht auf Fremde eine Kontro­verse vermieden habe, fühle ich mich derart unwohl, daß ich den ganzen Mist hier aufschrei­ben muß und mir überlege, ob ich die Besuche "beim Türken" einschrän­ken und auch seine Waren in der Stadt kaufen sollte. Viel­leicht verinner­licht er eines Tages, daß der Kunde König ist, man als Verkäu­fer nie laut wird, Waren vorschrifts­mäßig auszeich­net, verdor­benes Obst aus dem Regal nimmt und Fein­kost drinnen führt, wenn es draußen drauf­steht.

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Mathematik des Islam
Wenn man die Flutung Deutsch­lands mit großen­teils zivili­sations­fernen Menschen nicht vollum­fänglich für erforder­lich hält, infor­miert man sich zwangs­läufig auch dort, wo rechtes Gedan­kengut nicht gerade fern ist. Neben den Verschwö­rungs­theorien trifft man auf die tradi­tionelle Europa­feind­lichkeit. Es gibt keinen Klima­wandel, Auto­abgase schaden nicht, Trump ist gut für die Welt. Die Achse des Guten halte ich in diesem Spektrum für einiger­maßen moderat. Daß auch sie die gegen­wärtige aggres­sive und von sehr vielen Moslems gelebte Ausprä­gung des Islam als Haupt­quelle des Übels erkannt hat, berechtigt aber nicht, alles gering zu schätzen, was mit dem Islam im Zusammen­hang steht.

Dort wider­spricht Paul Nellen [1] der gängigen Auffas­sung, der Islam hätte die antike Kultur über das Mittel­alter gerettet. Zurecht rüttelt er an der schön­geistigen Vorstel­lung, der Islam habe aus sich heraus in seinem ersten Jahr­tausend im Rahmen einer Hoch­kultur auch das Wissen der Antike bewahrt und fortent­wickelt, denn in Wirklich­keit hat er nur große Teile der Welt erobert [2] und in diesem Rahmen wie jede andere Groß­macht auch große kultu­relle Leistun­gen hervor­gebracht. Die Römer waren nicht fried­licher und auch keine großen Geister. Trotzdem oder deshalb blicken wir heute auf ihre Bauwerke, nicht auf die eines kleinen galli­schen Dorfes.

Natürlich wäre ohne den Islam die Antike eben­falls bewahrt worden, selbst von Katho­liken des Mittel­alters, die vieles nur unter Verschluß hielten. Auch mögen fromme Moslems ganze Biblio­theken nieder­gebrannt haben. Doch haben sie auch viel Gedan­kengut erobert und käuf­lich erworben. Anderes ist in ihrem großen Reich einfach nur gewandert, wie die arabi­schen Zahlen von Indien nach Europa und letzt­lich in die ganze Welt. Die eigenen Leistun­gen mögen aus heutiger Sicht nicht so berau­schend sein, aber das waren sie im Rest der Welt noch viel weniger.

Wie es um die Dicht­kunst, die Musik, die Malerei oder Kalli­grafie bestellt war, entzieht sich noch mehr meiner Kenntnis als die Geschichte der Natur­wissen­schaften vom Ende der Antike bis zum Beginn der Neuzeit. [3] Wirkliche Fortschritte waren mühsam. Was durch Nach­denken und ein­fache Natur­beobach­tung zu ergründen ist, war durch Euklid, Aristo­teles und andere mehr oder minder korrekt ausge­schöpft. Eine geeig­nete Sprache der Wissen­schaft gab es nicht. Alles wurde blumen­reich beschrieben, allge­meines Geschwur­bel über­deckte gute Gedanken. Glaube jedweder Art behin­derte, weniger durch Verfol­gung, mehr durch Vernebe­lung des Geistes. Er beförderte aber auch Erkennt­nisse und Fähig­keiten, die seiner Herrschaft förder­lich waren. Und mancher forschte auch zur Ehre Gottes.

