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Schalttag
wuerg, 29.02.2004 18:28
Meine Suche nach dem 27. Buchstaben endete am 27. Februar. Die Zahl 28 ist zu bedeutend, um sie gestern nur kurz zu behandeln. Und zur 29 gibt es eigentlich kaum mehr als den wie heute alle vier Jahre wiederkehrenden Schalttag, den 29. Februar.
Ganze 16 Jahre sind nun vergangen, blogger.de gibt es immer noch, und heute ist wieder der 29. Februar. Gestern ein willkommener Anlaß, im Hausfrauen‐Fernsehen neben Essen, Gesundheit, Garten und Reisen auch einmal einen Blick in den Kalender zu werfen. Natürlich mußten Passanten befragt werden. Neben einem alten Herrn, der das Reizwort julianisch kannte, sonst aber auch nichts wußte, wurden nur ahnungslose junge Menschen gezeigt. Der Wahrheit am nächsten kam eine Frau mit ihrer Vermutung, der Monat Februar habe alle vier Jahre nur 28 Tage.
Nach einem solchen Stimmungsbild darf die Erklärung durch eine Reporterin nicht fehlen, die am 29. Februar geboren es ja wissen muß. Sie beginnt ganz gut mit der tropischen Jahreslänge von 365 Tagen, 5 Stunden und 49 Minuten, weshalb alle vier Jahre mit dem 29. Februar ein Schalttag eingefügt werden müsse, damit in 600 Jahren der Monat Juli nicht im Winter liege.
Meine Erwartung wurde bestätigt: Kein Wort über die weiteren Schaltregeln, daß alle 100 Jahre das Schaltjahr ausfällt und alle 400 wieder eingesetzt wird, weshalb 2000 ein Schaltjahr war und wir in einer 200‑jährigen Periode leben, in der es ohne Ausnahme alle vier Jahre einen 29. Februar gibt. Zur nächsten Unregelmäßigkeit im Jahre 2100 muß keiner mehr befragt werden, weil dann die implantierten persönlichen Assistenten die korrekte Antwort kennen.
Und bei der Gelegenheit hätte erwähnt werden können, warum der gregorianische Kalender mit seiner 4‑100‑400‐Schaltregel den julianischen ablöste, der stur alle vier Jahre einen 29. Februar vorsah. Weil dessen Jahr von durchschnittlich 365,25 Tagen um 0,00781 zu lang ist, sich so alle 128 Jahre der Frühlingsanfang um einen Tag nach vorne verschob und im Jahre 1582 schon auf den 11. März fiel. [1] Um das zu korrigieren, folgte am Übergang zum gregorianischen Kalender der 15. auf den 4. Oktober 1582.
Fast perfekt wäre es gewesen, alle 128 Jahre ein Schaltjahr ausfallen zu lassen, weil dann 300 Jahrtausende für einen Tag Differenz vergehen müßten. Doch konnte man sich vom Dezimalsystem nicht lösen, weshalb es zur 4‑100‑400‐Schaltregel mit einem mittleren gregorianischen Jahr zu 365,2425 Tagen kam, womit schon nach 3 Jahrtausenden ein Tag Differenz anfällt, worauf es aber wegen der Bedeutungslosigkeit des Menschen im Jahre 5000 nicht ankommen wird.
Eines aber habe ich doch durch den Fernsehbericht gelernt, denn die am 29. Februar geborene Frau wußte, daß sie in Normaljahren nicht am 28. Februar, sondern erst am 1. März ein Jahr älter wird. Das könnte wichtig sein, wenn man die Volljährigkeit erreicht und mit dem Auto fahren möchte oder der 28. Februar ein Wahltag ist.
Es ist sinnvoll, im n. Februar den (31+n)‑ten Tag des Jahres zu sehen, selbst wenn n weit über 28 liegt. Damit ist der 29. Februar immer der 60. Tag im Jahr, in Normaljahren identisch mit der Nummer des 1. März. Ein sinnvoller Kalender hätte den Schalttag am Jahresende, allerdings mit dem Nebeneffekt, daß am Schalttag Geborene in manchen Jahren zwei und in anderen keinen Geburtstag feiern könnten. Dann hätten sich die Juristen möglicherweise anders entschieden und den Geburtstag nicht nach hinten, sondern nach vorne verlegt. Der Schalttag im Februar hat somit auch seine positiven Aspekte.
