Leistungsträger
Wer einen Haufen Geld hat, ständig über steuer­liche Bela­stungen jammert und sich seiner Wohl­taten wegen umjubeln läßt, steht bei mir auto­matisch im Verdacht zur Klasse derje­nigen zu gehören, die sich trotz ihres vorwiegend leistungs­losen Einkom­mens und Besitzes nicht als Nutz­nießer, Glücks­ritter, Ausbeuter oder Diebe empfinden, sondern für sog. Leistungs­träger halten, die durch hohe Steuern den Staat finan­zieren, der sein Geld nicht immer in ihrem Sinne einsetzt, wodurch sie sie sich berech­tigt fühlen, selbst zu entscheiden, wem sie etwas geben und wem sie im Gegen­zuge etwas oder mehr vorent­halten. Sie sind Teil einer unange­nehmen Elite, die sich durch Besitz, Herkunft oder Promi­nenz von der Ein­haltung der Gesetze befreit fühlt.

Auch wenn Herr Hoeneß mir zuvor sympa­thisch gewesen wäre, hätte es mich nicht verwun­dert, daß gegen ihn ermit­telt wird. Vielen anderen, die gleich­falls öffent­lich den Moral­apostel raus­hängen lassen, traue ich ähnliche Vergehen zu, wenn zumeist auch in beschei­denerem Maße, sowohl den Teil­nehmern der zahl­reichen Fernseh­diskus­sionen als auch deren Leitern. Leider werden wir es wegen des Steuer­geheim­nisses in den meisten Fällen nicht erfahren. Bei Herrn Hoeneß wird deshalb etwas mehr im Spiel sein, zumal er nur noch gegen eine Millionen­kaution auf freiem Fuß ist.

Ich hoffe auf eine deutliche Nieder­lage der Bayern gegen Barce­lona. Dann wird der gemeine Fuß­baller, der Herrn Hoeneß kaum mehr als einen verschos­senen Elfmeter nachträgt, sich gegen ihn wenden, ihn mit der gleichen Selbst­gefällig­keit verant­wortlich machen. Dann wird Herr Hoeneß hoffent­lich zurück­treten. Jeder kleine Dieb wäre sofort entfernt worden, jeder Bank­räuber in die Unter­suchungs­haft gewandert.

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Karfreitag, 16.05.1434
Den Protestanten konnte man den Buß- und Bet­tag strei­chen, wäh­rend die Katho­liken selbst auf sol­chen Feier­tagen behar­ren, deren Anlaß ich mir ein­fach nicht mer­ken kann. Man kann das als Schritt in die rich­tige Rich­tung werten, als Befrei­ung des Staa­tes von der Kirche und ihren Bevor­mun­dun­gen. In dieser säku­la­ren Zukunft dür­fen Gläu­bige natür­lich wei­ter­hin ihre Feste fei­ern. Gerne mag ihnen dazu das Recht ver­blei­ben, der Arbeit unbe­zahlt fernzu­bleiben.

Rechtzeitig zu Ostern wollen Mos­lems wieder einmal in die andere Rich­tung, näm­lich zwei eigene Feier­tage. Wenn in Saudi Ara­bien der Über­tritt zum Chri­sten­tum nicht mehr mit dem Tode be­straft wird, Bibeln einge­führt, gedruckt oder gar ver­teilt wer­den dür­fen und es noch genü­gend über­flüs­sige katho­li­sche Feier­tage im Tausch gibt, dann gerne.

Da hierzulande nicht nur fromme Pro­testan­ten am Buß- und Bet­tag von Schule und Arbeit befreit werden können, sondern auch Mos­lems zum Opfer­fest, fragt man sich, was denn die Stoß­rich­tung des medien­wirk­samen Herrn Aiman Mazyek und sei­nes Zen­tral­ra­tes der Musli­me ist. Soll über die for­male Aner­ken­nung als Feier­tag hinaus die Mehr­heits­bevöl­kerung zur Anteil­nahme oder gar zu Arbeits­nieder­legun­gen genö­tigt werden?

Inzwischen sind fünf Jahre vergan­gen, bald ist Kar­frei­tag, 12.07.1439. Und pünkt­lich zu Ostern beginnt wieder die Feier­tags­dis­kus­sion. Hätte ich heute beim Kaffee nicht zur Frank­furter Rund­schau statt zur Bild­zei­tung gegrif­fen, wäre sie die­ses Jahr an mir vorüber­gezo­gen, zumal ich seit der letz­ten Wahl kei­nen Poli­ti­ker mehr mus­lime Feier­tage habe for­dern hören. So ver­wun­dert nicht, daß in der Frank­fur­ter Rund­schau nur Reste der einsti­gen Viel­falt zu fin­den sind und der Schwer­punkt nun umge­kehrt auf der Abschaf­fung christ­li­cher Feste mit ihren Ein­schrän­kun­gen des tägli­chen Lebens liegt.