Kurz: Es ist ungerecht, die unter islami­scher Herr­schaft erbrach­ten geisti­gen Leistun­gen klein zu reden, nur weil wir uns heute noch von der Unbarm­herzig­keit des Islam bedroht fühlen dürfen, der die Moslems zwingt, die Ungläu­bigen mit der gleichen Gnaden­losig­keit zu unter­werfen und auszu­rotten wie sie selbst ihrem Gott ausge­liefert sind und sich ihm ergeben müssen. Ohne sie wäre es anders, doch nicht unbe­dingt besser gekommen. Die frühen Moslems müßten wissen­schaft­lich noch nicht einmal dann hinter ihren Zeit­genossen ver­stecken, wenn sie nur erobert, gekauft, gesammelt, über­setzt und verbrei­tet hätten. Ihr Pech besteht darin, daß in der Renais­sance latei­nische Überset­zungen leichter zu lesen waren als ara­bische.

In seinem Buch zur Geschichte der Mathe­matik [4] über­schreibt Hans Wußing 41 Seiten mit "Mathe­matik in den Ländern des Islam". Dort nennt er viele Mathe­matiker, die auch wegen der merkwür­digen Namen kaum einer kennt. Beson­ders heraus­gestellt wird Al-Hwarizmi, nach dessen al-gabr die moderne Alge­bra benannt ist. Es folgen immer­hin noch 36 Seiten zur "Mathe­matik im Euro­päischen Mittel­alter" mit Namen, die heute auch keiner mehr kennt. Und auf Seite 276 kommt er zu dem Schluß: "Bei aller Aner­kennung für die eigen­stän­digen Leistun­gen in der Mathe­matik des Früh­mittel­alters bleibt doch die histo­rische Tatsache, dass der eigent­liche Auf­schwung der euopä­ischen Mathe­matik kausal an die Bekannt­schaft mit der islami­schen Mathe­matik gebunden war, ..."

Eine Aufgabe für Schüler: Berechne mit Papier und Bleistift den Sinus von einem Grad in Taschen­rechner-Genau­igkeit. Da das 120-Eck mit Zirkel und Lineal konstru­ierbar ist, und Al-Kashi Quadrat­wurzeln ziehen konnte, kannte er den Sinus von 3 Grad sehr genau. Für eine Sinus-Tafel von Grad zu Grad hat er den 3-Grad-Winkel gedrit­telt und den Sinus von einem Grad auf Basis einer Glei­chung dritten Grades aus dem Wert für 3 Grad iterativ, also mit einem Al-gorithmus auf 18 Stellen berechnet. Seine 14 Stellen für π hielten fast 200 Jahre den Rekord. Wer hätte heute dafür die Kennt­nisse und den Fleiß?

[1] Paul Nellen: Hat der Islam und die antike Kultur und Wissenschaft gebracht? Achgut, 22.03.2018.
[2] Bill Warner: Stimmt das mit den unzäh­ligen Kreuz­zügen gegen den Islam? Youtube, "genug ist genug", 07.05.2017. Original vom Center for the Study of Poli­tical Islam?
[3] Die Wikipedia sieht das Mittel­alter vom 6. bis zum 15. Jahr­hundert. Für mich endet die Antike mit der Schlie­ßung der Plato­nischen Aka­demie im Jahre 529. Die Neuzeit beginnt mit dem modernen Buchdruck im Jahre 1450.
[4] Hans Wußing: 6000 Jahre Mathematik. Band 1: Von den Anfängen bis Leibniz und Newton. Springer, Berlin Heidel­berg 2008.

Pi | Alhazen

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Die 0 gehört zu N
Es mag einem wichtig sein, daß die Null eine natür­liche Zahl ist. Für die mathema­tischen Inhalte ist es egal. Auch wenn Außerir­dische erst bei zwei oder gar schon bei minus drei zu zählen beginnen sollten, werden sie diese "natür­lichen" Zahlen zu den ganzen Zahlen erwei­tert und die gleiche Addi­tion und Multi­plikation defi­niert haben. Deren neutrale Elemente nennen wir Null und Eins und bezeich­nen sie mit den Ziffern 0 und 1. Zwischen den nega­tiven und den posi­tiven Zahlen liegt die Null. Ob die Null neben den posi­tiven ganzen Zahlen auch zu den natür­lichen gehört, ist weit­gehend Geschmacks­frage, wenn­gleich man durchaus darüber nach­denken darf und sollte, was der Natur der natür­lichen Zahlen entspricht, welche Defini­tion die Hinzu­nahme der Null nahe­legt oder ob sie einfach nur prak­tisch ist. [1] Ich rate vor allem mathe­matisch unbeleck­ten Menschen, bei Eins zu beginnen, um Irrtümer mit über­sehenen Rand­fällen zu vermeiden. [2] Will man die Null einbe­ziehen, spricht man einfach von "nicht negativ" oder schreibt N0 statt N.

