Volksabstimmungen
wuerg, 03.11.2018 19:00
Hier die weniger bekannten Abstimmungen der Hessen am 29. Oktober 2018:
Die Liste ist nach Zustimmung geordnet. Der Tiefstwert von 70 Prozent für die Herabsetzung des Wahlalters läge niedriger, wenn nicht die Möglichkeit bestanden hätte, mit einem Kreuz allen 15 Verfassungsänderungen zuzustimmen. Aufatmen werden die Politiker, daß nach Jahrzehnten der Angst vor dem Votum der Bevölkerung die Todesstrafe gestrichen wurde. An der relativ geringen Zustimmung kann man sich gerne reiben und sie dem verhaßten einheimischen Wahlvolk oder der AfD zuschieben.
Ich habe nur fünf Verfassungsänderungen zugestimmt, die allesamt mit den Stimmen der Linken im Landtag beschlossen wurden: Natürlich zur Streichung der Todesstrafe, obgleich ich das Wort "abgeschafft" in einer Verfassung für überflüssig halte. Sie ist ja kein Geschichtsbuch. [1] Auch zu den Kinderrechten, obwohl mir die Änderung zu länglich ist. Gleichfalls zugestimmt habe ich dem Bekenntnis zur europäischen Integration, obgleich es nicht in einer Verfassung geleistet werden muß, schon gar nicht in der eines Bundeslandes. Schließlich war ich noch für eine verschärfte Kontrolle durch den Rechnungshof und die Herabsetzung des passiven Wahlalters auf 18 Jahre. Zwar wurde ich erst mit 21 Jahren volljährig und sehe nicht eine um drei Jahre frühere Reife. Doch warum sollen vernünftige Heranwachsende nicht in den Landtag einziehen? Vielleicht führt eine einheitliche Grenze von 18 Jahren auch einmal zur konsequenten Anwendung des Erwachsenenstrafrechtes.
Ebenfalls mit der Linken bin ich gegen Staatsziele in der Verfassung, die gewissen Sparten der Gesellschaft Vorrang einräumen. Hier würden einfache Gesetze ausreichen, die leichter dem sich wandelnden Zeitgeist angepaßt werden können. So wichtig manche Themen auch sein mögen, sehe ich keinen Verfassungsrang für Nachhaltigkeit, Infrastruktur, Kultur, Ehrenamt und Sport. Interessant wäre gewesen, wenn es zwar für diese Staatsziele Mehrheiten gegeben hätte, aber keine für den Begriff Staatsziel selbst.
Während sich die Linke bei den konkreten Staatszielen nur enthielt, hat sie wie ich nicht nur Staatsziele grundsätzlich abgeleht, sondern auch die elektronische Verkündigung von Gesetzen und die Stärkung der Volksgesetzgebung. Schon an den Verfassungsänderungen selbst, die allesamt in ihrem Artikel 2 ein Inkrafttreten bereits am Tage nach ihrer Verkündigung vorsehen, ist die Tendenz zu erkennen, den Bürgern keine 14 Tage zur Auswanderung mehr einzuräumen. Wird demnächst auf eine Drucklegung verzichtet und nur ins Internet gehauen, ist ein weiterer Schritt getan, geräuschlos Gesetze unterzujubeln. Und was die Volksgesetzgebung betrifft, vertraue ich mehr auf gewählte Parlamentarier als auf des Volkes Stimme. Folgt sie wie in den vorliegenden Volksabstimmungen nicht lammfromm der Obrigkeit, dann äußert sie sich nicht vernünftig, sondern populistisch im gegenwärtig veralterden Wortsinne.
Bleiben zwei Verfassungsänderungen, denen die Linke zustimmte, ich aber nicht. Zum einen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, denn der neue Absatz 2 labert nur breit, was im ersten schon steht: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich! Ausdrücklich erwähnt waren schon immer Geschlecht, Rasse und Überzeugung. Außerdem fällt man mit "Frauen und Männer" hinter dem "Geschlecht" zurück, wie zum Entsetzen einiger auch "Rasse" nicht bei dieser Gelegenheit gestrichen wurde.
Ebenfalls nicht zugestimmt habe ich dem Gelaber zur informationellen Selbstbestimmung, die ausdrücklich durch einfache Gesetze eingeschränkt werden darf. Ohne umfangreiche Detailgesetze ist der neue Artikel 12a völlig wertlos. Außerdem mag ich eine Gesellschaft nicht, in der jeder sich hemmungslos zur Schau stellt, dann aber sein Recht auf Privatsphäre einfordert und in der Anonymität untertauchen möchte. Adreßbücher gibt es schon lange nicht mehr, in Telefonbüchern stehen nur noch Firmen und alte Menschen, die Klingelschilder sind auch bald dran. Das möchte ich nicht dem Geschmack von Verfassungsrichtern überlassen.
Todesstrafe. Zahlwort, 28.10.2018.
