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Megalithisches Yard
wuerg, 13.06.2018 23:31
Archäologen graben nicht nur Scherben und Steine aus, sie wollen auch alte Schriften lesen und fragen sich, was unsere Vorfahren mit welchen Methoden und aus welchem Antrieb heraus gemacht haben. Nicht immer sind sie mit den Antworten zufrieden, schon gar nicht mit denen der zahllosen Spintisierer, die sich auf diesem Gebiet tummeln. Als Alexander Thom meinte, eine urzeitliche Maßeinheit gefunden zu haben, stieß er verständlicherweise nicht nur auf Zustimmung. [1] Er meinte, sie sei 2,715 englische Fuß lang, denn die in sehr alten Bauwerken gefundenen Abmessungen gingen angeblich aus diesem megalithischen Yard [2] durch Vervielfachung und Halbierung hervor.
Es mag eine solche Einheit wirklich schon mehrere Jahrtausende gegeben haben. Und es ist nicht unplausibel, daß sie Grundlage der Nippurelle wurde. Die Wikipedia nennt 8/5 dieser Elle. Das sieht unschön aus. Da aber eine Elle 30 und ein Fuß 16 Finger maß, waren es einfach drei Fuß, im besten Sinne also ein Yard. Natürlich kann man sich über die genaue Länge streiten:
1. 82,55707 cm ‒ von 366-Jüngern aus dem Pendel abgeleitet
2. 82,75320 cm ‒ 2,715′ nach Thom (halbes Klafter von 5,43′)
3. 82,90560 cm ‒ 2,72′ als grobe Näherung
4. 82,93600 cm ‒ 8/5 des Bestwertes der Nippurelle von 51,835 cm
5. 82,96256 cm ‒ von 366-Jüngern aus dem Erdumfang abgeleitet
6. 82,96656 cm ‒ 2,722′ dank verbesserter Statistik
7. 82,97856 cm ‒ 8/5 der 7-glatten Nippurelle von 518616 μm
8. 82,97956 cm ‒ Erdumfang zu 360⋅360⋅1000 kyrenaische Fuß
Thom hatte ursprünglich das megalithische Klafter mit 5,43 englischen Fuß gemittelt. Das sind 1,655064 Meter. Die Hälfte davon ist das megalithische Yard mit 82,75320 cm (2). Vielleicht aus esoterischen Gründen (e=2,72) wurde auf 2,72′ erhöht. Das sind 829056=2⁷⋅3⋅17⋅127 Mikrometer (3), die gut zu halbieren sind und metrologische Berechnungen erleichtern, denn ein Finger von genau 2³⋅17⋅127=17273 Mikrometern macht alle übrigen Maße ebenfalls ganzzahlig. Durch verbesserte Statistik wurde auf 2,722′ erhöht, woraus sich 82,96656 cm ergaben (6). Die metrologische Näherung ist eine 7‑glatte Zahl von 518616=2³⋅3³⋅7⁴ Mikrometern für die Nippurelle. Sie liegt genügend nahe an der ‚Realität‘ und ergibt mit 8/5 multipliziert die 82,97856 cm des metrologischen megalithischen Yard (7). Das mag hoch erscheinen, weil die eine Nippurelle aus dem Archäologischen Museum in Istanbul auf nur 51,845 cm vermessen wurde (4).