Ersetzt man die 0 durch den Islam und N durch Deutsch­land, ist der Spiel­raum für Inter­preta­tionen größer. Negiert man die Behaup­tung, erhöht sich ihre Brisanz. Trotz­dem ist es einem denken­den und der deut­schen Sprache mäch­tigen Menschen möglich, die Aussage in ihrem Kontext korrekt zu verstehen und einzu­ordnen, auch wenn seine Grund­satz­haltung ihn dazu treibt, ihr vollum­fänglich zuzu­stimmen oder sie zutiefst zu verab­scheuen. Mich hat es nicht gestört, als Christian Wulff meinte, der Islam gehöre zu Deutsch­land. Und das durch Horst Seehofer in die allge­meine Debatte gehobene Gegen­teil ist gleicher­maßen verständ­lich. [3]

Als Chrsitian Wulf nach Jahren Wolfgang Schäuble mit "Aber der Islam gehört inzwi­schen auch zu Deutsch­land" wieder­holte, stellte er einlei­tende Worte über das Juden­tum und die christ­lich-jüdi­sche Geschichte voran. Solche Vergleiche und fromme Flos­keln bringen mir wenig. Meines Erach­tens wollte er ein­fach sagen: Es gibt in Deutsch­land viele Moslems, die großen­teils ihren Glauben prakti­zieren und seit über einer Genera­tion sich mehr­heit­lich in unsere Gesell­schaft einglie­dern, die dadurch verän­dert, aber nicht in ihren Grund­festen erschüt­tert wird. Ich fand es bemer­kenswert, daß ein Bundes­präsi­dent sich zu einer solchen Wider­spruch provo­zierenden Äuße­rung hat durch­ringen können. Ich hoffte, er würde recht behalten und der Islam in Deutsch­land wieder werden wie früher, die unauf­fällige Reli­gion vieler unter uns lebender Menschen.

Es kam aber anders. Spätestens mit der Flücht­lings­welle brei­tete sich eine aggres­sive Islam­inter­preta­tion auch in Deutsch­land aus. Zunächst wenige buch­staben­gläubige und säbel­rasselnde Moslems setzten mehr und mehr ihre Glaubens­brüder unter Druck und schrecken neuer­dings auch nicht vor Indoktri­nation und Einschüch­terung anderer zurück. Äußeres Zeichen ist die sprung­haft gestie­gene Zahl der Frauen und auch Mädchen mit Kopf­tüchern, die großen­teils wieder aus dem Schrank hervor­geholt wurden. Zum einen mögen Frauen sich dazu wieder trauen. Aber zum anderen geben sie einfach dem Druck ihrer Glaubens­brüder nach. Das Image der Moslems hat sich durch den aggres­siven Islam verschlech­tert. Darauf reagiert ihre sog. commu­nity mit Abschot­tung, Schön­rederei, Forde­rungen und Vertei­digung ihrer internen Unter­drücker.

Wenn Horst Seehofer in dieser geän­derten Situa­tion sagt, der Islam gehöre nicht zu Deutsch­land, dann äußert er zurecht, daß wir auf Dauer nicht mit einer Parallel­gesell­schaft leben wollen, in der eine Islam­interpre­tation den Ton angibt, die jede Anpas­sung ab­lehnt [4], unsere Grund­werte gering­schätzt und nicht ruhen möchte, bis der letzte Deut­sche konver­tiert oder gestor­ben ist. Natür­lich gefällt eine solche Wahr­heit vielen nicht. Insbe­sondere nicht der viel­zitier­ten Mehrheit der fried­liebenden Moslems, die kaum mehr auf die Beine bringen als Sippen­haft zu beklagen. So ist die Welt und die mensch­liche Psyche nun einmal, keiner wird völlig frei von seiner Gruppen­zuge­hörig­keit beur­teilt. Manche verstehen das. [5] Auch ich würde im Ausland nicht nur Freund­lichkeit erwarten. Um aber als Nazi beschimpft zu werden, muß ich Deutsch­land nicht mehr ver­lassen.

