Trick statt Mathematik
wuerg, 09.03.2025 21:34
Viele sog. mathematische Probleme aus Youtube-Filmchen arbeiten mit billigen Tricks, um anzugeben. In Wirklichkeit war die Lösung bekannt, man arbeitete nur auf sie zu und nennt keine Gründe für die daraus resultierenden merkwürdigen Umformungen. Man sagt natürlich nicht, wie man erstmalig zur Lösung kam, wenn nicht umgekehrt ein Problem zu ihr gebastelt wurde. Das empfinde ich als unredlich, nenne es in der überschrift aber nur Trick, weil es sich so schön reimt. Ein ukrainisches Beispiel: [1]
Zunächst die auf der Hand liegende Beseitigung der Wurzel im Nenner und Auslagerung der 16 zu 4√(4+√15). Vor allem in konstruierten Fällen wie hier kannn die Doppelwurzel über
±√x±√y=√(a±√b), also x+y=a=−p und x⋅y=±b/4=q und
x,y=(a±√D)/2 Lösung von z²+pz+q=0 mit D=a²∓b
beseitigt werden, sofern die Diskriminante D Quadrat einer rationalen Zahl ist. Hier D=1, damit x=5/2 und y=3/2, was zur Lösung √40+√24 führt.
[1] Fällt mir im Zusammenhang mit Rechenmätzchen die Ukraine wegen des Krieges nur zunehmend auf, oder wird sie wie Havard, Oxford und Einstein zur Effekthascherei öfter genannt? Zumindest ist es noch nicht so wie beim ESC, daß man die Ukraine die Mathematik-Schülerolympiade gewinnen läßt.
[2] Ukraine | Can you Solve?? | Nice Radical Olympiad Mathematics! #maths #math #olympiad. GT Academix, Youtube, März 2025.
/ 16 Only Gunies Solve This? \/ 4−√15Die Frage kann ich mit nein beantworten. Und nach zwanzig teilweise unmotivierten Schritten kommt √24+√40 heraus. Das ist keine Mathematik sondern angeberische Augenwischerei! Eher mathematisch zu nennen ist die folgende Vorgehensweise, die auch in vielen ähnlichen Fällen zur Lösung führt:
Zunächst die auf der Hand liegende Beseitigung der Wurzel im Nenner und Auslagerung der 16 zu 4√(4+√15). Vor allem in konstruierten Fällen wie hier kannn die Doppelwurzel über
±√x±√y=√(a±√b), also x+y=a=−p und x⋅y=±b/4=q und
x,y=(a±√D)/2 Lösung von z²+pz+q=0 mit D=a²∓b
beseitigt werden, sofern die Diskriminante D Quadrat einer rationalen Zahl ist. Hier D=1, damit x=5/2 und y=3/2, was zur Lösung √40+√24 führt.
[1] Fällt mir im Zusammenhang mit Rechenmätzchen die Ukraine wegen des Krieges nur zunehmend auf, oder wird sie wie Havard, Oxford und Einstein zur Effekthascherei öfter genannt? Zumindest ist es noch nicht so wie beim ESC, daß man die Ukraine die Mathematik-Schülerolympiade gewinnen läßt.
[2] Ukraine | Can you Solve?? | Nice Radical Olympiad Mathematics! #maths #math #olympiad. GT Academix, Youtube, März 2025.
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wuerg,
12.03.2025 21:38
Wieder Augenwischerei [1]
(1) x4+2x3−x2−6x−3=0
die über eine Formel lösbar ist, ich aber nachschlagen müßte. Außerdem ist dieser Weg hier sicherlich nicht intendiert. Vielmehr wird im Video ‚geschickt‘ zu
[x2/(x+1)]2+2[x2/(x+1)]=3, also m2+2m=3 für m=x2/(x+1)
umgeformt. Jede der zwei Lösungen für m führt auf jeweils zwei für x. Darauf kam ich nicht, zumal ich die Konstruktion der Aufgabe aus der Lösung nicht kannte. Im Filmchen wurde sie einfach rückwärts abgespult, wenn nicht ohne jedes Hinterfragen abgekupfert. Das ist Verarschung und keine Heranführung an die Mathematik. [2]
Wie sind also die vermutlich einfachen Lösungen zu finden? Zeichnet oder berechnet man grob das Polynom zu (1), sieht man reelle Nullstellen in der Nähe von 1,6 und −0,6. Damit besteht Verdacht auf goldenen Schnitt. Φ und −φ könnten also Lösungen sein. [3] Dann müßte die linke Seite von (1) durch (x+φ)(x−Φ), also x²−x−1 ohne Rest teilbar sein. Die Polynomdivision ergibt tatsächlich
(x2+3x+3)(x2−x−1)=0
mit den Lösungen Φ und −φ, also (1±√5)/2 sowie (−3±i√3)/2.
[1] A Nice Algebra Problem | Math Olympiad | Solve for x=?. SALogic, Youtube, März 2025.
[2] Es ist durchaus nicht unredlich oder unmathematisch, in Überlegungen trickreiche Wendungen einzubauen. Viele wurden erst nach langer Zeit gefunden. Doch hier handelt es sich um eine bedeutungslose versteckte Beziehung, die mit keinem Wort erläutert wird und nur der Angeberei dient.
