Spieltheorie
„Die Spieltheorie ist eine mathe­mati­sche Methode, die das ratio­nale Ent­schei­dungs­ver­halten in sozia­len Konflikt­situa­tionen ableitet, in denen der Erfolg des Ein­zelnen nicht nur vom eigenen Handeln, sondern auch von den Akti­onen anderer abhängt.“ [1]

Wegen des Wörtchens „ist“ muß ich das gelten lassen. Als es noch den „ein­zelnen“ gab, war die Spiel­theorie zumin­dest für mich ein Gebiet der Mathe­matik, in dem man nicht zu ergrün­den ver­suchte, wie „Schach, Mühle, Dame, etc.“ [1] zu spielen ist, sondern sich über­legte, unter welchen Bedin­gungen gute, wenn nicht opti­male Stra­tegien exi­stie­ren und wie man sie zumin­dest theore­tisch findet. Das scheint als „mathe­mati­sche Spiel­theorie“ herab­gewür­digt Teil einer allge­meinen Spiel­theorie gewor­den zu sein, die den Finanz­töpfen nach­hängt und einen Pseudo-​Nobel­preis ermög­licht. [2]

So bleiben mir nur senti­mentale Erinne­rungen an ein Seminar: Auf die Eingangs­frage des Pro­fessors, ob das Maximum der Minima kleiner oder größer sei als das Minimum der Maxima, war ich natür­lich vorbe­reitet, hätte es mir aber auch schnell neu über­legen können. Damit machte es Sinn fortzu­fahren und den Beweis des Brouwer­schen Fix­punkt­satzes aus dem Buch von Burger [3] vorzu­tragen.

Wenn ich mir heute Youtube-​Filmchen [4] des Spiel­theore­tikers Chri­stian Rieck ansehe, dann scheint mir alles sehr weit davon entfernt. Seine Vorle­sungen gehen gewiß tiefer als seine regel­mäßigen Ein­las­sungen zu aktu­ellen Themen, in denen immer wieder alte chine­sische Kriegs­listen ange­führt werden. Nicht als histo­rische Referenz, sondern als immer noch gültige Stra­tegeme.

Trotzdem sehe ich mir seine Erläute­rungen gerne an, weil sie zumeist die aktu­elle Situa­tion ratio­naler zu beleuch­ten vermögen als es im allge­meinen ‚Diskurs‘ üblich geworden ist. Und so war ich zuvor gar nicht auf eine Binsen­weisheit im spiel­theore­tischen Konflikt zwischen der Hamas und dem Staate Israel gekommen:

Es geht der Hamas gar nicht um einen unmög­lichen Sieg über Israel, sondern um die Festi­gung der eigenen Herr­schaft. Ihr Angriff soll verhin­dern, in der Bedeu­tungs­losig­keit zu ver­sinken. Das hat Herr Rieck der NZZ ent­nommen, darauf sind also andere auch ohne Spiel­theo­rie gekom­men. Mich aber erinnert das an die fol­gende Über­legung:

Selbst theoretisch allerein­fachste Spiele wie Schach können ihre opti­malen, wenn auch unbe­kann­ten Strate­gien ein­büßen, wenn die Aus­zahlungs­funktion der Betei­ligten sich ändert, etwa durch Neben­abspra­chen. [5] Im allge­meinen ist unbe­kannt, was ein ratio­naler Spieler zu opti­mieren sucht. Das führte mich schon früh zur Umkehrung: Wenn seine Vor­gehens­weise einiger­maßen gewinn­verspre­chend ist, um was spielt er dann eigent­lich, was ist seine Aus­zahlungs­funktion?

Was verspricht sich die Hamas von einem Angriff, obwohl sie Israel nicht das Wasser reichen kann? Was macht die Ampel­par­teien glück­lich, daß sie Wahl­schlap­pen inkauf nehmen? Um was geht es Sahra Wagen­knecht, zumal sie in der Linken jede Posi­tion hätte erlan­gen können? Warum wollten viele den jetzt aufge­flogenen Ele­fanten im Raum nicht sehen, obschon sie ihn selbst ein­ließen? Was sind ihre Aus­zahlungs­funk­tionen?

[1] Wikipedia. Spieltheorie.
[2] Natürlich ist es eine große Leistung, Modelle durch­zurechnen, die dem Kern einer realen Situa­tion nahe kommen sollen. Selbst wenn es nur eine Simu­lation mit dem Computer ist. Ich kenne außer dem Film nichts von John Forbes Nash, doch wird er sowohl den Abel­preis für Mathe­matik als auch den Gedächt­nis-​Nobel­preis für Wirt­schaft verdient haben. Im Gegen­satz zu Arafat für den Frieden.
[3] Ewald Burger: Theorie der Spiele. De Gruyter, 1966. Mein Exemplar habe ich meinem Sohn über­lassen, der den Wert hoffent­lich zu schätzen weiß: Gebunden oder als PDF für 65 Cent pro Seite.
[4] Christian Rieck: Hamas greift Israel an: spiel­theore­tische Über­legungen. Youtube, 14.10.2023.
[5] Die Spieltheorie wird gerne dahin­gehend kritisiert, daß Menschen sich eben nicht rational ver­hielten. Diesen Makel weist die mathe­mati­sche Spiel­theorie nicht auf. In ihr geht es nicht um mensch­liche Spieler, sondern um die Spiele selbst. Und wenn einer sich schlau fühlt und zum Bei­spiel ein­wendet, im Turnier ginge es gar nicht um den Einzel­sieg im Spiel, dann lautet die Antwort: Ein Turnier ist eben ein anderes Spiel!

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