Natürlich ist Horst Seehofer nicht nur von edlen Motiven und einem Drang zur Wahr­heit getrieben. Er möchte Angela Merkel gerne eins auswi­schen und hat nun eine ausge­zeich­nete Posi­tion, um seine lange unter­drückten Auffas­sungen zu äußern und viel­leicht auch durch­zusetzen. Außerdem wird man der AfD keine Wähler­stimmen abringen, indem man weiter gegen die Mehr­heits­meinung die üppige Zuwan­derung schön redet. Ein Glück für die Sozial­demo­kraten, die von der Union nach links gedrückt in der Flücht­lings­frage völlig paraly­siert wurden. Sie können nun ihre Ansich­ten korri­gieren, ohne die CDU rechts über­holen zu müssen, auch wenn viele sich dazu noch nicht durch­ringen können und in Fernseh­diskus­sionen immer noch rum­eiern.

[1] Der "old Fortran shit", Felder ausschließ­lich mit dem Index 1 zu beginnen, hat so manchen Program­mierer auf die Palme gebracht.
[2] Bezieht man die 0 ein, muß oftmals eine Verein­barung getroffen werden, was man unter den der 0 zugeor­dneten Rand­objekten versteht. Das beginnt in der Schule mit der Divi­sion durch 0, setzt sich fort über die Summe aus 0 Summanden, dem Produkt aus 0 Faktoren, der leeren Zeichen­kette, dem leeren Raum, dem baum­losen Wald und vielem anderen mehr.
[3] Anna Reuß: Zwölf Jahre Streit über einen ein­zigen Satz. Süd­deut­sche Zeitung, 16.03.2018.
[4] Islam ist unvereinbar mit Verfas­sung! Und jetzt??? - Reali­tät Islam. Youtube, Realität Islam, 28.11.2017.
[5] Feroz Khan: Als Migranten­kind in Sachsen | Moritz Neu­meier | Racial Pro­filing. Youtube, "achse:ostwest", 08.10.2017.

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Ein guter Tag zu sterben
Heute, am Pi-Tag und dem 139. Geburtstag von Albert Einstein ist Stephen Hawking im Alter von 76 Jahren gestorben. Trotz seiner Krank­heit lebte er 31 Tage länger als Albert Einstein. Die meisten trauern um einen großen Denker. Youtube ist voll von Film­chen anläß­lich seines Able­bens. Nur einen Verbap­ten mit Strubbel­bart habe ich dort gesehen. [1]

Was weiß mein Bücher­regal über ihn? Zunächst sehe ich die berühmte kurze Geschichte der Zeit als kleines Taschen­buch mit wenigen Schwarz­weiß-Bil­dern [2]. Nach Hubert Mania "das wahr­schein­lich erfolg­reich­ste Sachbuch des 20. Jahr­hun­derts". [3] Seit dieser Zeit konnte Stephen Hawking nicht mehr sprechen und mußte mit Hilfe eines Compu­ters kommuni­zieren. Das machte ihn noch berühm­ter und bekann­ter, seine Bücher größer, bunter und teurer. [4] Sehen und hören kann man ihn nicht nur in wissen­schaft­lichen Sendungen, sondern auch in der Big-Bang-Theory. [5]

[1] Stephen Hawking is Burning in Hell. Youtube, Ben The Baptist, 14.03.2018. Die 95 Prozent Daumen nach unten über­treffen alles, was ich jemals unter den üblen Mach­werken des Funk-Netz­werkes gesehen habe.
[2] Stephen W. Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit - Die Suche nach der Urkraft des Uni­versums. Rowohlt, Hamburg 1991.
[3] Hubert Mania (Hrg.): Das große Stephen-Hawking-Lese­buch - Leben und Werk. Rowohlt, Hamburg 2003. Seite 7.
[4] Stephen Hawking: Das Universum in der Nußschale. Hoffmann und Campe, 1. Auflage, Hamburg 2001.
[5] Best of Bing Bang Theory - "Stephen Hawking". Youtube, TBBTKripke, 09.12.2016.

