Katharina Zweig
Meine Stadtrandbibliothek bietet vor allem Spiele, Kinder­bücher, DVD und Bahn­hofs­lite­ratur, aber auch Spiegel-​Best­seller. So griff ich zu einem Buch von Katha­rina Zweig. [1]

Es ist ja ganz lustig von den vielen Fällen zu lesen, in denen die KI versagt hat: Falsche Kredit­würdig­keit, dunkle Gesichter nicht erkannt, Weg falsch, trotz Alibi ver­haftet, massen­weise falsch-​positiv, Uber-​Unfall, Stopp­schild nicht erkannt, um nur einige zu nennen. Lasse ich aber sowohl die recht schlichten, die falsch trai­nierten, die arglos einge­setzten und über­forder­ten Systeme als auch mensch­liches Ver­sagen außen vor, bleibt nur wenig:

Eigentlich nur ChatGPT und Konsorten, die zwar auch nicht mit Fakten­kennt­nis und Konsi­stenz glänzen, aber dem geneig­ten Anwender viel Arbeit abnehmen können. Ein Kollege sagte ange­sichts eines ersten Schach spie­lenden Taschen­rechners, es inter­essiere in wenig, wie gut er spiele, sei aber beein­druckt, daß er nur korrekte Züge mache. Das kann ChatGPT nicht, aber über­wälti­gend ist die einwand­freie Sprache und die formale Erfül­lung der gestell­ten Aufgabe.

Dagegen würde ich Systeme, die allent­halben zur Einstu­fung, Selek­tion oder Bilder­kennung einge­setzt werden, zumeist nicht als KI-Systeme bezeich­nen, insbe­sondere nicht solche, die aus wenigen am PC einge­hackten Daten mit einem Infor­mations­gehalt von ein paar Dutzend Bit Einstu­fungen ableiten. Soweit waren wir schon vor dreißig Jahren, da ich nach einer schönen Fort­bildung zu damaligen KI-Syste­men ganz normal mit PL/I weiter­gemacht habe. Geblie­ben ist mir nur ein Buch. [2]

[1] Katharina Zweig: Die KI war's! Heine, 2023. Der Titel erinnert mich daran, wie sehr für den Endbe­nutzer immer der Computer und für den Auftrag­geber der Program­mierer schuld war. Nie die falsche Erwar­tung und Bedie­nung, nie ungenaue Vor­gaben und mangel­hafte Hilfs­mittel.
[2] Michael Eisenberg: programming in Scheme. The Scien­tific Press, 1988. Die Effekt­hasche­rei beginnt schon mit dem klei­nen P im Titel. Und Scheme ist auch nur eine Program­mier­sprache, um das zu basteln, was man damals schon KI nannte und auf eine 5‑1/4-Zoll-​Diskette paßte.
[3] Helmar Frank (Hrg.): Kybernetik - Brücke zwischen den Wissen­schaften. Umschau Verlag, Frank­furt, 3. Auf­lage, 1962. Aus dem Umschlag­text: „Für die Kyber­netik ist kenn­zeich­nend, daß mathe­mati­sche Methoden in wissen­schaft­liche Bereiche ein­dringen, in denen sie bisher als nicht prakti­kabel erschie­nen, z. B. in Physio­logie, Psycho­logie und Sozio­logie.“ Dagegen ist der heutige Anspruch der KI doch recht beschei­den.

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Auf Seite 252 ist schwar­zweiß ein Stopp­schild mit vier kleinen Aufkleber zu sehen, das von einer KI für 45km/h gehalten wurde. Wahr­schein­lich nicht von der Software eines selbst­fahren­den Autos, sondern von eher schlecht trai­nierter Billig‑KI im Rahmen einer wie auch immer gear­teten Unter­suchung darüber, wo Auf­kleber anzu­bringen sind, um die KI schei­tern lassen, besser: Nachzu­weisen, daß nur minimale Ände­rungen dazu erfo­rder­lich sind.

Ich darf vermuten: Die Muster­erken­nung war wie das Bild im Buch nur schwarz­weiß, wodurch die groß­flächig rote Farbe des Stopp­schildes nicht zum Zuge kam. Auch wird es ein gedan­kenlos trai­niertes mono­lithi­sches System gewesen sein, zumin­dest keines, das (auch ohne KI) Acht­eckig­keit erkennt. Die seit Jahr­zehnten erprobte Schrift­erken­nung wird man sich ebenso gespart haben.

Was also will uns das sagen? Daß der Mensch so toll ist, weil er weiß, wo Stopp­schilder stehen könnten und sie dann auch sieht, sie schon gar nicht mit einem 45km/h-​Schild verwech­selt, das eher am Anfang denn am Ende einer Straße stünde und rund wäre. Nur gibt es ein solches Verkehrs­schild wohl gar nicht. Es war eher ein Auf­kleber eines geschwin­digkeits­beschränk­ten Fahrzeuges. Oder wurde damit trai­niert? Viel­leicht ist mein Eindruck ja nicht gerecht­fertigt: Schlechte Unter­suchung eines schlech­ten Systems.

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