1428
Im Islam gibt es keine Geister, die zu Neujahr mit Raketen und Knallkörpern vertrieben und mit Alkohol wieder gerufen werden müssen. Ich hätte aber schon erwartet, daß der Jahreswechsel wenigsten zur Kenntnis genommen wird. Eben, eine Stunde nach Sonnenuntergang war ich beim türkischen Gemüsehändler. Bei ihm war alles wie immer. Seine Kinder an der Kasse guckten nur ungläubig, als ich sie mit dem Jahr 1428 konfrontierte.

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Bei unserem Gemüsetürken
war soweit auch business as usual. Finde ich sehr sympathisch. Dann war also das Bemühen von Kemal Atatürk um Säkularisierung nicht völlig vergebens.

Aber die Kinder, die an der Kasse schuften müssen, mit solchen folkloristischen Quisquilien zu löchern, ich weiß ja nicht. Muss ja nicht heißen, dass die keine Ahnung hatten. Vermutlich fragten die sich nur, warum will der das wissen?

Nachtrag: Ich frage mich z.B. auch, wieviele gleichaltrige deutsche Kids den Beginn des neuen Kirchenjahres korrekt datieren könnten.

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Ohne mich hätte mein türkischen Kollege, der die deutsche Staatsbürgerschaft zurückgegeben hat, weil er sonst die türkische nicht hätte behalten können, den Jahreswechsel ganz verpaßt. Aber er ißt im Gegensatz zu meinem türkischen Gemüsehändler ja auch Schweinefleisch. Und ehrlich gesagt verwundert mich die muslime Interesselosigkeit am eigenen Kalender, gleichwohl sie sich trefflich darüber streiten können, wann die Fastenzeit beginnt und endet. Und so wußte mein Kollege auch gleich zu berichten, daß bei den Arabern schon einen Tag früher der 1. Muharram gesichtet wird. Es herrscht eben keine Einigkeit unter ihnen. Sie können nicht den Worten des Propheten folgen und gleichzeitig akzeptieren, daß er noch nichts vom monatelang ausbleibenden Sonnenuntergang in Polnähe und schon gar nichts von einer Datumsgrenze wußte. So wird ihr Kalender untergehen, obgleich er auf astronomische Grundlage gestellt ein wunderbares Beispiel für höchste Präzision sein könnte.

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Wäre ich ein der Sonnensichtung anhängender Christ, der jedes Jahr am 21. März früh durch Augenschein bestimmt, ob die Uhr bei Sonnenaufgang weniger anzeigt als bei ihrem Untergang am Vortage, und nur andernfalls im Folgejahr mit dem 29. Februar einen Schalttag einschiebt, dann könnte es vorkommen, daß meine gleichgesinnten Glaubensbrüder in Asien oder den USA zu einem anderen Ergebnis kommen. Wollte ich mit ihnen diese Differenzen diskutieren, würde es mir doch niemals in den Sinn kommen, dies auf der Basis des Maya-Kalenders zu tun.

Genau dies aber machen die Moslems. Die meisten nahmen den 1. Ramadan 1427 auf dem 24. September 2006 hin, während strenggläubige Moslems teilweise der Meinung waren, der Mond sei am Abend des 23. September nicht zu sehen gewesen, weshalb der 1. Ramadan 1427 der 25. September zu sein habe. Die Saudis wollen entgegen ihrem eigenen Kalender den Mond bereits am 22. September gesehen haben, was bei Neumond um 11:45 GMT doch sehr viel Glauben erfordert. Gemeinsam aber ist ihnen allen, daß sie ihre Differenzen auf der Basis des gregorianischen Kalenders diskutieren. Jedenfalls las ich nirgendwo, der 1. Ramadan 1427 hätte am Tage 2454002 oder 2454004 und nicht am Tage 2454003 liegen müssen.

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Ich staune immer wieder, was Sie alles wissen. Dank Ihnen weiß ich nun auch ein bisschen mehr über anderer Leute Zeitrechnung.

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Was ist daran verkehrt,
wenn Muslime eine externe Referenzquelle für innerislamische Zeitrechnungsdifferenzen hernehmen? Wäre der Maya-Kalender "state of the art" gewesen zur Zeit Papst Gregors und nicht so eine schwer verständliche Spezialwissenschaft mit seinen ganzen Baktuns und Katuns, hätte man ihn wohl schwerlich ignorieren können.

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Verkehrt ist daran nichts. Meine Einlassungen sollten nur deutlich machen, daß die gregorianische Bezeichnung des Datums sich durchgesetzt hat, auch in Gegenden der Welt, da man nach einem anderen Kalender lebt. Ungenaues läßt sich in der Sprache der Klarheit eben besser darstellen als umgekehrt.

Wenn viele Länder den julianischen Kalender auch erst Jahrhunderte nach dem Jahre 1582 durch den gregorianische ersetzten, so gab es in der Übergangszeit doch nur zwei Bezeichnungen für einen Tag, nicht schwieriger zu bewältigen als die Zeitumstellung bei Flugreisen. Wer ein Treffen vereinbarte, verfehlte den anderen allenfalls um zehn Tage, und das allein aus Unachtsamkeit.

Bei den muslimen Kalendern ist es anders. Es geht nicht um die Verschiedenheit, die man durch kleine Namenszusätze bewältigen könnte, sondern um die Unbestimmtheit des Datums in der Zukunft. Sicherlich streiten sich nur noch wenige darum, ob sie den Mond nach dem Sonnenuntergang des 29. Tages gesehen haben oder nicht, und man verläßt sich weitgehend auf astronomische Berechnungen. Doch die teilen die Welt zu oft in zwei Bereiche. Im Westem hätte man den Mond bereits sehen können, im Osten noch nicht.

So kommt es in verschiedenen islamischen Ländern zu verschiedenen Kalendern, was Privat- und Geschäftsleben auch dann noch behindert, wenn der gregorianische Kalender seit 90 Jahren offiziell gilt. Lebte der Prophet noch, hätte er in dieser Angelegenheit sicherlich ein Machtwort gesprochen.

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