Natürlich ruft ein derart altes Maß auch die Esoteriker auf den Plan, die gerne irgendwie geartete Ableitungen aus der Natur oder gottgegebenen Dingen von sich geben, auch wenn es unmöglich scheint, daß in der Bronzezeit derartige Überlegungen möglich waren oder gar durchgeführt wurden. Egal, ob damals bereits erkannt, erst später bemerkt oder angedichtet: Der Erdumfang mißt ziemlich genau 360·360·1000 kyrenaische Fuß. Wäre das für den Polumfang von 40.008 km exakt, hätte ein kyrenaischer Fuß eine Länge von 30,87 cm, ein megalithisches Yard aus 336/125 kyrenaischen Fuß demnach 82,979555 cm (8). Diese 1000 kyrenaische Fuß entsprechen recht genau 372 megalithischen Yard, der Erdumfang also 360⋅360⋅372 davon. Das lädt Esoteriker geradezu ein, 360 und 372 auf zweimal 366 zu verteilen und einen Erdumfang von 360⋅366⋅366 megalithischen Yard zu postulieren. Bei einem Polumfang von 40.008 km ergeben sich 82,96256 cm (5). Turbeville [3] rechnet mit 82,966 und rundet auf 82,9 cm, da 83 zu plump und ungenau ausgesehen hätte oder sein Taschenrechner immer abrundet.
Es ist wohl gesichert, daß Gudea vor mehr als 4000 Jahren von seinen Metrologen bereits wußte, daß die Pendellängen nicht mit den Längenmaßen im Einklang standen. Er paßte letztere einfach an. Diese Macht haben neuzeitliche Esoteriker glücklicherweise nicht. Sie müssen sich irgendetwas zusammendichten, einen geheimen Zusammenhang suchen. Da kamen ihnen die 366 erneut gelegen. [4] Ein Pendel von einem megalithischen Yard führe 366⋅366 Halbschwingungen am Tage aus. Dann müßte es nach meinen Berechnungen eine Länge (86400/366²)²⋅s=82,55707 cm (1) haben, worin ich meinen Wert von s=99,225 cm für die Länge des Sekundenpendels eingesetzt habe, denn Turbeville schweigt sich über die Erdbeschleunigung im heutigen Irak aus.
Zusammenfassend könnten alle damit zufrieden sein: Vor mehr als 4000 Jahren verbreitete sich ein Maß von etwa 83 Zentimetern auf die gesamte alte Welt. Das verwundert nicht, denn auch damals konnte man Stäbe auf einen Millimeter genau kopieren und hatte Jahrhunderte Zeit, sie auch mit weit entfernten Kulturen abzugleichen.
Spätere Abbildungen zeigen Herrscher und Götter mit einem Stab und einem Ring, der wohl aus einem aufgewickelten Seil besteht. [5] Manchmal sieht es aus, als sei der Stab ein Nagel. Dessen Verwendung zur Entfernungsmessung liegt auf der Hand. Doch könnte alles auch wichtigere, selbst Göttern nützliche Funktionen gehabt haben. Zu sehen ist auch ein riesiges Gewicht an einem Seil. Es bleibt allerdings die Frage nach den genauen Abmessungen und der sich daraus ergebenden Pendelzeit.
[1] Chris Witcombe: Alexander Thom. Leider nur noch unter archive.org gefunden.
[2] Es ist nicht abwegig, die Elle für das ursprüngliche Maß zu halten. Nur wurde sie unterschiedlich geteilt, um daraus Fuß- und andere Maße abzuleiten. So änderte sich auch der Yard zu drei Fuß, der im Altertum wohl ungebräuchlich war, weshalb es sich beim megalithischen Yard wahrscheinlich nicht um die antike Basisgröße handelt und eher aus einer anderen abgeleitet ist. Zum Beispiel als halbes megalitisches Klafter.
[3] J. Turbeville: The Traditional System of 360 & The Megalithic System of 366. Leider nur noch unter archive.org gefunden. Neben der genannten Ableitung auch noch die des englischen Fußes als dem Äquatorialumfang von 40.075 km wieder geteilt durch 360 und 1000, aber nur durch die 365,2422 Tage des tropischen Jahres. Es ergeben sich 30,478 cm. Heutzutage mißt der englische Fuß exakt 30,48 cm. Dazu eine abenteuerliche Verbindung von Monatslänge (29,53d) Differenz von Sonnen- und Mondjahr (10,87d) mit dem englischen Fuß (MY=2,72′) gemäß 29,53/10,87=2,72.