[3] Der Verdacht muß nicht überprüft werden. Wäre er falsch, ginge die nachfolgende Polynomdivison nicht auf. Es ist aber nett, −φ und Φ in die Ausgangsgleichung einzusetzen, um auf die schöne Beziehung Φ²+φ²=3 zu kommen. Dazu sind Φ=φ+1=1/φ, Φ²=Φ+1 und φ²=1−φ recht nützlich.
Goldener Schnitt
x2 x2 + ------ = 3 x = ? (x+1)2Das entspricht der Gleichung
(1) x4+2x3−x2−6x−3=0
die über eine Formel lösbar ist, ich aber nachschlagen müßte. Außerdem ist dieser Weg hier sicherlich nicht intendiert. Vielmehr wird im Video ‚geschickt‘ zu
[x2/(x+1)]2+2[x2/(x+1)]=3, also m2+2m=3 für m=x2/(x+1)
umgeformt. Jede der zwei Lösungen für m führt auf jeweils zwei für x. Darauf kam ich nicht, zumal ich die Konstruktion der Aufgabe aus der Lösung nicht kannte. Im Filmchen wurde sie einfach rückwärts abgespult, wenn nicht ohne jedes Hinterfragen abgekupfert. Das ist Verarschung und keine Heranführung an die Mathematik. [2]
Wie sind also die vermutlich einfachen Lösungen zu finden? Zeichnet oder berechnet man grob das Polynom zu (1), sieht man reelle Nullstellen in der Nähe von 1,6 und −0,6. Damit besteht Verdacht auf goldenen Schnitt. Φ und −φ könnten also Lösungen sein. [3] Dann müßte die linke Seite von (1) durch (x+φ)(x−Φ), also x²−x−1 ohne Rest teilbar sein. Die Polynomdivision ergibt tatsächlich
(x2+3x+3)(x2−x−1)=0
mit den Lösungen Φ und −φ, also (1±√5)/2 sowie (−3±i√3)/2.
[1] A Nice Algebra Problem | Math Olympiad | Solve for x=?. SALogic, Youtube, März 2025.
[2] Es ist durchaus nicht unredlich oder unmathematisch, in Überlegungen trickreiche Wendungen einzubauen. Viele wurden erst nach langer Zeit gefunden. Doch hier handelt es sich um eine bedeutungslose versteckte Beziehung, die mit keinem Wort erläutert wird und nur der Angeberei dient.
[3] Der Verdacht muß nicht überprüft werden. Wäre er falsch, ginge die nachfolgende Polynomdivison nicht auf. Es ist aber nett, −φ und Φ in die Ausgangsgleichung einzusetzen, um auf die schöne Beziehung Φ²+φ²=3 zu kommen. Dazu sind Φ=φ+1=1/φ, Φ²=Φ+1 und φ²=1−φ recht nützlich.
Goldener Schnitt
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wuerg,
16.03.2025 22:39
„x³+2=3∛(3x−2) ‒ x=?“. [1] Diesmal wenigstens wirklich ein netter Trick: Es wird ∛(3x−2) durch y ersetzt. Das führt auf x³=3y−2 und ysup3;=3x−2 mit der Differenz x³−y³=−3(x−y), also x=y oder x²+xy+y²+3=0, was aber immer über 0 liegt. [2] Es verbleibt x³−3x+3=0, was durch einen kleinen zweiten Trick zu (x−1)(x²+x−2)=0 faktorisiert wird. Der linke Faktor liefert x₁=1, der rechte durch erneute Faktorisierung x₂=1 und x₃=−2. Das sind aber nur zwei Lösungen, wenngleich seine Behauptung, 1 sei eine doppelte Lösung, im weitesten Sinne gerechtfertigt ist. [3]
Ich bin auf y=∛(3x−2) nicht gekommen. Wahrscheinlich hielt mein Kleinhirn solche Ersetzungen für im allgemeinen wenig zielführend und beachtete nicht den Hinweis meines Großhirnes, es handele sich ja eine für solche Mätzchen konstruierte Aufgabe. Deshalb ging ich es mit gesunden Menschenverstand an: Offensichtlich sind 1 und −2 Lösungen. Skizziert man linke und rechte Seite, ist bei 1 sogar eine tangentiale Berührung zu vermuten.
Die dritte Potenz beider Seiten zu bilden und aus dem Polynom neunten Grades den Faktor (x−1)²(x+2) rauszudividieren, hinterläßt leider ein Polynom sechsten Grades, von dem man zeigen könnte, daß es beständig positiv ist, also keine Nullstelle hat.