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Alhazen von Kairo
Islamisierung ist ein großes hinter der Flücht­lings­welle erkanntes Problem. Gefürchtet wird nicht die fremde Religion, sondern ihre alle Bereiche durch­dringende Inter­pretation, die letzlich kein Erbarmen mit Ungläu­bigen kennt. Gerne wird gegen diese schlichte Sicht einge­wendet, auch das Christen­tum habe seine dunklen Zeiten gehabt, während weit­gehend zeit­gleich die Hoch­kultur von der islami­schen Welt getragen wurde. Das alles stimmt, und ich bin sicher, der Islam wird sich wie das Christen­tum auch wieder berap­peln. Doch ich erlebe es nicht mehr.

Um zu verstehen, wie fromme Moslems denken, sie ihre Meinung Glaubens­brüdern aufzwingen und die Ungläu­bigen nieder­ringen wollen, sehe ich mir gerne Film­chen an, in denen sie ihre Auffas­sung offen raus­hängen lassen. Darunter sind mit­unter Beiträge, die durchaus infor­mativ sind. So der zu Alhazen von Kairo. [1] Das hat mich inso­fern beschämt, als ich Alhazen nicht kannte, obgleich ich mich lange Zeit mit Optik beschäf­tigt habe. Als Entschul­digung kann ich nur anführen, daß ich mich wenig für Geschichte interes­siere und auch Optik-Bücher zu einer modernen Sach­lichkeit neigen, die histo­rische Personen nur kurz oder gar nicht erwähnen.

Natürlich beschönigt der eigent­lich nur aus einigen mageren Sätzen beste­hende Film. So hat Alhazen die Optik nicht durch ein Kerker­fenster, sondern in einer Akademie studiert. Er hatte auch kein Startrek-Armband mit Taschen­rechner und Blei­stift. Und vieles wurde nicht von ihm erfunden, sondern von den Grie­chen und Römern über­nommen und durch ihn bewahrt. Es ist auch nicht böser Wille und Islam­leugnung, daß der volle Name Abu-Ali al-Hasan ibn al-Hasan ibn al-Haitham latini­siert wurde. Es war damals üblich und half durch Schlicht­heit seinem Über­leben. Auch der in [2] verwen­dete ehren­volle Zusatz "von Kairo" wird nicht gerade jedem zuteil. Wenn ich Araber wäre, würde ich eher kriti­sieren, daß auch im Titel­bild von [1] Alhazen aussieht wie ein weißer Euro­päer mit Turban und kleinem Bart.

Daß Alhazen weit­gehend in Verges­senheit geriet, ist nicht seine Schuld, nicht die des Islam oder Christen­tums, sondern einfach dem Lauf seiner Haupt­wissen­schaft, der Optik geschuldet. Mehr als in anderen Natur­wissen­schaften, zu denen der gemeine Mensch zumeist nur die Anfänge vor mehr als 2000 Jah­ren und den heute in der Schule gelehrten Stand von 1900 kennt, unterlag die Optik einer holpri­gen Entwick­lung. Zwischen den Griechen und Alhazen klafft ein Loch, nach ihm auch eines. Daß 200 Jahre später die Sehhilfe erfunden wurde, mag teil­weise der latei­nischen Über­setzung der Schriften des Alhazen zu verdanken sein. Danach klafft erneut ein Loch. Bis um 1500 Spiegel und die von Alhazen nicht erfundene, aber erforschte Camera Obscura der Allge­meinheit zugäng­lich wurden.