Für einen zwischen 1901 und 2099 lebenden Mensch ist es nicht erforderlich, die genauen Schaltregeln des gregorianischen Kalenders zu kennen, eigentlich auch nicht die 4‑Jahresregel. [2] Man kann sich einfach auf den Wandkalender verlassen, ähnlich den Juden mit ihren sechs verschiedenen Jahreslängen und einem 13. Monat.
Auch Programmierer sind nur Menschen. Sie berechnen Datumsangaben immer wieder anders und manchmal nach falschen Vorstellungen. So hielten die ersten Tabellenkalkulationen bis hin zu Excel 2000 das Jahr 1900 für ein Schaltjahr. [3] Das ist schon früh aufgefallen, doch eine einfache Korrektur hätte unangenehme Nebenwirkungen gehabt.
[1] Wären wir wie die Kopten beim julianischen Kalender geblieben, hätten wir heute den 16. statt 29. Februar und würden singen: Der April ist gekommen, die Bäume schlagen aus. Das haben wir nun durch den Klimawandel auf anderem Wege auch erreicht.
[2] Eine Olympiade umfaßt vier Jahre und hat gegenwärtig wie im julianischen Kalender 1461 Tage, nach deren Vergehen wieder der gleiche Tag im gleichen Monat erreicht wird. Da 1461 aber nicht durch 7 teilbar ist, wird nicht der gleiche Wochentag getroffen. Für die gregorianische Periode von 400 Jahren zu 146097 Tagen ist das anders. Es sind genau 20871 Wochen. Deshalb und dank der fehlenden 10 Tage im Jahre 1582 trifft die Berechnung des Osterdatums einigermaßen das Leben Jesu. Das war Papst Gregor wohl wichtiger als Astronomie, Bauernregeln, Saat und Ernte.
[3] Lu Chen: Excel geht fälschlicherweise davon aus, dass das Jahr 1900 ein Schaltjahr ist. Microsoft.
29 | 128 | 688 | 1.1.2007 | Oktoberrevolution | Reformationstag
Ganze 16 Jahre sind nun vergangen, blogger.de gibt es immer noch, und heute ist wieder der 29. Februar. Gestern ein willkommener Anlaß, im Hausfrauen‐Fernsehen neben Essen, Gesundheit, Garten und Reisen auch einmal einen Blick in den Kalender zu werfen. Natürlich mußten Passanten befragt werden. Neben einem alten Herrn, der das Reizwort julianisch kannte, sonst aber auch nichts wußte, wurden nur ahnungslose junge Menschen gezeigt. Der Wahrheit am nächsten kam eine Frau mit ihrer Vermutung, der Monat Februar habe alle vier Jahre nur 28 Tage.
Nach einem solchen Stimmungsbild darf die Erklärung durch eine Reporterin nicht fehlen, die am 29. Februar geboren es ja wissen muß. Sie beginnt ganz gut mit der tropischen Jahreslänge von 365 Tagen, 5 Stunden und 49 Minuten, weshalb alle vier Jahre mit dem 29. Februar ein Schalttag eingefügt werden müsse, damit in 600 Jahren der Monat Juli nicht im Winter liege.
Meine Erwartung wurde bestätigt: Kein Wort über die weiteren Schaltregeln, daß alle 100 Jahre das Schaltjahr ausfällt und alle 400 wieder eingesetzt wird, weshalb 2000 ein Schaltjahr war und wir in einer 200‑jährigen Periode leben, in der es ohne Ausnahme alle vier Jahre einen 29. Februar gibt. Zur nächsten Unregelmäßigkeit im Jahre 2100 muß keiner mehr befragt werden, weil dann die implantierten persönlichen Assistenten die korrekte Antwort kennen.