Das ist zu mühsam und deshalb zu Fuß: Die linke Seite f(x)=x³+2 weist für x≤0 eine Rechts-, die rechte g(x)=3∛(3x−2) eine Linkskrümmung auf. Wegen f(0)>0>g(0) ist in diesem Bereich also nur ein gemeinsamer Punkt möglich, nämlich der bei x=−2. Bei x=1 berühren sich f und g mit gemeinsamer Tangente 3x. Da f für x>1 links- und g rechts gekrümmt ist, entsteht in diesem Bereich kein weiterer gemeinsamer Punkt. Ebenso keiner wegen g(x)≤0<3≤f(x) im Streifen 0≤x≤⅔ und wegen f ′(x)<3<g′(x) im verbleibenden Streifen ⅔<x<1. Damit sind die einzigen reelen Lösungen x=1 und x=−2. Nicht mit Index 1 und 2, schon gar nicht 1, 2 und 3.
Weshab schreibe ich das so breit? Weil Mathematik nur selten darin besteht, einen Trick zu finden. Es ist nichts einzuwenden gegen schlichtes zielführendes Vorgehen, das im Vergleich mit dem Trick zwar zeitaufwendig ist und umständlich erscheint, aber zumeist immer noch schneller ist als die stunden- bis jahrelange Suche nach diesem Trick. Besonders gemein finde ich, daß Filmchen wie diese sich an ein Publikum wenden, das keine Analysis zur Lösung einsetzen kann und darauf angewiesen ist, einen solchen Trick zu finden. Das ist weniger Mathematik, mehr Angeberei und zumeist nur abgekupfert.
[1] A Nice Algebra Problem | Math Olympiad | Can you solve for x=?. SALogic, Youtube, März 2025.
[2] Tricks für konstruierte Aufgaben haben geringen sittlichen Nährwert. Ein eleganterer ist der zum Beweis, daß x²+xy+y² nicht negativ sein kann: x²+xy+y²≥∣x∣²−2∣x∣∣y∣+∣y∣²=(∣x∣−∣y∣)²≥0.
[3] Durch ‚Kubieren‘ der Ausgangsgleichung erhält man x⁹+6x⁶+12x³−81x+62=0. Das Polynom links hat eine einfache Nullstelle bei −2 und eine doppelte bei 1. Daher die den normalen Zuschauer verwirrende Redeweise mit der doppelten Lösung.
Ich bin auf y=∛(3x−2) nicht gekommen. Wahrscheinlich hielt mein Kleinhirn solche Ersetzungen für im allgemeinen wenig zielführend und beachtete nicht den Hinweis meines Großhirnes, es handele sich ja eine für solche Mätzchen konstruierte Aufgabe. Deshalb ging ich es mit gesunden Menschenverstand an: Offensichtlich sind 1 und −2 Lösungen. Skizziert man linke und rechte Seite, ist bei 1 sogar eine tangentiale Berührung zu vermuten.
Die dritte Potenz beider Seiten zu bilden und aus dem Polynom neunten Grades den Faktor (x−1)²(x+2) rauszudividieren, hinterläßt leider ein Polynom sechsten Grades, von dem man zeigen könnte, daß es beständig positiv ist, also keine Nullstelle hat.
Das ist zu mühsam und deshalb zu Fuß: Die linke Seite f(x)=x³+2 weist für x≤0 eine Rechts-, die rechte g(x)=3∛(3x−2) eine Linkskrümmung auf. Wegen f(0)>0>g(0) ist in diesem Bereich also nur ein gemeinsamer Punkt möglich, nämlich der bei x=−2. Bei x=1 berühren sich f und g mit gemeinsamer Tangente 3x. Da f für x>1 links- und g rechts gekrümmt ist, entsteht in diesem Bereich kein weiterer gemeinsamer Punkt. Ebenso keiner wegen g(x)≤0<3≤f(x) im Streifen 0≤x≤⅔ und wegen f ′(x)<3<g′(x) im verbleibenden Streifen ⅔<x<1. Damit sind die einzigen reelen Lösungen x=1 und x=−2. Nicht mit Index 1 und 2, schon gar nicht 1, 2 und 3.
Weshab schreibe ich das so breit? Weil Mathematik nur selten darin besteht, einen Trick zu finden. Es ist nichts einzuwenden gegen schlichtes zielführendes Vorgehen, das im Vergleich mit dem Trick zwar zeitaufwendig ist und umständlich erscheint, aber zumeist immer noch schneller ist als die stunden- bis jahrelange Suche nach diesem Trick. Besonders gemein finde ich, daß Filmchen wie diese sich an ein Publikum wenden, das keine Analysis zur Lösung einsetzen kann und darauf angewiesen ist, einen solchen Trick zu finden. Das ist weniger Mathematik, mehr Angeberei und zumeist nur abgekupfert.
[1] A Nice Algebra Problem | Math Olympiad | Can you solve for x=?. SALogic, Youtube, März 2025.
[2] Tricks für konstruierte Aufgaben haben geringen sittlichen Nährwert. Ein eleganterer ist der zum Beweis, daß x²+xy+y² nicht negativ sein kann: x²+xy+y²≥∣x∣²−2∣x∣∣y∣+∣y∣²=(∣x∣−∣y∣)²≥0.
[3] Durch ‚Kubieren‘ der Ausgangsgleichung erhält man x⁹+6x⁶+12x³−81x+62=0. Das Polynom links hat eine einfache Nullstelle bei −2 und eine doppelte bei 1. Daher die den normalen Zuschauer verwirrende Redeweise mit der doppelten Lösung.
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