Trotzdem ist Alhazen entgegen des Film­titels nicht der Vater der moder­nen Optik. Die begann erst gegen 1600 mit den ersten Fern­rohren und dem Snell­schen Gesetz, das fast die gesamte Strahlen­optik erklärte und die Kon­struk­tion immer besse­rer optischer Geräte ermög­lichte. [3] Der Vater der moder­nen Optik ist also Snell, wenn man ihn nicht besser nur Vater der Strahlen­optik nennen möchte, denn von Wellen­optik, unsicht­barer Strah­lung, Photonen und Materie aus Licht wußte man damals noch nichts. Licht­leiter, Glas­fasern, Digi­talisie­rung und Flug­taxis waren unbe­kannt. [4]

Zusammen mit der Geometrie verlor die Optik Mitte des 20. Jahr­hunderts an Bedeutung. Im Mathe­matik­unter­richt wurde gerechnet, wo man auch hätte zeichnen können, der Physik­unter­richt reichte kaum über die Brechung an einer Linse hinaus. In der Wissen­schaft selbst aber ist eine umfas­sende Wieder­geburt zu erkennen, die auch den starken Verbin­dungen zu anderen Berei­chen zu verdanken ist. Ohne Optik gäbe es keine modernen Mobil­telefone, schon gar nicht mit einer kleinen Kamera im Werte von 5 Euro mit Bildern, die vor wenigen Jahren nur mit teuren Objek­tiven möglich gewe­sen sind.

Nach diesem Ausflug in meine Auffas­sung vom Werde­gang der Optik nun zurück zum Film. Es ist schön, wenn neben der Verbrei­tung einer mehr als frommen Koran­aus­legung auf die großen Denker des Islam hinge­wiesen wird, weil sie tatsäch­lich zwischen Antike und Moderne gerne verges­sen werden. So ist Alhazen nicht nur der größte Optiker einer Spanne von vielen Jahr­hunderten, sondern darf auch gerne als Begrün­der modernen wissen­schaft­lichen Denkens, ja als großer Erkennt­nistheo­retiker gesehen werden, der die Bedeu­tung des Experi­mentes und des induk­tiven Denkens predigte, auch wenn beides nicht ganz neu war. Davon sollten sich die moder­nen frommen Moslems eine Scheibe abschnei­den. Die Zeiten des Schrift­beweises sind für die Christen­heit vorbei. [5] Die Moslems werden hoffent­lich bald nach­ziehen.

[1] Ibn ul Haytham Vater der modernen Optik. Youtube, Generation Islam, 11.03.2018.
[2] Eugene Hecht: Optik. Oldenbourg, 5. Auflage, 2009. Seite 2: "Nach dem Nieder­gang des West­römi­schen Reiches [...] waren in Europa für längere Zeit kaum wissen­schaft­liche Erfolge zu verzeich­nen. Die von grie­chisch-römisch-christ­licher Kultur domi­nierten Mittel­meer­länder fielen rasch unter die Herr­schaft Allahs." Wer wagt es heute noch, sich so falsch und klar zugleich auszu­drücken? "So verschob sich das Zentrum der Gelehr­samkeit in die arabi­sche Welt, wo auch die Optik unter­sucht und erwei­tert wurde, insbe­sondere von Alhazen (ca. 1000 n.Chr.)." Seite 333: "Direkt hinter der Regen­bogen­haut befindet sich die Linse. Die ältere Bezeich­nung 'Kristal­linse' geht auf die Arbeit von Abu-Ali al-Hasan ibn al-Hasan ibn al-Haitham, genannt Alhazen von Kairo (ca. 1000 n.Chr.), zurück, der das Auge als in drei Bereiche aufgeteilt beschrieb, die wässrig, kristal­lin bzw. glasig seien." Seite 354: "das Prinzip [der Lochkamera] war schon Aristo­teles bekannt, dessen Beob­achtun­gen durch Aufzeich­nungen arabi­scher Schüler während des langen euro­päischen Mittel­alters erhal­ten blieben. Alhazen beobach­tete auf diese Weise Sonnen­finster­nisse ..."
[3] Das Snellsche Gesetz: Bei der Brechung des Lichtes verhalten sich die Sinus von Einfalls- und Ausfalls­winkel umgekeht zu den Brechungs­indizes. Endlich eine Gelegen­heit, den korrek­ten Plural von Sinus zu verwenden. Und zum Names­gejammer: Willebord van Roijen Snell nannte sich Snellius, weshalb poli­tisch Korrekte auch vom Snellius­schen Gesetz sprechen. Daß zusätz­lich die beiden Strahlen in einer Ebene senkrecht zur Trenn­fläche der beiden Medien liegen, hatte Alhazen bereits bemerkt. In welcher Genauig­keit und Form der Perser Ibn Sahl das Brechungs­gesetz bereits vor Snellius und Alhazen kannte, entzieht sich meiner Kenntnis. Wer sich wenig verbrei­tetes und schnell verges­senes alter­tüm­liches Gekrakel ansieht, der sollte verstehen, warum vieles neu entdeckt werden mußte.
[4] CSU und Flug­taxis! Unglaub­liches Personal für dieses wich­tige Amt. Youtube, Uncut-News Schweiz, 07.03.2018. Nach "Diaspora" von Frau Slomka die "Flugtaxis" von Frau Bär. Sie meint hoffent­lich nicht, daß Flug­taxis durch ein Kupfer­kabel fliegen werden, sondern nur mit vielen Tera­byte beladen in die nächste Stadt. Meine Meinung: Die Nach­kriegs­zeiten, da jedem Bauern für eine einheit­liche beschei­dene Anschluß­gebühr 500 Pfähle einge­rammt wurden, um die 5 Kilo­meter Telefon­draht zu verlegen, sind vorbei. Wer seine Firma am Arsch der Welt betreibt, muß auch einmal in die Tasche greifen und eine Wähl- oder Stand­leitung zum näch­sten Knoten im Hoch­geschwindig­keits-Inter­net mieten. Sind das die digi­talen Flug­taxis?
[5] Zum heutigen Pi-Tag: Der Schrift­beweis für π=3 aus 2. Chronik 4, Vers 2: "Und er machte das Meer, gegos­sen, von einem Rand zum anderen zehn Ellen breit, ganz rund, fünf Ellen hoch, und eine Schnur von dreißig Ellen konnte es umspannen."
[6] Alhazen wird auch von Christen nicht vergessen: Nach ihm ist ein Krater auf dem Mond benannt, es gibt die Mönd­chen des Alhazen und das Alhaze­nische Problem.