Ich habe nichts dagegen, wenn Katja Thorwarth [1] aus athei­sti­scher Über­zeu­gung die Abschaf­fung christ­li­cher Feier­tage for­dert, weil die Chri­sten ihre Zwei­drit­tel­mehr­heit einge­büßt haben. Schein­bar konse­quent for­dert sie glei­ches Recht für Chri­sten, Mos­lems und Scien­tolo­gen. Für bes­ser hielte ich aber die Ab­schaf­fung des Reli­gions­unter­rich­tes an öffent­li­chen Schu­len und die Strei­chung der Reli­gions­frei­heit, die über Mei­nungs- und Gedan­ken­frei­heit hinaus nur abstru­ses Gedan­ken­gut vor Gegen­rede und Misse­ta­ten vor Straf­verfol­gung schützt.

Wes Geistes Kind Frau Thor­warth ist, macht eine fette Zwi­schen­über­schrift deut­lich: „Pech: Islam ist weder evange­lisch noch katho­lisch“. Will sie damit sagen, Sun­niten und Schi­iten hät­ten ein An­recht auf Feier­tage, solange sie Prote­stan­ten und Katho­li­ken noch gewährt wer­den? Und so­gleich bekom­men auch Horst See­ho­fer und die CSU ihr Fett weg, die Schü­ler unter die Kruzi­fixe zwin­gen, aber Kopf­tü­cher nicht er­tragen.

Um was geht es eigent­lich? Um die gene­relle Abschaf­fung reli­gi­öser Feier­tage, um das Abhän­gen von Kreu­zen, gegen die CSU oder um die Liebe zu unse­ren abraha­miti­schen Brü­dern, von denen die Juden natür­lich nicht er­wähnt wer­den? Oder ist es Haß auf die deut­sche Gesell­schaft, die noch immer so christ­lich ge­prägt ist, daß sie feier­täg­li­che Ein­schrän­kun­gen und Haram-​Gebim­mel vom Kirch­turm den einzig wah­ren Gläu­bigen zumu­tet? Mal sehen, wie es in aber­mals fünf Jah­ren, am Kar­frei­tag, 15.09.1444 mit­ten im Rama­dan aus­sieht.

[1] Thorwarth, Katja: Trennung von Kirche und Staat - jetzt. FR, 29.03.2018.

Reformationstag | Buß- und Bettag | Fronleichnam

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Fußwaschung
So ändern sich die Zeiten: Früher steigerte man seine Aussichten auf eine zumeist mit einem Geld­geschenk verbundene Fuß­waschung durch Armut, Alter und einen guten Leumund, man war Priester, Pilger, zumin­dest frei von Fuß­krank­heiten. Heute geht es auch als Krimi­neller, vorzugs­weise jung und von fremdem Glauben. Der normale Mensch hat wie immer keine Chance auf diese und andere Aufmerk­samkeiten, will sie auch nicht.

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AM
Als ich gestern meiner Fernbe­dienung freien Lauf ließ, blieb ich an einem Bild hängen: Ein A und ein M auf einem riesigen Metall­adler an einer braunen Wand. Schon wieder ein Science-Fiction, in dem eine dunkle Macht mit über­mächtigen Symbolen in tristen Bergwerken Menschen versklavt? Als ich dann die braunen Wohn­zimmer­sessel vergan­gener Tage erblickte, hielt ich alles für eine abge­dunkelte Variante von Günther Jauch. Vielleicht eine Veral­berung? Da trat Raab ins Bild, und mir fiel wieder ein, daß es eine Sendung Absolute Mehrheit geben soll, in der für Geld diskutiert wird.

Frech und ahnungslos tritt Raab an Peter Limbourg heran, der den Abend offen­sichtlich als Chef­demoskop [1] zu begleiten hat. Sein Abgang zur Deutschen Welle wird erwähnt, und ich meine im Kopf von Peter Limbourg lesen zu können: Noch dieser Abend, dann ist das Elend vorbei. Heute habe ich mich informiert: Tatsächlich wurde Peter Limbourg von Raab aus dem sog. TV-Kanzler­duell gedrängt. Sollte der dabei sein, haben es die Zuschauer nicht anders verdient.

