Volksabstimmungen
Hier die weniger bekannten Abstimmungen der Hessen am 29. Oktober 2018:

Nr. Inhalt Linke wuerg Prozent
3 Inform. Selbstbest. ja nein 90,9
7 Infrastruktur enth. nein 90,0
6 Nachhaltigkeit enth. nein 89,1
2 Kinderrechte ja ja 89,1
9 Ehrenamt enth. nein 89,0
1 Gleichberechtigung ja nein 88,6
15 Rechnungshof ja ja 88,3
10 Sport enth. nein 87,8
8 Kultur enth. nein 87,7
14 Volksgesetzgebung nein nein 86,3
5 Staatszielbegriff nein nein 84,8
4 Todesstrafe ja ja 83,2
11 Europa ja ja 82,4
13  Gesetzesverkündigung  nein nein 81,4
12 passives Wahlalter ja ja 70,3

Die Liste ist nach Zustimmung geordnet. Der Tiefstwert von 70 Prozent für die Herab­setzung des Wahl­alters läge niedriger, wenn nicht die Möglich­keit bestanden hätte, mit einem Kreuz allen 15 Ver­fassungs­änderungen zuzu­stimmen. Aufatmen werden die Poli­tiker, daß nach Jahr­zehnten der Angst vor dem Votum der Bevöl­kerung die Todes­strafe gestri­chen wurde. An der relativ geringen Zustim­mung kann man sich gerne reiben und sie dem verhaßten einhei­mischen Wahlvolk oder der AfD zuschieben.

Ich habe nur fünf Verfas­sungsände­rungen zugestimmt, die allesamt mit den Stimmen der Linken im Landtag beschlossen wurden: Natür­lich zur Strei­chung der Todes­strafe, obgleich ich das Wort "abge­schafft" in einer Verfas­sung für über­flüssig halte. Sie ist ja kein Geschichts­buch. [1] Auch zu den Kinder­rechten, obwohl mir die Ände­rung zu länglich ist. Gleich­falls zugestimmt habe ich dem Bekenntnis zur euro­päischen Inte­gration, obgleich es nicht in einer Verfas­sung gelei­stet werden muß, schon gar nicht in der eines Bundes­landes. Schließ­lich war ich noch für eine verschärfte Kontrolle durch den Rech­nungshof und die Herab­setzung des passiven Wahl­alters auf 18 Jahre. Zwar wurde ich erst mit 21 Jahren voll­jährig und sehe nicht eine um drei Jahre frühere Reife. Doch warum sollen vernünf­tige Heran­wachsende nicht in den Landtag einziehen? Viel­leicht führt eine einheit­liche Grenze von 18 Jahren auch einmal zur konse­quenten Anwen­dung des Erwach­senen­straf­rechtes.

Ebenfalls mit der Linken bin ich gegen Staats­ziele in der Verfas­sung, die gewissen Sparten der Gesell­schaft Vorrang einräumen. Hier würden einfache Gesetze ausreichen, die leichter dem sich wandelnden Zeitgeist angepaßt werden können. So wichtig manche Themen auch sein mögen, sehe ich keinen Verfas­sungs­rang für Nach­haltig­keit, Infra­struktur, Kultur, Ehrenamt und Sport. Inter­essant wäre gewesen, wenn es zwar für diese Staats­ziele Mehrheiten gegeben hätte, aber keine für den Begriff Staatsziel selbst.

Während sich die Linke bei den konkreten Staats­zielen nur enthielt, hat sie wie ich nicht nur Staats­ziele grundsätzlich abgeleht, sondern auch die elek­troni­sche Verkün­digung von Gesetzen und die Stärkung der Volks­gesetz­gebung. Schon an den Verfas­sungs­ände­rungen selbst, die allesamt in ihrem Arti­kel 2 ein Inkraft­treten bereits am Tage nach ihrer Verkün­digung vorsehen, ist die Tendenz zu erkennen, den Bürgern keine 14 Tage zur Auswan­derung mehr einzu­räumen. Wird demnächst auf eine Druck­legung verzichtet und nur ins Internet gehauen, ist ein weiterer Schritt getan, geräuschlos Gesetze unterzu­jubeln. Und was die Volks­gesetz­gebung betrifft, vertraue ich mehr auf gewählte Parla­mentarier als auf des Volkes Stimme. Folgt sie wie in den vorlie­genden Volks­abstim­mungen nicht lamm­fromm der Obrig­keit, dann äußert sie sich nicht vernünftig, sondern populi­stisch im gegen­wärtig veralterden Wort­sinne.

Bleiben zwei Verfassungs­änderungen, denen die Linke zustimmte, ich aber nicht. Zum einen die Gleich­berech­tigung von Frauen und Männern, denn der neue Ab­satz 2 labert nur breit, was im ersten schon steht: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich! Ausdrück­lich erwähnt waren schon immer Geschlecht, Rasse und Über­zeugung. Außerdem fällt man mit "Frauen und Männer" hinter dem "Geschlecht" zurück, wie zum Entsetzen einiger auch "Rasse" nicht bei dieser Gelegen­heit gestrichen wurde.

Ebenfalls nicht zugestimmt habe ich dem Gelaber zur informa­tionellen Selbst­bestimmung, die ausdrück­lich durch einfache Gesetze einge­schränkt werden darf. Ohne umfang­reiche Detail­gesetze ist der neue Arti­kel 12a völlig wertlos. Außerdem mag ich eine Gesell­schaft nicht, in der jeder sich hemmungslos zur Schau stellt, dann aber sein Recht auf Privat­sphäre einfordert und in der Anony­mität unter­tauchen möchte. Adreß­bücher gibt es schon lange nicht mehr, in Telefon­büchern stehen nur noch Firmen und alte Menschen, die Klingel­schilder sind auch bald dran. Das möchte ich nicht dem Geschmack von Verfas­sungs­richtern über­lassen.

Todesstrafe. Zahlwort, 28.10.2018.

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