Nr. | Inhalt | Linke | wuerg | Prozent |
3 | Inform. Selbstbest. | ja | nein | 90,9 |
7 | Infrastruktur | enth. | nein | 90,0 |
6 | Nachhaltigkeit | enth. | nein | 89,1 |
2 | Kinderrechte | ja | ja | 89,1 |
9 | Ehrenamt | enth. | nein | 89,0 |
1 | Gleichberechtigung | ja | nein | 88,6 |
15 | Rechnungshof | ja | ja | 88,3 |
10 | Sport | enth. | nein | 87,8 |
8 | Kultur | enth. | nein | 87,7 |
14 | Volksgesetzgebung | nein | nein | 86,3 |
5 | Staatszielbegriff | nein | nein | 84,8 |
4 | Todesstrafe | ja | ja | 83,2 |
11 | Europa | ja | ja | 82,4 |
13 | Gesetzesverkündigung | nein | nein | 81,4 |
12 | passives Wahlalter | ja | ja | 70,3 |
Die Liste ist nach Zustimmung geordnet. Der Tiefstwert von 70 Prozent für die Herabsetzung des Wahlalters läge niedriger, wenn nicht die Möglichkeit bestanden hätte, mit einem Kreuz allen 15 Verfassungsänderungen zuzustimmen. Aufatmen werden die Politiker, daß nach Jahrzehnten der Angst vor dem Votum der Bevölkerung die Todesstrafe gestrichen wurde. An der relativ geringen Zustimmung kann man sich gerne reiben und sie dem verhaßten einheimischen Wahlvolk oder der AfD zuschieben.
Ich habe nur fünf Verfassungsänderungen zugestimmt, die allesamt mit den Stimmen der Linken im Landtag beschlossen wurden: Natürlich zur Streichung der Todesstrafe, obgleich ich das Wort "abgeschafft" in einer Verfassung für überflüssig halte. Sie ist ja kein Geschichtsbuch. [1] Auch zu den Kinderrechten, obwohl mir die Änderung zu länglich ist. Gleichfalls zugestimmt habe ich dem Bekenntnis zur europäischen Integration, obgleich es nicht in einer Verfassung geleistet werden muß, schon gar nicht in der eines Bundeslandes. Schließlich war ich noch für eine verschärfte Kontrolle durch den Rechnungshof und die Herabsetzung des passiven Wahlalters auf 18 Jahre. Zwar wurde ich erst mit 21 Jahren volljährig und sehe nicht eine um drei Jahre frühere Reife. Doch warum sollen vernünftige Heranwachsende nicht in den Landtag einziehen? Vielleicht führt eine einheitliche Grenze von 18 Jahren auch einmal zur konsequenten Anwendung des Erwachsenenstrafrechtes.
Ebenfalls mit der Linken bin ich gegen Staatsziele in der Verfassung, die gewissen Sparten der Gesellschaft Vorrang einräumen. Hier würden einfache Gesetze ausreichen, die leichter dem sich wandelnden Zeitgeist angepaßt werden können. So wichtig manche Themen auch sein mögen, sehe ich keinen Verfassungsrang für Nachhaltigkeit, Infrastruktur, Kultur, Ehrenamt und Sport. Interessant wäre gewesen, wenn es zwar für diese Staatsziele Mehrheiten gegeben hätte, aber keine für den Begriff Staatsziel selbst.
Während sich die Linke bei den konkreten Staatszielen nur enthielt, hat sie wie ich nicht nur Staatsziele grundsätzlich abgeleht, sondern auch die elektronische Verkündigung von Gesetzen und die Stärkung der Volksgesetzgebung. Schon an den Verfassungsänderungen selbst, die allesamt in ihrem Artikel 2 ein Inkrafttreten bereits am Tage nach ihrer Verkündigung vorsehen, ist die Tendenz zu erkennen, den Bürgern keine 14 Tage zur Auswanderung mehr einzuräumen. Wird demnächst auf eine Drucklegung verzichtet und nur ins Internet gehauen, ist ein weiterer Schritt getan, geräuschlos Gesetze unterzujubeln. Und was die Volksgesetzgebung betrifft, vertraue ich mehr auf gewählte Parlamentarier als auf des Volkes Stimme. Folgt sie wie in den vorliegenden Volksabstimmungen nicht lammfromm der Obrigkeit, dann äußert sie sich nicht vernünftig, sondern populistisch im gegenwärtig veralterden Wortsinne.
Bleiben zwei Verfassungsänderungen, denen die Linke zustimmte, ich aber nicht. Zum einen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, denn der neue Absatz 2 labert nur breit, was im ersten schon steht: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich! Ausdrücklich erwähnt waren schon immer Geschlecht, Rasse und Überzeugung. Außerdem fällt man mit "Frauen und Männer" hinter dem "Geschlecht" zurück, wie zum Entsetzen einiger auch "Rasse" nicht bei dieser Gelegenheit gestrichen wurde.
Ebenfalls nicht zugestimmt habe ich dem Gelaber zur informationellen Selbstbestimmung, die ausdrücklich durch einfache Gesetze eingeschränkt werden darf. Ohne umfangreiche Detailgesetze ist der neue Artikel 12a völlig wertlos. Außerdem mag ich eine Gesellschaft nicht, in der jeder sich hemmungslos zur Schau stellt, dann aber sein Recht auf Privatsphäre einfordert und in der Anonymität untertauchen möchte. Adreßbücher gibt es schon lange nicht mehr, in Telefonbüchern stehen nur noch Firmen und alte Menschen, die Klingelschilder sind auch bald dran. Das möchte ich nicht dem Geschmack von Verfassungsrichtern überlassen.
Todesstrafe. Zahlwort, 28.10.2018.
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