Als nächstes treten die Gäste herein. Alle begrüßen sich mit Handschlag. Nur der letzte setzt sich einfach hin. Es ist Sido aus dem Raab-Dunstkreis. Mir ist klar: Ihm werden die 300.000 in den Arsch geblasen, gleich welches Thema. Das garan­tieren Publikum, Pro-Sieben-Gemeinde, Raab-Fans, der Fernseh­zuschauer, wenn nicht sogar der gemeine Deutsche. Sie finden mehr­heitlich Gefallen an nichts­nutzen Gewalt­tätern, die einen auf Paulus [2] machen.

Den Rest habe ich nicht gesehen, aber heute lesend zur Kenntnis genommen, daß alles so war und gekommen ist, wie ich es mir dachte. Es wurde viel gelabert, und Sido hat die 300.000 eingesteckt. Warum beschäftige ich damit? Weil meine Vorur­teile so schön bestätigt werden [3] und der Weg, den die Mehrheits­gesellschaft gehen will, so hervor­ragend dargestellt ist. Trotzdem bin ich zuver­sichtlich: Einige werden sich absetzen und die Evolution voran­treiben.

[1] Jeder Demagoge benötig einen Demoskopen.
[2] Saulus aber war gebildet und blieb es auch.
[3] Ein Vorzug des Alters.

Fernsehen

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Kleinsparer
Als die Krise in Griechenland die Medien erreichte, kam mir spontan in den Sinn, Zypern an die Türken zu verkaufen. Aber leider gehörte Zypern weder den Griechen, noch den Europäern. Es ist ein unabhängiger Staat, in Größe und Zahlungsfähigkeit mit Berlin [1] vergleichbar, also durchaus von uns durchfütterbar.

Die Reichen verhalten sich ruhig, jedenfalls im Vordergrund. Sie sind Profis, die ihren Schaden in Grenzen halten wollen. Wenn dazu Renten verpfändet werden oder der Staat an die orthodoxe Kirche verkauft wird, dann verachte ich nicht sie, sondern die dummen Massen, die sich auf die Straße stellen, auf Europa schimpfen, die Deutschen als Nazis bezeichnen und von ihrem Stolz falseln.

Trügen sie auch nur einen Funken Selbstbewußtsein in sich, gäben sie von unten bis oben [2] zehn Prozent an den Staat ab und verlangten vom ihm, sich der Realwirtschaft zuzu­wenden und nicht weiterhin durch Hin- und Herschieben des Geldes schmarotzen zu wollen. Widerlicher sind nur noch die deutschen Kleinsparer, die gleichermaßen jede Ungerechtigkeit akzeptieren, wenn nur sie selbst ungeschoren bleiben. Auch wenig Geld verdirbt den Charakter.

[1] Oder lieber Bremen, ist kleiner und noch verschuldeter.
[2] Zehn Prozent können auch sog. Kleinsparer verkraften, schließlich sind sie keine armen Leute. Dadurch wird verhindert, daß Geldsäcke mit dreimal 99.000 ungeschoren bleiben. Wie die ganz Reichen stärker zur Kasse zu bitten sind, kann man sich später überlegen. Bis dahin sollte die Hälfte aller Einlagen eingefroren werden.

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Median
Zur Zeit wundern sich einige nicht nur über die privaten Reichtümer in armen Ländern, sondern auch über die enorme Abweichung des durchschnittlichen Vermögens eines deutschen Haushaltes von 195.200 Euro im Vergleich zum sogenannten Medianwert von nur 51.400 Euro [1]. Und obwohl ebenfalls zur Zeit allenthalben erklärt wird, was diese Werte bedeuten, will ich es wiederholen: Verteilt man das gesamte Privatvermögen der Deutschen gleichmäßig auf alle, so besitzt jeder Haushalt 195.200 Euro, aber die Hälfte dieser Haushalte hat weniger als 51.400 Euro. Was bedeutet das? Was wir eigentlich alle wissen: Die Vermögen sind ungleich verteilt! Aber wäre die Gesellschaft gerecht, wenn Median und Mittelwert beieinander lägen oder gar identisch wären? Nicht unbedingt:

Haben 37 Menschen jeweils 18 Euro in der Tasche, so sind Mittelwert und Median mit 18 Euro gleich groß, weil die 666 Euro so schön gleichmäßig verteilt sind. Geben wir aber dem ärmsten nichts, dem nächsten einen Euro bis hin zum letzten, der 36 Euro erhält, so sind Mittelwert und Median ebenfalls gleich, beide wiederum 18 Euro. Geht es noch ungerechter, ohne Median und Mittelwert auseinander zu bringen? Natürlich: Die ersten 18 bekommen nichts, nächsten 18 jeweils 18 Euro und der 37. den ganzen Rest von 342 Euro.

