PEMDAS
Mein Leben lang hatte ich keine Probleme mit der Auswer­tung arith­meti­scher Ausdücke, in denen Zahlen, Plus-, Minus-, Mal- und Geteil­tzeichen, Bruchstriche, Hochzahlen, Wurzeln und vieles andere mehr vor­kamen, auch wenn sie unvoll­ständig geklam­mert waren, denn im allge­meinen ergibt sich das von selbst, wenn man die Schule durchläuft.

Natürlich kenne ich nicht nur Sprüche wie „rechts vor links“ und „erst links, dann rechts, dann geradeaus, so kommst du sicher gut nach Haus“, sondern auch „Punkt vor Strich“. Aus ihnen leite ich nicht mein Verhalten ab. Vielmehr ist es umgekehrt. Die Erfahrung aus dem Rechts­verkehr lehrt mich, was günstig ist. Wenn ich in der Eile durchaus Strich vor Punkt sage oder gar denke, so siegt doch schnell die ver­inner­lichte Rea­lität, Über­ein­kunft, Gepflo­gen­heit.

Bei manchen scheint es umgekehrt zu sein. Sie müssen blöde Regeln erlernen, um dank ihrer zum kor­rekten Ver­halten oder Ergeb­nis zu kommen. Ich will mich nicht über sie lustig machen, denn ich bin nicht aus bürger­lichem Hause, da man „mit, nach, von, zu, bei, aus“ nebst „durch, für, ohne, um, gegen“ nicht lernen muß, um mir und mich nicht zu verwech­seln. Gleich „Punkt vor Strich“ reicht das allein nicht aus.

So wie es keinen Grund gibt, aus mir oder mich deucht, einen Grund­satz­streit zu machen, ist auch 8÷2(2+2) keine Denk­sport­aufgabe, deren ver­meint­lich kor­rekte Auswer­tung nicht auf 1, sondern 16 zu führen hat, weil PEMDAS zu beachten sei. Das bedeutet „Paren­thesis, Expo­nentia­tion, Multi­plica­tion, Divi­sion, Addition, Subtrac­tion“ und kommt dem ameri­kani­schen Hang zu bedeu­tungs­schwan­geren Abkür­zungen nach, deren Buch­staben über den Inhalt hinaus auch noch zu lernen sind: Please Excuse My Dear Aunt Sally.

Doch löst PEMDAS allein das Problem nicht, denn es ist nicht nur zusätzlich zu lernen, daß M und D, aber auch A und S gleich­berech­tigt sind. Außerdem ist P keine Ope­ration und geson­dert zu ver­stehen. Von E will ich gar nicht reden. Auch nicht von − als Negation, einer einstel­ligen Opera­tion, die auf das addi­tive Inverse abbil­det. Zudem wird nichts aus­gesagt über die Reihen­folge der Aus­füh­rung. Weil Addi­tion und Subtrak­tion in der Sprech­reihen­folge, also von links nach rechts auszu­führen sind, muß es doch bei der Multi­plikation nicht ebenso sein, schließlich steht der Multi­pli­kator links vom Multi­plikan­den, und Lehrer werten 5⋅3=5+5+5 schon mal als falsch.

Inzwischen haben sich neben den Besser­wissern auch die Ver­nünf­tigen zu ‚viral gehenden‘ Aufgaben wie 8÷2(2+2) zu Wort gemeldet. Sie weisen auf den fehlen­den Multi­pli­kations­punkt hin, was Taschen­rechner durch­aus zum Ergeb­nis 1 bringen kann. Vor allem aber bemerken sie, daß es keine mathe­mati­sche Frage ist, allen­falls eine der je nach Geschmack kor­rekten Lineari­sierung von Aus­drücken. Mathe­mati­ker bevor­zugen nicht nur eindeu­tige, sondern auch schöne Dar­stel­lungen. Keiner würde 1/2x² als x²/2 oder ½x² sehen. Keiner verwendet unge­klam­mert mehr als ein Divi­sions­zeichen und sieht dies als linea­risier­ten Bruch­strich.

Ich bitte um Entschul­digung, mich hier noch­mals darüber aufgeregt zu haben. Es mußte aber sein, denn mit so blöden Aufgaben wie 8÷2(2+2) wird vor allem mit der selbst­gefäl­ligen Lösung 16 der Mathe­matik ein Bären­dienst erwie­sen. Man reiht sich ein in die Riege der Click­baiter, die mit abar­tigen Konstrukten geringer mathe­mati­scher Relevanz verarschen oder glänzen wollen.

8:2(2+2)

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