[4] Robert Lomas: The Mystery of the Megalithic Yard Revealed. Darin eine abenteuerliche Beschreibung, wie Steine aufgestellt werden können, um ein eigenes megalithisches Yard herzustellen.
[5] Tafel von Shamash. Wikipedia. Da neigte sich die Bronzezeit bereits ihrem Ende zu.
Sekundenpendel | Menschenmaß | Wunschdenken
Es mag eine solche Einheit wirklich schon mehrere Jahrtausende gegeben haben. Und es ist nicht unplausibel, daß sie Grundlage der Nippurelle wurde. Die Wikipedia nennt 8/5 dieser Elle. Das sieht unschön aus. Da aber eine Elle 30 und ein Fuß 16 Finger maß, waren es einfach drei Fuß, im besten Sinne also ein Yard. Natürlich kann man sich über die genaue Länge streiten:
1. 82,55707 cm ‒ von 366-Jüngern aus dem Pendel abgeleitet
2. 82,75320 cm ‒ 2,715′ nach Thom (halbes Klafter von 5,43′)
3. 82,90560 cm ‒ 2,72′ als grobe Näherung
4. 82,93600 cm ‒ 8/5 des Bestwertes der Nippurelle von 51,835 cm
5. 82,96256 cm ‒ von 366-Jüngern aus dem Erdumfang abgeleitet
6. 82,96656 cm ‒ 2,722′ dank verbesserter Statistik
7. 82,97856 cm ‒ 8/5 der 7-glatten Nippurelle von 518616 μm
8. 82,97956 cm ‒ Erdumfang zu 360⋅360⋅1000 kyrenaische Fuß
Thom hatte ursprünglich das megalithische Klafter mit 5,43 englischen Fuß gemittelt. Das sind 1,655064 Meter. Die Hälfte davon ist das megalithische Yard mit 82,75320 cm (2). Vielleicht aus esoterischen Gründen (e=2,72) wurde auf 2,72′ erhöht. Das sind 829056=2⁷⋅3⋅17⋅127 Mikrometer (3), die gut zu halbieren sind und metrologische Berechnungen erleichtern, denn ein Finger von genau 2³⋅17⋅127=17273 Mikrometern macht alle übrigen Maße ebenfalls ganzzahlig. Durch verbesserte Statistik wurde auf 2,722′ erhöht, woraus sich 82,96656 cm ergaben (6). Die metrologische Näherung ist eine 7‑glatte Zahl von 518616=2³⋅3³⋅7⁴ Mikrometern für die Nippurelle. Sie liegt genügend nahe an der ‚Realität‘ und ergibt mit 8/5 multipliziert die 82,97856 cm des metrologischen megalithischen Yard (7). Das mag hoch erscheinen, weil die eine Nippurelle aus dem Archäologischen Museum in Istanbul auf nur 51,845 cm vermessen wurde (4).
Natürlich ruft ein derart altes Maß auch die Esoteriker auf den Plan, die gerne irgendwie geartete Ableitungen aus der Natur oder gottgegebenen Dingen von sich geben, auch wenn es unmöglich scheint, daß in der Bronzezeit derartige Überlegungen möglich waren oder gar durchgeführt wurden. Egal, ob damals bereits erkannt, erst später bemerkt oder angedichtet: Der Erdumfang mißt ziemlich genau 360·360·1000 kyrenaische Fuß. Wäre das für den Polumfang von 40.008 km exakt, hätte ein kyrenaischer Fuß eine Länge von 30,87 cm, ein megalithisches Yard aus 336/125 kyrenaischen Fuß demnach 82,979555 cm (8). Diese 1000 kyrenaische Fuß entsprechen recht genau 372 megalithischen Yard, der Erdumfang also 360⋅360⋅372 davon. Das lädt Esoteriker geradezu ein, 360 und 372 auf zweimal 366 zu verteilen und einen Erdumfang von 360⋅366⋅366 megalithischen Yard zu postulieren. Bei einem Polumfang von 40.008 km ergeben sich 82,96256 cm (5). Turbeville [3] rechnet mit 82,966 und rundet auf 82,9 cm, da 83 zu plump und ungenau ausgesehen hätte oder sein Taschenrechner immer abrundet.