Das legt die Frage nahe: Wieviel ungerechter müssen die Vermögen verteilt sein, wenn der Mittelwert den Median fast um den Faktor vier übersteigt? Mathematiker machen immer einen schönen Ansatz: Haben wir eine große Zahl von Meßwerten, tragen sie nach Größe sortiert von x=0 bis x=1 in gleichmäßigen Abständen als sog. Y-Werte auf und erhalten einen quadratischen Verlauf a+bx+cx^2, dann ergibt sich ein Mittelwert M=a+b/2+c/3 und ein Median m=a+b/2+c/4, also c=12(M-m) und a+b/2=4m-3M. Für eine vollständige Bestimmung der Parameter a, b und c fehlt eine dritte Information.

In unserem Extremfall, da 4m-3M stark negativ ist, können wir vom für die Geldsäcke angenehmsten Fall b=0 ausgehen. Damit ergeben sich a=4m-3M=-380.000 Euro und c=12(M-m)=1.725.600 Euro. In Millionen Euro liegt also eine parabolische Vermögens­verteilung v(x)=1,7256x^2-0,38 vor. In Worten: Das reichste Prozent hockt auf mehr als 1,3 Millionen, das ärmste Prozent hat mehr als 350.000 Schulden. Die Nullstelle liegt bei sqrt(-a/c)=0,47. Das bedeutet: 47 Prozent haben gar nichts. Integriert man v(x), kommt V(x)=x(0,572x^2-0,38) mit V(0,9)/V(1)=0,4 heraus. In Worten: Die obersten 10 Prozent besitzen 60 Prozent des Vermögens.

In Wirklichkeit gelten nur halb soviele Haushalte als verschuldet. Zum Ausgleich werden die Vermögensverhältnisse an den Rändern noch extremer sein. Eine quadratische Näherung 1,7256x^2-0,38 trifft aber die Realität mit einer einfachen Formel. Vor allem meine, die mir aber zuvor bereits klar war: Trotz bescheidener Verhältnisse haben drei von sieben noch weniger. Und könnte ich mein Guthaben verzehnfachen, hätten immer noch drei von sieben mehr. Das allein macht schon deutlich, wie weit gespreizt die Vermögensverteilung ist.

[1] So reich und arm sind die Deutschen, Süddeutsche Zeitung, 21.03.2013

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Meteoritenhagel
Nun ist es also passiert. Am Tage, da ein mäßig großer Asteroid namens 2012 DA14 uns um vier Erdradien verfehlte, schlug ein kleiner Brocken wieder einmal in Sibirien ein. Ein großer Tag für Verschwörungstheoretiker, der neuen Schwung in die Katalogi­sierung immer kleinerer Objekte bringen wird, gleichwohl sie über einen kleinen und zumeist unbewohnten Bereich hinaus keinen Schaden anrichten. Sie sind wie Blitze, weit zu sehen und erst später zu hören. Mit mehreren tausend Kilometern pro Stunde zu schnell, um sich von russischen Kampfpiloten abschießen zu lassen, doch deutlich langsamer als das Licht:

Erst Sekunden nach dem grellen Lichtball gab es eine gewaltige Detonation. Diese Zeitverzögerung erklärt der Direktor des Naturhistorischen Museums in Wien, Christian Köberl, so: "Der Meteorit kommt mit Lichtgeschwindigkeit, während die Luftdruckwelle mit viel geringerer Geschwindigkeit deutlich später kommt." [1]

Liebe BZ, auch wenn ein Naturhistoriker nicht unbedingt tiefe astronomische und physikalische Kenntnisse benötigt, wird er es nicht wörtlich so gesagt oder gar gemeint haben. Das könnte jeder Redakteur bemerken und sich auch diese Analyse verkneifen:

Deutschland ist wegen der vergleichsweise geringen Gesamt- und damit auch Trefffläche weniger gefährdet. Über den Weltmeeren und unbewohnten Gebieten stürzen viel öfter Meteoriten ab, was deshalb auch meist unbemerkt bleibt. [1]

Wenn man nicht pro Kopf, sondern pro Quadratmeter rechnet, sei es Land oder Wasser, dann gibt es so manche Gefahr nicht, auch kein Bevölkerungsproblem. Der Vatikan ist noch schwerer zu treffen, und unser Papst bald gar nicht mehr.

[1] Meteoritenhagel: Warum gab es keine Warnung?, BZ Online, 15.02.2013

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