Sudoku: Anfang
Wer für die Schule und einen ange­nehmen Beruf zwar schlau genug war, die guten Noten und die hoch­bezahl­ten Beschäf­tigungen aber dem größ­ten­teils nur mäßig begabten Nach­wuchs der Bürger­lichen über­lassen mußte und mit dreißig oder vierzig Jahren erkennt, keine von den edlen Fähig­keiten wie Klavier­spielen mehr erlernen zu werden, weil er den Rest seines Lebens in der Fabrik oder im Haushalt zu schuften hat, der entfaltet gelegent­lich seine Intel­ligenz auf Randge­bieten wie Skatspiel oder neuer­dings auch Sudoku.

Obwohl ich stets gerne und früher auch oft Skat gespielt habe und nicht zur Mehrheit der Studie­renden gehörte, die auf dieses Spiel als eines für Bauern herab­sahen, ohne gegen die meisten Arbeiter je ein Bein auf die Erde bekommen zu können, habe ich mich dem Sudoku stets fern gehalten, gestern aber doch ein billi­ges Heft gekauft. Von den ersten zwanzig Auf­gaben habe ich nur die Hälfte bewäl­tigt.

Gewiß hätte ich alle lösen können, wenn ich bei einem Wider­spruch mit etwas mehr Umsicht von vorne begonnen und den Flüch­tig­keits­fehler ver­mieden hätte, der zum Mißer­folg führte. Zumeist hatte ich eine Zahl hinge­schrieben, die schon längst in ihrer Reihe, Spalte oder ihrem Kasten vorkam, es aber erst später bemerkt. Viel­leicht kommen weiter hinten im Heft auch noch Auf­gaben, die ich im eigent­lichen Sinne auf­geben muß, weil ich über­haupt keine Möglich­keit eines Fort­schrit­tes mehr sehe.

Ein gewisses Sucht­poten­tial steckt schon in den Sudoku-​Rätseln. Auch fressen sie recht viel Zeit, weil es ohne Hilfs­mittel recht lange dauern kann, sofern man sein Gehirn nicht zu einer Sudoku-​Maschine umge­baut hat, die auch schwie­rigere Kombi­natio­nen im Gedächt­nis bewäl­tigen kann und nicht eine Über­legung über die nächste vergißt. So wie gute Skat­spieler alle Punkte mit­zählen, um sicher auf 61 statt mit Glück auf 90 Punkte zu kommen, und nicht gerade sämt­liche, aber die ent­schei­denden Karten im Kopf haben.

Auf dem Umschlag meines Heftes steht, daß für Sudoku keiner­lei mathema­tisches Wissen erfor­der­lich sei. Es reiche aus, bis 9 zählen zu können. Doch auch das ist über­trieben. Nimmt man statt der 9 Zif­fern die Buch­staben A bis I, so sieht man schlag­artig, daß es mit Rechnen nichts zu tun hat. Und Mathe­matik würde darin nur einer vermuten, der Kombi­nato­rik als mathe­mati­sche Diszi­plin kennt oder jede Art von logi­schem oder schluß­fol­gerndem Denken für Mathe­matik hält.

Das mußte ich sagen, denn mathema­tischen Vorur­teilen darf sich ja jeder unge­niert hingeben und behaup­ten, als Mathe­matiker müsse man Sudoku in Windes­eile lösen können, andern­falls man wohl doch nicht so schlau sei, wie man immer den Anschein erwecke. Mit derar­tigem Schwach­sinn lebt der Mathe­matiker und revan­chiert sich, indem er sich solche Platt­heiten und Vorur­teile auf anderen Gebieten eben­falls gestat­tet. Zum Beispiel im Libanon-​Konflikt, in den andere ihre ganze Geistes­akro­batik inve­stieren.

Doch zurück zum Sudoku: Bisher hatte ich nur gele­gent­lich recht leichte Auf­gaben gelöst und meinte, man müsse nur alle Felder aus­füllen, in denen nur noch eine einzige Zahl nicht im Konflikt mit der eigenen Reihe, Spalte und dem eigenen Kasten steht. Und wenn diese Methode nichts mehr bringt, dann sind eben zwei Fälle zu unter­scheiden, von denen hoffent­lich einer bald in eine Sack­gasse führt. So oder noch bru­taler geht es tatsäch­lich mit dem Computer. Der unge­übte Mensch aber ist dafür nicht geeignet. Schnell ist in beiden Fällen aber­mals eine Fall­unter­scheidung nötig, der Über­blick dahin, die Geduld am Ende.

Inzwischen kann ich leichtere Fall­unter­schei­dungen bewäl­tigen, die auf den ersten Blick viel­leicht gar nicht als solche erkannt und gesehen werden. Zum Beispiel, wenn die Zahlen 3, 5 und 9 zu ver­geben sind, für 3 und 9 aber nur zwei der drei freien Felder möglich sind. Dann muß die 5 in jeder der beiden Plazie­rungenfür 3 und 9 notge­drungen in das dritte Käst­chen. Ich glaube, ich muß mir ein Buch kaufen, in der die mensch­lichen Metho­den be­schrie­ben sind. Mit dem Computer ist es so und so einfach.

Einer | Paare | Raster | Stufen

... link (15 Kommentare)   ... comment