Es ist wohl gesichert, daß Gudea vor mehr als 4000 Jahren von seinen Metrologen bereits wußte, daß die Pendellängen nicht mit den Längenmaßen im Einklang standen. Er paßte letztere einfach an. Diese Macht haben neuzeitliche Esoteriker glücklicherweise nicht. Sie müssen sich irgendetwas zusammendichten, einen geheimen Zusammenhang suchen. Da kamen ihnen die 366 erneut gelegen. [4] Ein Pendel von einem megalithischen Yard führe 366⋅366 Halbschwingungen am Tage aus. Dann müßte es nach meinen Berechnungen eine Länge (86400/366²)²⋅s=82,55707 cm (1) haben, worin ich meinen Wert von s=99,225 cm für die Länge des Sekundenpendels eingesetzt habe, denn Turbeville schweigt sich über die Erdbeschleunigung im heutigen Irak aus.
Zusammenfassend könnten alle damit zufrieden sein: Vor mehr als 4000 Jahren verbreitete sich ein Maß von etwa 83 Zentimetern auf die gesamte alte Welt. Das verwundert nicht, denn auch damals konnte man Stäbe auf einen Millimeter genau kopieren und hatte Jahrhunderte Zeit, sie auch mit weit entfernten Kulturen abzugleichen.
Spätere Abbildungen zeigen Herrscher und Götter mit einem Stab und einem Ring, der wohl aus einem aufgewickelten Seil besteht. [5] Manchmal sieht es aus, als sei der Stab ein Nagel. Dessen Verwendung zur Entfernungsmessung liegt auf der Hand. Doch könnte alles auch wichtigere, selbst Göttern nützliche Funktionen gehabt haben. Zu sehen ist auch ein riesiges Gewicht an einem Seil. Es bleibt allerdings die Frage nach den genauen Abmessungen und der sich daraus ergebenden Pendelzeit.
[1] Chris Witcombe: Alexander Thom. Leider nur noch unter archive.org gefunden.
[2] Es ist nicht abwegig, die Elle für das ursprüngliche Maß zu halten. Nur wurde sie unterschiedlich geteilt, um daraus Fuß- und andere Maße abzuleiten. So änderte sich auch der Yard zu drei Fuß, der im Altertum wohl ungebräuchlich war, weshalb es sich beim megalithischen Yard wahrscheinlich nicht um die antike Basisgröße handelt und eher aus einer anderen abgeleitet ist. Zum Beispiel als halbes megalitisches Klafter.
[3] J. Turbeville: The Traditional System of 360 & The Megalithic System of 366. Leider nur noch unter archive.org gefunden. Neben der genannten Ableitung auch noch die des englischen Fußes als dem Äquatorialumfang von 40.075 km wieder geteilt durch 360 und 1000, aber nur durch die 365,2422 Tage des tropischen Jahres. Es ergeben sich 30,478 cm. Heutzutage mißt der englische Fuß exakt 30,48 cm. Dazu eine abenteuerliche Verbindung von Monatslänge (29,53d) Differenz von Sonnen- und Mondjahr (10,87d) mit dem englischen Fuß (MY=2,72′) gemäß 29,53/10,87=2,72.
[4] Robert Lomas: The Mystery of the Megalithic Yard Revealed. Darin eine abenteuerliche Beschreibung, wie Steine aufgestellt werden können, um ein eigenes megalithisches Yard herzustellen.
[5] Tafel von Shamash. Wikipedia. Da neigte sich die Bronzezeit bereits ihrem Ende zu.
Sekundenpendel | Menschenmaß | Wunschdenken
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