Und bei der Gelegenheit hätte erwähnt werden können, warum der gregorianische Kalender mit seiner 4‑100‑400‐Schaltregel den julianischen ablöste, der stur alle vier Jahre einen 29. Februar vorsah. Weil dessen Jahr von durchschnittlich 365,25 Tagen um 0,00781 zu lang ist, sich so alle 128 Jahre der Frühlingsanfang um einen Tag nach vorne verschob und im Jahre 1582 schon auf den 11. März fiel. [1] Um das zu korrigieren, folgte am Übergang zum gregorianischen Kalender der 15. auf den 4. Oktober 1582.
Fast perfekt wäre es gewesen, alle 128 Jahre ein Schaltjahr ausfallen zu lassen, weil dann 300 Jahrtausende für einen Tag Differenz vergehen müßten. Doch konnte man sich vom Dezimalsystem nicht lösen, weshalb es zur 4‑100‑400‐Schaltregel mit einem mittleren gregorianischen Jahr zu 365,2425 Tagen kam, womit schon nach 3 Jahrtausenden ein Tag Differenz anfällt, worauf es aber wegen der Bedeutungslosigkeit des Menschen im Jahre 5000 nicht ankommen wird.
Eines aber habe ich doch durch den Fernsehbericht gelernt, denn die am 29. Februar geborene Frau wußte, daß sie in Normaljahren nicht am 28. Februar, sondern erst am 1. März ein Jahr älter wird. Das könnte wichtig sein, wenn man die Volljährigkeit erreicht und mit dem Auto fahren möchte oder der 28. Februar ein Wahltag ist.
Es ist sinnvoll, im n. Februar den (31+n)‑ten Tag des Jahres zu sehen, selbst wenn n weit über 28 liegt. Damit ist der 29. Februar immer der 60. Tag im Jahr, in Normaljahren identisch mit der Nummer des 1. März. Ein sinnvoller Kalender hätte den Schalttag am Jahresende, allerdings mit dem Nebeneffekt, daß am Schalttag Geborene in manchen Jahren zwei und in anderen keinen Geburtstag feiern könnten. Dann hätten sich die Juristen möglicherweise anders entschieden und den Geburtstag nicht nach hinten, sondern nach vorne verlegt. Der Schalttag im Februar hat somit auch seine positiven Aspekte.
Für einen zwischen 1901 und 2099 lebenden Mensch ist es nicht erforderlich, die genauen Schaltregeln des gregorianischen Kalenders zu kennen, eigentlich auch nicht die 4‑Jahresregel. [2] Man kann sich einfach auf den Wandkalender verlassen, ähnlich den Juden mit ihren sechs verschiedenen Jahreslängen und einem 13. Monat.
Auch Programmierer sind nur Menschen. Sie berechnen Datumsangaben immer wieder anders und manchmal nach falschen Vorstellungen. So hielten die ersten Tabellenkalkulationen bis hin zu Excel 2000 das Jahr 1900 für ein Schaltjahr. [3] Das ist schon früh aufgefallen, doch eine einfache Korrektur hätte unangenehme Nebenwirkungen gehabt.
[1] Wären wir wie die Kopten beim julianischen Kalender geblieben, hätten wir heute den 16. statt 29. Februar und würden singen: Der April ist gekommen, die Bäume schlagen aus. Das haben wir nun durch den Klimawandel auf anderem Wege auch erreicht.
[2] Eine Olympiade umfaßt vier Jahre und hat gegenwärtig wie im julianischen Kalender 1461 Tage, nach deren Vergehen wieder der gleiche Tag im gleichen Monat erreicht wird. Da 1461 aber nicht durch 7 teilbar ist, wird nicht der gleiche Wochentag getroffen. Für die gregorianische Periode von 400 Jahren zu 146097 Tagen ist das anders. Es sind genau 20871 Wochen. Deshalb und dank der fehlenden 10 Tage im Jahre 1582 trifft die Berechnung des Osterdatums einigermaßen das Leben Jesu. Das war Papst Gregor wohl wichtiger als Astronomie, Bauernregeln, Saat und Ernte.
[3] Lu Chen: Excel geht fälschlicherweise davon aus, dass das Jahr 1900 ein Schaltjahr ist. Microsoft.
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