Islam | Geburtstag | 314

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Heidewitzka, Herr Kapitän
Im Jahre 1950 setzte Konrad Adenauer die dritte unter den National­sozialisten ungesungene Strophe des Liedes der Deutschen als National­hymne durch, um bei Staats­empfängen im Ausland keine Karnevals­lieder mehr hören zu müssen. Aber das deutsche Volk ist nicht im Handstreich zu nehmen. Zur Fußball­welt­meister­schaft 1954 sang es die erste Strophe und 1958 mußte ich alle drei Strophen zehnmal abschreiben, weil ich sie nicht auswendig gelernt hatte. Mit der Wieder­vereini­gung wurde die dritte Strophe als National­hymne bekräftigt, obgleich die der DDR die schönere ist.

Es gab und gibt mehr oder minder gute Gründe, die National­hyme zu verändern. Vom dreistro­phigen Lied der Deutschen, sangen die National­sozialisten nur noch die erste, gefolgt vom Horst-​Wessel-​Lied. Nach dem Krieg folgte wieder eine hymnen­lose Zeit, in der Konrad Adenauer in den USA mit „Heide­witzka, Herr Kapitän“ begrüßt wurde. In der BRD erklärte Heuss die dritte Strophe des Liedes der Deut­schen zur National­hymne. In der DDR wurde eine neue gedichtet und kompo­niert. Dort gefiel das Wort „einig“ bald nicht mehr, weshalb „Aufer­standen aus Ruinen“ danach unge­sungen blieb. Mit der Wieder­vereini­gung wurde versäumt, aus beiden Hymnen eine zu bilden, obgleich Versmaß und Melodie dem kaum im Wege standen.

Begehr­lich­keiten liegen auf der Hand. Zur Zeit wieder ans Licht der Öffent­lichkeit gezerrt werden die frauen­feind­lichen Wendungen „Vater­land“ und „brüderlich“. Sie sollen durch „Heimatland“ und „couragiert“ ersetzt werden. [1] Ich traue unserem Bundes­präsi­denten zu, sich dazu breit­schlagen zu lassen. Dann haben wir eine verän­derte Hymne, die sich in zwanzig Jahren viel­leicht durchge­setzt hat. Schließ­lich haben wir uns ja auch an „erlöse uns von dem Bösen“ und „von dort wird er kommen“ gewöhnt. In der Zwischen­zeit mag jeder „Heimat“ singen, wo vom Nachbarn „Vater“ tönt, wie der Prote­stant von der christ­lichen Kirche spricht, wo sie für die Katho­liken immer noch katho­lisch ist.

Doch wird es keine zwanzig Jahre mehr dauern, bis aus rassi­sti­schen Gründen eine weitere Ände­rung erfolgen muß. Die Vertreter der heimatlos gewor­denen Migranten werden auch das Heimat­land bean­standen. Auch das Herz trägt nicht Kulturen Rech­nung, in denen die Seele im Bauch oder ganz woan­ders zu finden ist. Eigent­lich kann so und so jeder neben seinem Geschlecht auch den Ort seiner Seele bestimmen. Und noch bevor eine engli­sche Version die deut­sche ablöst, werden die E aus „Glanze“ und „Glückes“ zu „bluehe“ verschoben. Zum allge­meinen Verständ­nis wird auch Unter­pfand durch Garantie ersetzt.

Spaß beiseite, ich habe mich gefragt, was an Vater und Bruder schlecht ist und welcher Bedeu­tungs­wandel eintritt, wenn man sie durch Mutter und Schwester oder gar Eltern oder Geschwister ersetzt. Bekannt sind die Mutter­sprache und das Vater­land. Mutter als Präfix verweist auf Herkunft und Ursprung, etwa Deutsch­land als Mutter­land des Sauer­krauts. Vater dagegen meint mehr die Zuge­hörig­keit. Wenn man einmal Begriffe wegläßt, in denen es wirklich um Mütter und Väter geht (Mutter­milch, Vater­schafts­test), dann überwiegt die Zahl der Bildungen mit Mutter: Mutter­erde, -boden, -land, -mal, -kirche, -partei, -sprache, -seelenallein. Auf der anderen Seite nur: Vater­haus, -land, -stadt, -unser. Beide gibt es nicht nur bei -land: Die Amerikaner haben ihre Mutter aller Bomben in Afghani­stan einge­setzt, die Russen den doppelt so starken Vater aller Bomben wohl noch nicht. Nichts im Verg­leich zu Little Boy und Fat Man. [2]

Will man einen Text gändern, so bietet sich Heimat­land statt Vater­land an, sofern man das Wort Heimat über die Lippen bringt. Mit brüder­lich ist es etwas problema­tischer, da geschwi­ster­lich zu schwe­ster­lich klingt und es nicht ins Versmaß paßt. Und wer will sich in eine Zeit zurück­denken, da auch Mädchen Brüder waren? Ein Fremd­wort wie coura­giert mag den Migranten aus franzö­sischen Kolonien keine Probleme bereiten. Wie aber sieht es mit den Fußball­fans bei Länder­spielen aus? Oder sollten die Deut­schen nur der Musik lauschen und wie die spani­schen Spieler lautlos auf dem Platz stehen? Zu „Heini­witzka, Frau Kapi­tänin“ [3] können wir auch nicht zurück. Die Auflö­sung der National­staaten aber wird alle diese Probleme aus der Welt schaffen. Außer „Gott mit dir, du Land der Bayern“ wird dann mit Rück­sicht auf fana­tische Muslime nur noch getrom­melt.

[1] Cornelia Geissler: Deutsche Hymne bald ohne "Vater­land"? Frank­furter Rund­schau, 04.03.2018. Sie erwähnt auch, daß die erste Strophe Deutsch­land zu groß sieht und die zweite recht feminin wirkt. Doch das trügt seit „Avenidas“ an der Wand.

[2] Stanislaw Lem: Imaginäre Größe. Suhrkamp, Frankfurt 1981. Seite 106: „Tabelle LXXIX ‒ Repro­duktion des Stich­wortes MAMA aus dem Wörter­buch der Null­sprache, vorher­gesagt für das Jahr 2190 […] ‒ MAMA Subst. weibl. Geschl. 1. Mini­atom­bombe, illeg. Prod. […] 2. Frau, die ein Kind geboren hat (unge­bräuch­lich).“

[3] Frank Behling: Aida befördert Frau zum Kapitän. Kieler Nach­richten, 04.03.2018.

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